Boris Becker schaut nachdenklich

Boris Becker hatte im Gefängnis viel Zeit zum Nachdenken. Foto: IMAGO/Panama Pictures

„Schreie in der Nacht“, Drogen, Vergewaltigungen: Becker spricht über Zeit in Haft

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Im Dezember 2022 endete für Boris Becker das wohl dunkelste Kapitel seines bisherigen Lebens. Nach siebeneinhalb Monaten Haft durfte Deutschlands Tennis-Ikone das Gefängnis von Huntercombe in England verlassen, wo Becker wegen Insolvenzstraftaten mit Mördern und Vergewaltigern eingesessen hatte. Nun sprach er über die Bedingungen in der Haftanstalt – und berichtete von schockierenden Zuständen, markerschütternden Schreien, bitterkalten Nächten und florierendem Drogenhandel.

Am meisten hätten ihm die „Schreie in der Nacht“ zugesetzt, sagte der dreifache Wimbledon-Sieger in einem Interview mit dem „Süddeutsche Zeitung Magazin“ – „als ob Menschen um ihr Leben schreien“. Das gehe die ganze Nacht so. Die Insassen hätten geschrien, „weil sie vor Wut durchdrehen, weil sie sich die Arme aufritzen, weil sie Platzangst haben, weil sie Aufmerksamkeit wollen, weil sie Rache schwören. Das weiß ich heute. In den ersten Nächten dachte ich, die wollen sich alle selber umbringen“, führte Becker aus.

Auf dem Weg zum letzten Prozesstag mit seiner Frau Lilian de Carvalho Monteiro: Am 29. April 2022 verurteilte das Gericht Boris Becker zu einer Haftstrafe. IMAGO/ZUMA Press Wire
Lilian de Carvalho und Boris Becker gehen Hand in Hand über eine Straße
Auf dem Weg zum letzten Prozesstag mit seiner Frau Lilian de Carvalho Monteiro: Am 29. April 2022 verurteilte das Gericht Boris Becker zu einer Haftstrafe.

Der 57-Jährige war in England wegen Insolvenzstraftaten zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, von denen er lediglich siebeneinhalb Monate in Gefangenschaft verbüßte, bevor er nach Deutschland abgeschoben wurde. Becker hatte seinem Insolvenzverwalter nach Ansicht der Richter bedeutende Besitztümer wie eine Immobilie in seinem Heimatort Leimen vorenthalten. Er war zunächst im His Majesty Prison Wandsworth untergebracht, danach in Huntercombe.

Wandworth sei, sagte Becker, „in ganz England berüchtigt: Überfüllung, Personalnot, ungenießbares Essen, Feuchtigkeit, Moder in den Ecken, Schimmel und Spinnweben an den Decken, verdreckte Toiletten, Kälte. Als es Oktober wurde, habe ich in Trainingsanzug und Socken geschlafen. In manchen Nächten war es in meiner Zelle so kalt, dass ich in zwei Jacken und zwei Paar Socken schlief und mir ein Handtuch um den Kopf wickelte.“


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Vor seinem Haftantritt sei er einer Leibesvisitation unterzogen worden. Dort „musste man nackt die Beine spreizen und sich von Händen in Gummihandschuhen untersuchen lassen, Eier, Penis, Rektum. Ich musste lachen und fragte: ‚Was suchen Sie da eigentlich?‘ Die Antwort war: ‚Sie wären überrascht, was wir da alles finden, von Bargeld bis Drogen‘“, erzählte Becker.

In einem Interview mit dem „Spiegel“ berichtete der frühere Star-Spieler von den Machtverhältnissen hinter Gittern. „Ich hatte die Kontrolle über mein Leben verloren“, sagte er. „Die hatten dort andere.“ Es habe nur um die 75 Wärter gegeben, sagte er im „SZ Magazin“. „Die können dir unmöglich Schutz geben. Man merkt sehr schnell, dass Gefängnisse in Wahrheit von Gefangenen kontrolliert werden. Wer es nicht schafft, sich einer Gruppe von harten Jungs anzuschließen, hat keine Chance.“

Becker hat im Gefängnis von Vergewaltigungen „gehört“

Becker sagte, er habe auch von Vergewaltigungen „gehört“ und einen regen Drogenhandel erlebt. „Es gab fast alles zu kaufen, Alkohol, Cannabis, Amphetamine. Die häufigste Droge ist Spice, eine Art Gefängnis-Crack, billig, sehr stark und supersüchtig machend. Man sieht sofort, wenn einer auf Spice ist.“ Der schlimmste Feind im Gefängnis sei „die Zeit, die einfach stehen bleibt. Dieses Endlose zerfrisst deine Seele und kocht deinen Verstand weich. Wenn du aus der Zelle kommst, beginnt der Kampf ums Überleben. Wenn du in deine Zelle zurückgehst, verschluckt dich die Einsamkeit“, sagte Becker. „Ich hatte alles verloren, sogar meine Freiheit. Dadurch hatte ich genügend Zeit, mir zu überlegen, warum das passiert ist. Der Verantwortliche bin ich selber.“

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Nach der vorzeitigen Entlassung kümmere sich seine inzwischen schwangere Frau Lilian de Carvalho Monteiro darum, dass er nicht – trotz einstigen Reichtums – wieder in Geldprobleme geraten wird. „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und eine Partnerin zu Hause, die sehr vorsichtig, um nicht zu sagen, zurückhaltend mit Geld umgeht.“ (max)

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