Fühlt sich besser denn je: Michel Ruge (55) nach seiner radikalen Fastenkur.

Fühlt sich besser denn je: Michel Ruge (55) nach seiner radikalen Fastenkur. Foto: Luehmannshot.me

Hamburger Autor nach 40 Tagen Extrem-Fasten: „Mein Körper war im Turbo-Modus“

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Er war satt vom Überfluss unserer Wohlstandsgesellschaft – und hungrig nach einer Extremerfahrung: 40 Tage wollte es der Hamburger Autor Michel Ruge ohne Nahrung aushalten. Über seine radikale Fastenkur berichtet der 55-Jährige aus St. Pauli in der MOPO.

Ich wollte: Mich wieder intensiver wahrnehmen, beweglicher werden, schmerzfrei sein – und vor allem ausprobieren, ob ich als Teil unserer Wohlstandsgesellschaft noch Verzicht üben kann. Wie: mit einer 40-tägigen Fastenkur.

Schaffe ich das? 40 Tage ohne Essen? So wie Jesus, der 40 Tage und Nächte in der Wüste gefastet hat? Ich war mir sicher: ja.

Satt vom Überfluss

Denn ich war satt. Satt vom Überfluss, Überangebot, von der ständigen Verfügbarkeit von allem. Das galt sowohl für körperliche als auch für geistige Nahrung. Obwohl, vieles nährte mich gar nicht. Es füllte mich lediglich.

20 Kilo weniger: der Hamburger Autor Michel Ruge aus St. Pauli vor und nach seiner 40-tägigen Fastenkur. Fritz Jaenecke/Facebook
20 Kilo weniger: der Hamburger Autor Michel Ruge aus St. Pauli vor und nach seiner 40-tägigen Fastenkur.
20 Kilo weniger: der Hamburger Autor Michel Ruge aus St. Pauli vor und nach seiner 40-tägigen Fastenkur.

Hinzu kamen Schmerzen im Rücken und in der Schulter und eine ungewohnte Unbeweglichkeit. Körper und Geist wussten einfach nicht mehr wohin mit all dem Zeug, das täglich reinkam.

Der Körper fegt gründlich aus

Dabei hat der Körper eigens einen Mechanismus, um aufzuräumen und Zellschrott zu entfernen: Autophagie beschreibt den Prozess, bei dem der Körper gründlich ausfegt und dafür sorgt, dass alles rauskommt, was nicht reingehört.

Weil unsere Gesellschaft aber zum ständigen Essen verführt, werden diese notwendigen Zeitfenster immer kleiner. Also beschloss ich, dieses Fenster möglichst weit zu öffnen und die innere Bude mal so richtig aufzuräumen.

Tees und Nahrungsergänzungsmittel

Weil 40 Tage schon recht lang sind, holte ich mir die Hilfe vom Heilpraktiker Miguel Gahn, der mir nach einer gründlichen Anamnese eine Reihe von Teesorten und Nahrungsergänzungsmitteln aufschrieb, damit es meinem Körper nicht an dringend benötigten Nährstoffen mangelt. Anschließend aß ich zwei Tage nur Leichtverdauliches, sah zu, dass meine Eingeweide leer wurden – und stellte das Essen schließlich ganz ein.

Mit knurrendem Magen und viel Langeweile ging es durch die Woche. Ich merkte nicht nur, wie viel Befriedigung das Essen bringt, sondern auch, wie viel Zeit es am Tag einnimmt. Einkaufen, Vorbereiten, Kochen und Essen – rund vier Stunden des Tages sind damit gefüllt. Die waren plötzlich über.

Körper schaltet in Turbomodus

Genau so viele Stunden, wie ich ab der zweiten Woche nur noch Schlaf brauchte. Mein Körper schaltete in eine Art Turbomodus, und so stand ich nach vier Stunden Schlaf senkrecht im Bett. Das Wachsein hatte plötzlich eine andere Qualität, ich war ausgeschlafen, fit und alle Sinne stellten sich scharf.

Gleichzeitig kehrte eine besondere Art der Ruhe ein, sodass mich selbst der Straßenverkehr nicht mehr aufregte. Stau, ständig rote Ampeln und meckernde Fahrradfahrer ließen mich völlig kalt.

Genuss bei Koch-Tutorials

Die Gedanken ans Essen wurden weniger, stattdessen bekam ich plötzlich Lust darauf Brot zu backen. Ich setzte meinen ersten Sauerteig an, den ich im Gegensatz zu mir regelmäßig fütterte. Mit großem Genuss schaute ich mir Back- und Koch-Tutorials im Internet an und beschäftigte mich auf ganz neue Art mit dem Thema Ernährung.

Am Ende der zweiten Woche verschwanden schließlich alle körperlichen Beschwerden und ich konnte mir wieder problemlos die Schnürsenkel zubinden, ohne dass es im Rücken zog. Ich war beweglich wie lange nicht mehr – körperlich und geistig.

Kreislauf schwächelte regelmäßig

Doch, es gab natürlich auch Nachteile: Der Kreislauf schwächelte regelmäßig. Wenn ich nachts aufstand, musste ich mich hin und wieder an der Wand abstützen, das Hochsteigen der Hafentreppe kam einer Bergbesteigung gleich, meine Haut wurde trocken, ich fror trotz Sonnenschein und der Geschmack von Kräutertee löste mittlerweile Würgereiz aus.

Anders der Teller Brühe, den ich alle paar Tage aß und die winzigen Lutschtabletten vom Heilpraktiker, die ich mit großem Genuss zu mir nahm. Auch das Zähneputzen wurde zum kulinarischen Highlight und die Zahnpasta löste Schluckreflexe aus.

„Mein Körper war so beweglich wie mein Geist“

Was nicht eintrat, war, zum Glück, die befürchtete Übellaunigkeit oder Gereiztheit. Stattdessen versorgte ich meine Familie mit frischem Sauerteigbrot und fing an, die Wohnung zu renovieren.

Schon nach drei Wochen hatte ich alle meine Ziele erreicht – mein Körper war ebenso beweglich wie mein Geist. Meine Gedanken konnten sich frei in alle Richtungen bewegen, ohne sich zu verfangen.

Mit dem Alter mehr auf sich achtgeben

Doch, da war noch ein Ziel: Ich wollte auch mit über 50 Jahren nicht einfach hinnehmen, dass die Waage mehr anzeigt als nötig oder als es gesund ist. Für mich gehört der Bauch ab einem gewissen Alter nicht dazu.

Im Gegenteil – je älter man wird, umso mehr sollte man auf sich achtgeben. Aus gesundheitlichen Gründen, aber auch, um meiner Tochter ein Vorbild zu sein. Denn ich habe selbst seit meiner Kindheit ein Vorbild, das mich zum Kampfsport animiert hat: Bruce Lee.

„Auf ganzer Linie vom Fasten profitiert“

Tja, und was soll ich sagen – jetzt, nach 40 Tagen, bin ich nicht nur schmerzfrei, rundherum beweglich und fühle mich wie ein frisch gewaschenes weißes Laken, das in der Sonne getrocknet ist, sondern bin meinem Idol körperlich näher als je zuvor. Egal, was die Meckerer in den sozialen Medien auch sagen – mein Beitrag über das Fasten hatte nach zwei Tagen auf Facebook bereits 250.000 Aufrufe – ich habe auf ganzer Linie vom Fasten profitiert.

Es war eine sehr besondere Zäsur, die mich auf vielen Ebenen berührt und nachhaltig verändert hat. Machen wir uns nichts vor – dass wir in der westlichen Welt mehr essen und uns weniger Dinge wirklich bewusst machen als nötig, ist ein Problem.

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Die Begegnung mit dem Hunger hat gleichzeitig meinen Lebenshunger neu geweckt. Ich möchte möglichst alt werden und auch mit 85 Jahren noch mit meiner Tochter spazieren gehen können und die Kraft haben, meine Enkelkinder auf den Schultern zu tragen. Das ist es, was ich will. Und deshalb will ich auch in Zukunft regelmäßig fasten.

Hinweis der Redaktion: Eine Extrem-Fastenkur kann der Gesundheit schaden. Mehr dazu hier.

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