Ukraine-Präsident Wolodomyr Selenskyj (Vordergrund) wurde im Weißen Haus von europäischen Regierungschefs begleitet.

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj (Vordergrund) wurde im Weißen Haus von europäischen Regierungschefs begleitet. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon

Frieden in der Ukraine? Fast zu schön, um wahr zu sein

kommentar icon
arrow down

Nach dreieinhalb Jahren Krieg in der Ukraine gibt es nun erstmals eine wirkliche Chance auf Frieden. Das Treffen der europäischen Regierungschefs und des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Donald Trump im Weißen Haus lief besser als von vielen erwartet. Doch zu Euphorie besteht kein Anlass. Denn bisher wurde die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Russlands Machthaber Wladimir Putin müsste sich nun endlich bewegen.

Europa hatte alles aufgeboten, was auch nur irgendwie als „Trump-Flüsterer“ gelten kann: Neben Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Emmanuel Macron waren auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Italiens rechtspopulistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, NATO-Chef Mark Rutte, der britische Premier Keir Starmer sowie der finnische Präsident Alexander Stubb nach Washington gereist – letzterer ein guter Golfkumpel von Trump. In einer einigermaßen peinlichen Zeremonie huldigten sie Trump im Weißen Haus wie einem verrückten König.

Es gibt zumindest einen Plan für Frieden

Doch die Verrenkungen haben sich fürs Erste gelohnt: Trump ließ es nicht zu einem Eklat kommen – und er blieb den Europäern auch politisch einigermaßen bei der Stange. Nun gibt es so etwas wie einen Plan hin zum Frieden. Der einzig offene Streitpunkt, der zunächst von außen erkennbar war, liegt in der Frage eines Waffenstillstands. Bisher hatte Trump einen solchen befürwortet. Seit seinem Treffen mit Putin in Alaska spricht er aber davon, diesen überspringen zu wollen und direkt einen großen Friedensdeal zu vereinbaren. Merz und Macron hatten Trump im Weißen Haus widersprochen – sie könnten sich keine weiteren Verhandlungen vorstellen, ohne einen vorherigen Waffenstillstand. Tatsächlich wirft der Verzicht auf einen Waffenstillstand Fragen auf: Wie soll beispielsweise über den künftigen Grenzverlauf diskutiert werden, wenn sich die Frontlinie ständig verschiebt?

Das könnte Sie auch interessieren: Deutsche Soldaten in der Ukraine? So reagiert der Außenminister

Der Plan, einen Waffenstillstand quasi zu überspringen, verschafft Putin zudem erst einmal Zeit. Er kann ungestört weiterbomben – und tut dies auch. Trotzdem wird sich auch der Russe bald entscheiden müssen. Denn Trump hat einen Dreiergipfel mit Putin, Selenskyj und sich selbst angekündigt – bereits für die kommende Woche. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dann wäre das ein wirklicher Durchbruch – fast egal, was dort zunächst einmal vereinbart würde. Denn bisher hat Putin Selenskyj nicht als Verhandlungspartner anerkannt. Die russische Propaganda bläut ihren Bürgern seit Jahren ein, Selenskyj sei ein kokainsüchtiger Faschist und Kriegsverbrecher, den es zu beseitigen gelte. Und mit dem trifft sich Putin nun plötzlich? Man darf auf die Reaktion des Kremls auf Trumps Anliegen gespannt sein.

Vieles bleibt zunächst völlig unkonkret

Und auch über Sicherheitsgarantien für die Ukraine wurde im Weißen Haus bereits gesprochen – wenn auch sehr schwammig: Die USA seien bereit, der Ukraine bei der Absicherung eines Friedensabkommens zu helfen, erklärte Trump. Wie genau dies aussehen könnte, ließ er aber offen. Darf die Ukraine Waffen in den USA kaufen? Wie würde eine mögliche Beistandsgarantie aussehen? Und müssten Europäer womöglich Truppen stellen? Alles offen. Aus dem Umfeld des Weißen Hauses hieß es, es sollten Garantien wie im Artikel 5 der NATO sein. Doch das ist ein Problem: Die Beistandsverpflichtung innerhalb der NATO ist dehn- und interpretierbar. Staaten können im Ernstfall eigene Truppen schicken – oder eine Postkarte.

Und auch Gebietsabtretungen, wie sie Putin fordert, wurden wohl bereits diskutiert. Diese wären für die Ukraine besonders schmerzhaft – und militärisch gefährlich. Denn die von Putin geforderten Gebiete umfassen auch massive Befestigungsanlagen, die Kiew dann aufgeben müsste.

Geschlossenheit – der wichtigste Erfolg der Europäer

Trotzdem ist es gut, dass nun endlich Bewegung in die Diplomatie kommt. Dazu ist nur ein US-Präsident in der Lage, da Putin die Europäer in der Vergangenheit gar nicht als Verhandlungspartner akzeptiert hat. Nun sitzen sie trotzdem zumindest mal mit am Tisch. Und sie haben bisher ihre Geschlossenheit gewahrt. Ein Erfolg! Jetzt gilt es, diesen guten Anfang in konkrete Ergebnisse umzumünzen. Leider sind die beiden wichtigsten Protagonisten in dem Prozess – Trump und Putin – ziemlich unzuverlässige Zeitgenossen. Für Europa gilt es, akzeptable Bedingungen für die Ukraine herauszuschlagen und sich gleichzeitig für den Fall vorzubereiten, dass der Prozess scheitert. Sprich: weiter an der eigenen Autonomie zu arbeiten.

Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp
test