Geheimrezept der Stars: Auf dieses Training schwört auch Tennis-Star Zverev
Neuroathletik wird im Spitzensport immer populärer – gerade im Tennis können die Stars hier die letzten Prozent herausholen. Auch der Hamburger Alexander Zverev, der am Montag gegen den Franzosen Arthur Rinderknech beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon startet, hält viel von Neuroathletik.
Beim Spitzen-Tennis trägt Neuroathletik dazu bei, die Beinarbeit, die Schlagpräzision und andere wichtige Bewegungen zu verbessern, indem das Zusammenspiel von Gehirn und Körper optimiert wird.
Die MOPO hat mit Neuroathletik-Papst Lars Lienhard, der schon das DFB-Team zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien gebracht hat und Top-Fußballer wie Jamal Musiala und Serge Gnabry unterstützt, über das Geheimrezept der Stars gesprochen.
MOPO: Herr Lienhard, Alexander Zverev war einer der ersten Tennis-Stars, die auf Neuroathletik gesetzt haben. Wie kam es damals zur Zusammenarbeit und was wurde erreicht?
Lars Lienhard: Mit Sascha habe ich ab 2021, startend mit den BMW Open in München, eine ganze Zeit lang erfolgreich zusammengearbeitet. Vor der Zusammenarbeit mit Sascha hatte ich schon mit seinem Bruder Mischa gearbeitet. Bei Sascha ging es damals um die Optimierung seiner Rückhand, also darum, sie noch besser zu machen. Die Phase unserer Zusammenarbeit war dann auch eine sehr erfolgreiche sportliche Phase von Sascha.

Neben Alexander Zverev vertrauen ihnen auch zahlreiche Fußballer oder auch die Top-Sprinterin Gina Lückenkemper. Warum ist die Neuroathletik in den vergangenen Jahren in vielen Sportarten so wichtig geworden? Und was ist das Besondere am Neuroathletik-Training?
Neuroathletik ist ein noch recht junges Fachgebiet, insbesondere in Sachen Forschung und Wissenschaft. Den Ursprung hat die Neuroathletik in den USA. Dort ist das Thema bereits seit einigen Jahrzehnten auf der Agenda. Richtig ins Rollen gebracht hat es dort Anfang der 2000er Jahre Dr. Eric Cobb, mit dem ich die Zusammenarbeit sehr schnell intensiviert habe. Der US-Chiropraktiker war der Erste, der die Erkenntnisse der funktionellen Neurologie in das klassische Athletiktraining integrierte und so neue Trainingsmethoden entwickelte. Zahlreiche US-Leichtathleten:innen vertrauten fortan seiner Methode. Auch der LeBron James, der NBA-Star hatte während seiner Zeit bei den Miami Heat einen Neuro-Doc an seiner Seite. In den vergangenen Jahren wird Neuroathletik auch hierzulande immer populärer. Für mich und meine Arbeit war das Jahr 2014 ein wichtiger Meilenstein, denn mit dem DFB-Team in Brasilien im Campo Bahia und dem WM-Sieg kam dann auch Neuroathletik stärker auf den Radar. Seit dieser Zeit habe ich allen maßgebenden Sportbereichen nationale und internationale Spitzenathleten:innen betreut. Von den aktuell bei der Klub-WM spielenden Fußballern habe ich zum Beispiel Jamal Musiala, Serge Gnabry, Waldemar Anton in puncto Neuroathletik schon betreut.
Ist die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und damit der Erfolg durch Neuroathletik messbar – oder anders: Ist Neuroathletik ein Gamechanger?
Ja sie ist messbar und ja Neuroathletik ist ein Gamechanger: Denn alles, was wir in der Neuroathletik machen, führt zu einer Veränderung der Qualität der Bewegung und damit auch einer Veränderung des sogenannten Outputs, also der messbaren Resultate, wie Kraft, Bodenkontaktzeiten, Bewegungsweiten, Präzision, Muskelspannung, etc.
In den Medien wird vor dem Start von Wimbledon auch wieder viel in allerlei Richtung über Alexander Zverev geschrieben. Kann Neuroathletik auch dabei helfen, Störfeuer im Umfeld besser von sich fernzuhalten und zu verarbeiten?
Am Ende ist die optimale Fokussierung immer auch das entscheidende Element. Neben Neuroathletik ist hier v.a. auch das mentale Training ein ganz wichtiger Faktor im Spitzensport. Das Organ ‚Gehirn‘ ist natürlich die physiologische Grundlage beider Felder und die Netzwerke mit denen wir in der Neuroathletik arbeiten, haben auch Einfluss auf mentale, psychische und emotionale Regelkreise. Die Auswirkungen auf diese Systeme zeigen sich schnell, sind jedoch eher als positive Nebeneffekte unseres Trainings zu verstehen. Um im mentalen Bereich bestmögliche Veränderungen zu erzielen, bedarf es spezialisierter Expertise auf diesen Gebieten.
Ist Neuroathletik etwas für jede Sportart?
Absolut. Denn überall dort, wo es um Bewegungsabläufe geht, findet Neuroathletik Anwendung. Neben der Verbesserung von Stabilität, Kraft, Bewegungsweite, Bewegungsqualität, Schnelligkeit und Ausdauer sind auch Aspekte der Wahrnehmung und Entscheidungsfindung durch Neuroathletik zu optimieren. Der Ansatz lautet: Wie kann die Steuerung im Gehirn gezielt verändert oder beeinflusst werden – bspw. durch ausreichend hochwertige Informationen aus den Sinnesorganen? Die zentrale Frage ist immer: wo liegt in der „Software“ des Gehirns das Problem und wie kann ein individuelles Update aussehen.
Wie sehen „einfache“ Übungen in der Neuroathletik aus, mit der auch der Otto-Normal-Sportler schnell Veränderungen in seiner Leistungsfähigkeit feststellen könnte?
Volkskrankheiten wie Rücken-, Nacken- oder Kopfschmerzen können ihren Ursprung zum Beispiel in Gleichgewichtsproblemen haben. Auch hier die zentrale Frage: Wie reguliert das Gehirn Körper und Bewegung? Das Ziel ist dann, mit kleinen, einfachen Übungen die Hirnareale, die für die Bewegungssteuerung verantwortlich sind, zu aktivieren, damit das Gehirn die Bewegung dann wieder einfacher steuern kann. Es werden also nicht die Symptome im Körper behandelt, sondern die Ursachen im Gehirn. Hier kann schon Augentraining schnelle Erfolge bringen, denn dadurch wird das Stammhirn reguliert. Dieses ist für die Regulierung der Muskelspannung verantwortlich. Durch die Augenübungen wird es besser durchblutet und die Funktion des Hirnareals wird besser. Das kann ohne großen Aufwand, z.B. mithilfe eines Smartphones, und dem Betrachten einer Schwarz-Weiß-Balken-Abfolge und Konzentration der Augen auf die Bildmitte durchgeführt werden. Auch die bekannten Augenklappen- oder Schieltests helfen erfolgreich.
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