Christina Block am Freitag im Hamburger Landgericht Foto: dpa | Marcus Brandt

„Mama tut uns weh“: Die brutale Nacht, in der das Block-Drama eskalierte

Wie wird es sein, wenn Christina Block und ihr Ex-Mann Stephan Hensel sich im Gerichtssaal begegnen? Sie angeklagt wegen der Entführung ihrer Kinder aus Dänemark, er als Nebenkläger, weil die Entführer ihn niedergeschlagen haben. Die Erwartungen an ein Drama waren hoch, wälzt sich der Sorgerechtsstreit doch seit Jahren „wie eine Schlammlawine durch den Boulevard“, wie ein Anwalt es so schön formulierte. Tatsächlich dauerte der erste Prozesstag nur wenige Stunden, in denen die Anklage erschütternde Details der Entführung ans Licht brachte – und die Verteidiger schon mal ihre Strategien vorstellten.

Schon zwei Stunden vor Anklageverlesung fanden sich die ersten der rund 100 akkreditierten Journalisten vor der Tür des Saales 237 ein – der Prozess um eine Millionärin, die ihre eigenen Kinder entführen lässt, ist ein gigantisches Medienspektakel. Schließlich lassen beide Seiten die Öffentlichkeit seit Jahren an dem Sorgerechtsstreit in Hamburgs feinsten Kreisen teilhaben. Christina Block und Gerhard Delling betreten das Gericht durch den Haupteingang, vorbei an zahlreichen Fotografen. Stephan Hensel, der Kindsvater, lächelt gar in die Kameras.

Stephan Hensel, Ex-Mann von Christina Block, ist Nebenkläger im Verfahren dpa/Georg Wendt
Lächelnder Mann
Stephan Hensel, Ex-Mann von Christina Block, ist Nebenkläger im Verfahren

Was die Kinder in der Silvesternacht 2023 durchmachten, fasst die Anklage eindrücklich zusammen: Sie sahen, wie maskierte Männer ihren Vater zu Boden schlugen und gegen den Kopf traten, bevor sie selbst in ein Auto gezerrt und in den Fußraum gedrückt wurden: „Dabei lag der zehnjährige Junge unter seiner 13-jährigen Schwester, die die Täter von oben herunterdrückten, sodass sie befürchtete, ihr Bruder ersticke unter ihr.“ Das Mädchen, inzwischen 14 Jahre alt, hat angekündigt, im Prozess gegen ihre Mutter aussagen zu wollen.

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Christina Block, eingerahmt von ihren Anwälten, schmal in einer hellblauen Bluse, verfolgte die Anklageverlesung mit unbewegter Miene. Ihr gegenüber in dem holzvertäfelten Gerichtssaal des Hamburger Landgerichts sitzt ihr Ex-Mann. Sie sitzen direkt im Blickfeld des anderen, vermeiden aber Augenkontakt. Auch er wirkt ernst, aber deutlich entspannter.

Christina Block neben ihren Verteidigern Otmar Kury (r) und Ingo Bott. picture alliance/dpa/Pool-dpa | Marcus Brandt
Christina Block neben ihren Verteidigern Otmar Kury (r) und Ingo Bott

Das Drama findet in den Schilderungen der Anklage statt: Die Grenze zu Deutschland hätten die Entführer zu Fuß überquert, wobei einer der Männer den Jungen „wie einen Sack“ über der Schulter durch den Wald getragen habe. Ein Täter habe den Kindern erklärt, sie kämen zu ihrer Mutter, woraufhin der Junge geschrien habe, sie wollten nicht zu ihrer Mutter, die tue ihnen weh. Die Kidnapper klebten den Kindern den Mund zu, erklärten, sie seien nicht böse, aber wenn sie nicht tun, was sie sollen, könnten sie ihnen auch wehtun oder sie töten.

Mit Klebeband geknebelt

Jenseits der Grenze stiegen die Täter mit den Kindern in ein Wohnmobil und fuhren mehrere Stunden zu einem Hof in Süddeutschland. Das Mädchen konnte vor Aufregung nichts essen, ihr Bruder hatte Angst, die Entführer könnten ihm Schlafmittel geben, so die Anklage. Auf einem Hof in der Nähe von Karlsruhe trafen die Kinder dann am Morgen des 2. Januar 2024 auf ihre Mutter, zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren. Die Anklage schildert ein bitteres Wiedersehen: „Zunächst weigerten sich die beiden Kinder, mit der Beschuldigten in eine Kommunikation einzutreten und verweigerten auch die Annahme von ihnen angebotenen Sachen aus ihrer früheren Kindheit.“ Die Kinder hätten deutlich gemacht, dass sie zurück zu ihrem Vater und nicht mit ihrer Mutter nach Hamburg wollen.

Fernsehmoderator Gerhard Delling (l.) ist der Lebensgefährte von Christina Block und wegen Beihilfe zur Kindesentführung angeklagt. dpa | Marcus Brandt
Zwei Männer in einem Gerichtsaal
Fernsehmoderator Gerhard Delling (l.) ist der Lebensgefährte von Christina Block und wegen Beihilfe zur Kindesentführung angeklagt.

Christina Block, so die Staatsanwaltschaft, hat den Auftrag für diese ungeheuerliche Tat gegeben. Sie hat die israelische Firma Cyber Cupula losgeschickt, die Ex-Mossad-Agenten beschäftigt. Als Mittäter ist der Familienanwalt der Block-Holding angeklagt, als dritten Mittäter hat die Staatsanwaltschaft einen Israeli angeklagt, der den Fluchtwagen gefahren haben soll. Wegen Beihilfe angeklagt sind Blocks Lebensgefährte Gerhard Delling, eine Freundin und deren Mann, die Block und die Kinder zum Haus in Ohlsdorf gefahren haben sollen, sowie ein Sicherheitsmann, der die Block-Villa bewacht hat.

Nach der Anklageverlesung hielten die Anwälte „Opening Statements“. Allgemeiner Tenor: Auf der Anklagebank müsste nicht die Mutter sitzen, sondern der Vater, der die Kinder im August 2021 nach einem Wochenendbesuch widerrechtlich bei sich behielt. Im Oktober 2021 hatte das Hanseatische Oberlandesgericht der Mutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen, aber der Vater hatte das dänische Familiengericht auf seiner Seite, das den Beschluss nach Gesprächen mit den Kindern nicht umsetzte. In Hamburg ist noch immer ein Verfahren wegen Kindesentzug gegen ihn anhängig.

Verstorbene Oma beschuldigt

„Christina Block hatte einen Herausgabeanspruch gegenüber Stephan Hensel“, sagt einer der Verteidiger, als würden die Ex-Eheleute sich um ein Auto zanken. Otmar Kury, der Christina Block vertritt („die angeklagte Dame Block“, wie er sie nennt), geht die Staatsanwaltschaft hart an. Sein 375 Seiten starker Schriftsatz „Anmerkungen zur Verdachtslage“ sei nicht in die Leitakte übernommen worden. In der Presse hat er erklärt, die verstorbene Großmutter könnte die Entführer beauftragt haben.

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Etwas emotionaler das Statement des zweiten Block-Verteidigers, Ingo Bott: „Frau Block liebt ihre Kinder, darum gibt es dieses Verfahren“, sagt er, und: „Wir haben eine Mutter, die ihre Kinder zweieinhalb Jahre nicht gesehen hat, das sind tausende Mal Zähneputzen.“ Er betont, dass es in den Ermittlungsakten keinen Auftrag an Cyber Cupula gebe. Die Täter hätten auf eigene Rechnung gehandelt, die Anklage sei dünn, seine Mandantin unschuldig.

Als sie nach der Trennung mit einem „Star“ zusammengekommen sei (Sportreporter Delling), habe das vielleicht „etwas gemacht“ mit ihrem Ex-Mann. Auch Dellings Anwalt weist alle Vorwürfe zurück und erklärt: „Die Kinder werden irgendwann feststellen, dass im August 2021 ein Fehler passiert ist, der sie um viele Jahre mit ihrer Mutter gebracht hat.“ Alle Anwälte rechnen mit Freisprüchen. Am kommenden Dienstag wird Christina Block aussagen.

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