Oliver Mommsen lehnt an einer Säule.

Oliver Mommsen (56) ist happy: Ab 10. September läuft sein Stück in der Komödie Winterhuder Fährhaus. Foto: picture alliance / ABBfoto

Oliver Mommsen: „Aus der eigenen Misere kann man sich nur selbst erlösen“

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Als Mann für alle Rollen macht Oliver Mommsen derzeit Furore: In „Vanya“ schlüpft der Theater– und Fernsehstar in nicht weniger als acht vielschichtige Charaktere. Nun kommt das in Berlin umjubelte Solostück (nach Anton Tschechows Meisterwerk „Onkel Wanja“) an der Komödie Winterhuder Fährhaus heraus. Nach all dem Jubel befinde er sich gerade in seinem „absoluten Lieblingszustand“, sagt der 56-Jährige im Interview. „Mein Leben ist gerade ein einziger Freudentaumel.“

Um Glück oder vielmehr die Abwesenheit von Glück geht es ja auch in dem Stück, richtig?

Oliver Mommsen: Genau, in dieser Hinsicht ist „Vanya“ geradezu eine Lehrstunde. Es geht um Menschen, die mit ihrem Schicksal hadern. Sie leiden unter ihren unerfüllten Sehnsüchten oder trauern um verpasste Chancen. Glücklich und zufrieden mit ihrem Platz im Leben ist keine der Figuren. Und wie ihnen geht es leider vielen. Wenn ich mich in unserer Gesellschaft umsehe, habe ich das Gefühl, nur sehr wenige Menschen sind glücklich mit ihrer Lebenssituation.

Sie zählen sich dazu – was ist Ihr Glücksgeheimnis?

Für ganz wichtig halte ich, sich nicht vom Alltagsärger auffressen zu lassen. Um nicht an unangenehmen Situationen kleben zu bleiben, heißt mein Prinzip: der Sache zwar ins Auge sehen, dann aber auch woanders hingucken. Um Abstand zu gewinnen, höre ich Musik, gehe ins Kino, ins Theater oder ins Grüne. Das hat nichts mit Selbstbetrug oder Schönmalerei zu tun. Es ist eine bewusste Entscheidung.

Zurück zum Stück: Was zeigt uns das Scheitern vor allem von Onkel Wanja, der im Stück hier Ivan heißt?

Dass es nichts bringt, ständig nach Schuldigen für das eigene Elend zu suchen und auf Besserung der Umstände durch andere zu hoffen. Aus der eigenen Misere kann man sich nur selbst erlösen. Zu einem Gefühl von innerer Zufriedenheit und Erfüllung tragen für mich Lebensfreude und Dankbarkeit bei. Aber auch das Meistern von Herausforderungen setzt enorme Energien frei. Ich kann das nur empfehlen.

Mommsen schlüpft in „Vanya“ in acht unterschiedliche Rollen. Franziska Strauss
Ein Mann steht mit einem Fächer vor einem offenen Kühlschrank.
Mommsen schlüpft in „Vanya“ in acht unterschiedliche Rollen.

Apropos Herausforderungen – wie intensiv war die Vorbereitung auf „Vanya“?

Es war die intensivste Beschäftigung mit einem Stück, mit einer Rolle, die ich je hatte. Irgendwann habe ich sogar in den Figuren geträumt.

Wie haben Sie sich denen genähert?

Nach und nach. Gleich im Januar ging’s mit Textlernen los. Meine Eintrittskarte in die Welt dieser Menschen war Michael. Der Landarzt, ein Mann mit ganz tollen Ideen und für mich der erste Öko-Aktivist, lag mir sofort.

Und um wen mussten Sie am meisten ringen?

Gekämpft habe ich mit allen. Die meiste Angst hatte ich jedoch vor Helena, der Frau des gealterten Filmemachers Alexander. Sie kann scheinbar jeden nur durch ihre Schönheit bezirzen. Um das Wesen dieser Frau in mir zu entdecken, habe ich zu Hause die Vorhänge vorgezogen, bin durch die Wohnung getanzt und habe mich bewegt, wie sie sich meiner Vorstellung nach bewegen würde. Wichtig war mir dabei das Feedback meiner 23-jährigen Tochter. Sie ist, was Klischees betrifft, sehr hellhörig und sagt, wenn ihr etwas altbacken erscheint, sofort ihre Meinung.

Was erwartet eigentlich die Zuschauer bei Ihrer Performance?

Auch sie sind gefordert. Sie sehen ja die ganze Zeit nur einen einzigen Schauspieler, müssen daher die Lücke zwischen mir und den gerade auftretenden Figuren im Kopf selbst füllen. Genau darin liegt der Genuss. Das Stück ist brillant geschrieben, dennoch erfordert es, an den Figuren dranzubleiben, auch Spürsinn – den wir Deutschen mit unserer Lust an Krimis ja haben.

Aber Ihre Rolle als „Tatort“-Ermittler ist inzwischen abgehakt?

Na ja, gelegentlich werde ich noch als Ex-„Tatort“-Star angekündigt, aber mittlerweile bin ich als Schauspieler angekommen. Es war ja nie das Ziel, hauptberuflich als Nils Stedefreund bei der Bremer Mordkommission zu landen. Zweigleisig unterwegs zu sein, ist natürlich ein Riesenglück. Denn beim Fernsehen, das bekommen gerade viele Kolleginnen und Kollegen zu spüren, ist die Auftragslage etwas mau geworden. So bin ich übrigens an den „Vanya“ gekommen. Meine Freundin hat mir das Stück vorgeschlagen, weil ich unausgelastet war. Dass dieses Wagnis nun vom Publikum so honoriert wird, ist für mich immer noch ein bisschen wie im Märchen.

Komödie Winterhuder Fährhaus: 10.9.-21.9., diverse Zeiten, 30-43 Euro, komoedie-hamburg.de

Der Plan7 vom 5. September 2025 MOPO
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