„Ein Schock“: Tränenreiche Verletzung trübt Freude über U21-Finaleinzug
Antonio Di Salvo brüllte seine Freude schon vor dem Schlusspfiff in den slowakischen Nachthimmel hinaus. „Männer wir haben es gepackt, jaaaaaa“, rief der DFB-Trainer, als das EM-Halbfinale der deutschen U21 noch lief. Wenig später war es dann auch perfekt: 3:0 (2:0) gegen Frankreich, jetzt geht es am Samstag gegen Titelverteidiger England um den Titel. Doch eine Verletzung trübt die Stimmung.
„Einfach geil, Finale! Das war unser Ziel, jetzt haben wir es erreicht. Wir haben Frankreich weggeschickt, jetzt wollen wir auch die Engländer wegschicken“, sagte Torschütze Nelson Weiper bei Sat.1.
Woltemade ist weiterhin der beste Torschütze des Turniers
Der Mainzer Weiper (8.), Stuttgarts Neu-Nationalspieler Nick Woltemade (14.) und Brajan Gruda von Brighton and Hove Albion (90.+3) trafen vor 11.913 Zuschauern in Kosice zum fünften Sieg im fünften EM-Spiel. Für Woltemade war es bereits das sechste Tor in der Slowakei, nur ein Treffer fehlt ihm noch zum EM-Rekord.
Knacken kann er die Bestmarke im Showdown gegen England, beim 2:1-Sieg in der Vorrunde hatte Woltemade noch pausiert. Insgesamt ist die DFB-Auswahl nun seit 20 Partien und fast zwei Jahren ungeschlagen – eine solche Serie hatte es auch bei den EM-Titeln 2009, 2017 und 2021 nicht gegeben.
Deutschland macht in den Anfangsminuten den Unterschied
Drei Tage nach dem Verlängerungs-Krimi gegen Italien erwischte das DFB-Team einen Traumstart: Der in die Startelf gerückte Weiper drückte den Ball nach einem Lattenschuss von Paul Nebel über die Linie. Sein „Bauchgefühl“ habe ihm zu Weiper geraten, hatte Di Salvo vor dem Anstoß gesagt – die Belohnung folgte prompt. Kurz darauf beförderte der flinke Woltemade beförderte den Ball aus kurzer Distanz im zweiten Versuch ins Netz.

Dann aber weckte das deutsche Team böse Erinnerungen. Im November hatte Di Salvos Mannschaft in Frankreich nach einer 2:0-Führung noch 2:2 gespielt, auch diesmal kippte das Spiel. Doch Noah Atubolu, der mit seinem 21. Einsatz Manuel Neuer als Rekordtorhüter der U21 ablöste, hielt den Vorsprung mehrmals fest.
Atubolu: „Wir haben noch ein großes Ziel“
Auf eine große Party hatte Rekordmann Noah Atubolu nach dem Einzug ins EM-Finale aber keine Lust. Noch nicht. „Wir sind noch nicht fertig. Wir haben noch ein großes Ziel, es geht noch weiter“, sagte der DFB-Torhüter nach dem Sieg gegen Frankreich, bei dem er selbst zum gefeierten Hauptdarsteller wurde.
JAAAA, FINALEEEEE ?? Wir spielen am Samstagabend in Bratislava um den EM-Titel! ?❤️?#U21 #U21EURO #GERFRA #UNSEREZUKUNFT | ? Thomas Böcker/DFB pic.twitter.com/ygndrPfIZl
— DFB-Nachwuchs (@DFBNachwuchs) June 25, 2025
Denn zum einen löste der Schlussmann des SC Freiburg mit seinem 21. Einsatz keinen Geringeren als Manuel Neuer als Rekordtorhüter der deutschen U21 ab. Und zum anderen zeigte der 23-Jährige in Kosice eine Glanzparade nach der anderen. „Das war mein wichtigstes und bestes U21-Spiel“, sagte Atubolu. In Erinnerung bleibt vor allem seine sensationelle Reaktion bei einem Flugkopfball von Thierno Barry (68.).
Di Salvo lobt seinen Torhüter Atubolu
Atubolu hatte im März 2022 erstmals das Trikot der U21 getragen, schon bei der EM 2023 stand er im Tor. „Noah spielt eine überragende Europameisterschaft“, sagte DFB-Trainer Antonio Di Salvo: „Wir haben ihn schon vor drei Jahren dazugeholt, weil wir wussten, dass er ein Top-Torhüter ist, ein Talent. Ich habe davon keine Ahnung, aber die Torhüter-Trainer haben gesagt, nimm ihn dazu. Und deswegen hat er es verdient, so viele Spiele zu spielen.“
Einmal noch wird Atubolu das Tor der U21 hüten, das Finale am Samstag gegen England und das Ziel ist klar. „Jetzt wollen wir auch den Titel“, sagte Atubolu.
Rosenfelder-Verletzung trübt die Feierstimmung
Getrübt wurde der Halbfinal-Sieg von der schlimmen Verletzung von Abwehrchef Rosenfelder. In den Armen seines Trainers fing Max Rosenfelder bitterlich an zu weinen – und auch Di Salvo wurde emotional. „Erstmal habe ich nichts gesagt, weil man in solchen Situationen gar nicht weiß, was man sagen soll“, sagte der 46-Jährige nach dem Sieg, den sein Abwehrchef gar nicht so richtig feiern konnte.
„Der Verlust von Max tut uns allen sehr, sehr weh. Das war und ist ein Schock“, sagte Di Salvo über die Oberschenkelverletzung des Freiburgers: „Am Ende habe ich ihm trotzdem gratuliert. Zu einer hervorragenden EM, die er gespielt hat. Er hat einen großen Anteil – und ich habe ihm gesagt, dass wir versuchen, für ihn den Titel zu holen.“
Rosenfelder wird das EM-Finale wegen seiner Verletzung verpassen
Rosenfelder musste schon nach elf Minuten vom Platz, nach dem Abpfiff stand er auf Krücken, dick bandagiert und mit gesenktem Kopf am Seitenrand, als sich seine Teamkollegen tanzend in den Armen lagen. Das große Finale am Samstag werde er „definitiv verpassen“, sagte Di Salvo: „Alles andere wäre ein Wunder.“
Auch von seinen Teamkollegen erhielt Rosenfelder deshalb reichlich Aufmunterung. „Ich habe ihm gesagt, dass wir für ihn das Spiel gewonnen haben, dass ich auch persönlich für ihn gespielt habe“, sagte Tim Oermann, der für Rosenfelder eingewechselt worden war: „Er ist ein wahnsinnig guter Spieler und Kerl. Ich mache mir keine Sorgen, dass er wieder an das anknüpfen kann, weil dafür ist er viel zu gut.“
Markus Babbel kritisiert Abwesenheit von Nagelsmann
Nicht vor Ort war erneut Julian Nagelsmann. Ex-Nationalspieler Markus Babbel kritisierte das Fehlen am Sat.1-Mikrofon und sprach von einem „Pflichttermin für den Bundestrainer.“ Der wie DFB-Sportdirektor Rudi Völler angereiste DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig wies das zurück: „Julian drückt heute genauso die Daumen wie wir. Zum Finale wird er kommen.“
Im Finale kommt es somit zum Wiedersehen mit England. An die Young Lions hat das DFB-Team nicht nur wegen des Erfolgs im Gruppenspiel gute Erinnerungen. Gleich zwei EM-Duelle führten schon zum Titelgewinn: Im Finale 2009 gab es ein 4:0, im Halbfinale 2017 ein 4:3 im Elfmeterschießen für den späteren Europameister.
Di Salvo warnt vor Finalgegner England
Schon in der Vorrunde war Deutschland auf England getroffen, trotz Komplett-Rotation gewann das DFB-Team 2:1. Für Di Salvo hat diese Begegnung aber keine Aussagekraft mehr. „Für das Spiel in der Vorrunde können wir uns nichts kaufen. Aber wir können mit sehr viel Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein in das Finale gehen, und das tun wir“, sagte der DFB-Trainer.
Di Salvo kann schon zum vierten Mal Europameister werden, aber zum ersten Mal als Chef. 2014 hatte er als Co-Trainer von Marcus Sorg mit der U19 den Titel geholt, 2017 und 2021 als Assistent von Stefan Kuntz mit der U21. „Es ist anders als Cheftrainer. Da hält man den Kopf hin, muss Entscheidungen treffen. Und deswegen fühlt sich das gut an“, sagte der 46-Jährige.
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Vor der EM hatte der DFB den Vertrag mit Di Salvo bis zum 31. Juli 2027 verlängert. Eine gute Entscheidung, wie Andreas Rettig am Mittwoch noch einmal bekräftigte. „Wir waren von Toni überzeugt und sind es noch immer“, so der DFB-Geschäftsführer. (sid/vb)
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