Derbymarsch-Video: Rechtsextreme nutzen HSV-Fans zur Desinformation
Das 112. Hamburger Stadtderby ist inzwischen fast drei Wochen her: Der FC St. Pauli besiegte den HSV im Volksparkstadion mit 2:0. Die Anhänger des Kiezklubs lachten also zuletzt – nachdem sich die beiden Fanlager während und vor dem Spiel gegenseitig bepöbelt und beschimpft hatten. Verbale Sticheleien gehören bei einer Rivalität wie der zwischen den Rothosen und den Braun-Weißen dazu. Viel wichtiger ist, dass die Polizei nach dem Duell ein positives Fazit zog, weil größere Zwischenfälle ausgeblieben waren. Im Nachgang der Partie missbrauchten Rechtsextreme aber ein beim Derbymarsch aufgezeichnetes Video von HSV-Fans.
Auch die „Tagesschau“ griff diese Thematik am Dienstagabend auf ihrem Instagram-Account (6,2 Millionen Follower) auf – und verwies auf einen Faktencheck des Medienunternehmens „Correctiv“. Es geht um ein Video, das unter anderem auf dem Instagram-Channel „marcorubio.support“ geteilt wurde und zeigt, wie Dutzende in Schwarz gekleidete Menschen nebeneinander auf einer Straße stehen und etwas skandieren. Der User „marcorubio.support“ behauptet, dass die vor mehreren Polizisten positionierten Personen dabei „send them home“ brüllen.
HSVer riefen „Scheiß St. Pauli“ – nicht „Send them home“
Dazu heißt es unter dem Beitrag: „Germany is fighting back“. Also: „Deutschland wehrt sich“. Und: „Germans are now demanding for illegal migrants to be deported“. Übersetzt: „Die Deutschen fordern nun die Abschiebung illegaler Migranten“. Doch die Wahrheit ist: Die Rufe wurden fälschlicherweise als Stimmungsmache gegen Migranten deklariert. Es handelt sich vielmehr um HSV-Fans, die auf ihrem Derbymarsch durch die Hamburger Innenstadt „Scheiß St. Pauli“ anstimmten.
„Correktiv“ verweist diesbezüglich auf ein Video vom „Hamburger Abendblatt“. Auch die MOPO begleitete den Marsch der Anhänger, die sich auf ihrem Weg durch die City bis nach Bahrenfeld hinter einem großen Banner mit der Aufschrift „Hamburg“ versammelten. Zudem belegen Agenturfotos vom Nachmittag des 29. Augusts die Existenz dieses Banners, das auf besagtem Instagram-Video im Hintergrund zu erkennen ist.

Hinzu kommt: Der Instagram-Kanal mit offensichtlich rechtsextremen Inhalten schnitt das „Abendblatt“-Video so ab, dass die einleitenden Worte des Vorsängers nicht zu verstehen waren. Bei dem Capo der HSV-Szene ist eigentlich sehr gut zu hören, dass er „Scheiß St. Pauli“ ins Megafon brüllt, nichts anderes. Mittlerweile ist der Post auf dem Account „marcorubio.support“ nicht mehr vollständig einsehbar. Die Caption, also der Text unter dem Beitrag, ist noch zu lesen. Dort heißt es: „migration has hit record levels across Europe. Germany is beginning to fight back!“ Also übersetzt: „Die Migration hat in ganz Europa ein Rekordniveau erreicht. Deutschland beginnt sich zu wehren!“
HSV-Rufe waren keine Stimmungsmache gegen Migranten
Das Video von den HSV-Fans, das die Personen hinter dem Social-Media-Kanal missbrauchten, kann aber nicht mehr angeschaut werden. Instagram verweist beim Klicken auf den Beitrag nun auf den Check von „Correktiv“ – per Link und mit diesem Hinweis: „Laut externen Faktenprüfern sind Informationen in diesem Beitrag falsch.“ Dass hier eine bewusste, rechtsextreme Desinformation stattgefunden hat, erkannten auch einige andere Instagram-User. Sie verwiesen in den Kommentaren auf die Wahrheit – nämlich, dass die Rufe der HSVer rein gar nichts mit Stimmungsmache gegen Migranten zu tun haben, sondern gegen den ungeliebten Stadtrivalen vom Kiez gerichtet sind.
Gegenüber „Correctiv“ ließ der HSV mitteilen, dass der Verein „rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen […] aktiv entgegen“ treten würde. Die Fans hätten im Rahmen des Stadtderbys zu keinem Zeitpunkt „send them home“ gerufen.
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Im Jahr 2021 hatte der HSV die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet und geschrieben: „Als Arbeitgeber treten wir für ein wertschätzendes und vorurteilsfreies Arbeitsumfeld ein – unabhängig von ethnischer Herkunft und Nationalität, Religion und Weltanschauung, sozialer Herkunft, Alter, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung sowie körperlichen und geistigen Fähigkeiten.“ (mp)
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