„Schulhafen“: Eine Volkshochschule der ganz besonderen Art
Viele ihrer Gäste haben alles verloren. Ihre Arbeit, ihre Familie, ihr Zuhause. Ihr Alltag ist geprägt vom Überlebenskampf auf der Straße. Um den zumeist obdachlosen Menschen einen Ankerplatz zu bieten, an dem sie festmachen können, wurde der „Schulhafen“ des Vereins „Hoffnungsorte Hamburg“ gegründet. Die Bildungsstätte ist eine Volkshochschule der anderen Art. In der sich Menschen nicht nur kostenlos weiterbilden können, sondern auch wieder Hoffnung für einen Neuanfang finden.
„Bildung ist eine Brücke zu Selbstvertrauen und Mut“, sagt Katy Thompson (51). Seit fünf Jahren ist sie Leiterin des „Schulhafens“. Menschen am Rande der Gesellschaft helfen, ihnen zuhören und sich für sie starkmachen – das hat sie schon in frühester Kindheit vorgelebt bekommen. Für Katy war es selbstverständlich, dass neben ihren acht Geschwistern häufig auch andere Menschen am Tisch saßen. „Meine Mutter hat andauernd fremde Leute mitgebracht, die Hilfe brauchten. Das war ganz normal“, sagt die Amerikanerin, die in Stuttgart geboren wurde.
Nach der Schule machte Katy ein Studium zur Krankenschwester – anfangs an einer amerikanischen Uni in Augsburg, später in Florida. Sie heiratete, bekam einen Sohn, arbeitete als Krankenschwester und blieb 16 Jahre lang in Amerika. Eigentlich stand Deutschland gar nicht mehr zur Debatte. Bis sie und ihr Mann ein Jobangebot ihrer Gemeinde bekamen. In Hamburg wurden Mitarbeiter für die christliche Sozialarbeit gesucht. Katy und ihr Mann wollten helfen. Und gaben ihr Leben in Amerika auf. Eigentlich waren nur zwei bis drei Jahre in Deutschland geplant. Mittlerweile sind es 15.
„Bei uns sind alle gleich. Sie werden hier gesehen. Als Gäste. Als Menschen“
Beim „Schulhafen“ landete Katy durch Zufall. Während ihrer Kirchenarbeit hatte sie Deutschkurse für Bulgaren in Wilhelmsburg gegeben. Irgendwann fragte die Bildungsstätte, ob sie ihren Unterricht auch für sie machen würde. Katy stimmte zu. Auch als ihr vor fünf Jahren die Leitung angeboten wurde. Allerdings konnte sie sich das nicht alleine vorstellen und so führt sie den „Schulhafen“ heute gemeinsam mit ihrer Kollegin Gudula Ambrosi.
Eine Arbeit, die sie zutiefst berührt. „Bei uns können die Besucher ihre Probleme für ein paar Stunden vergessen und mal etwas ganz Anderes machen. Sie können kreativ sein, Fähigkeiten entwickeln oder wiederentdecken und einfach nur Spaß haben.“ Viele Besucher sind obdachlos. Aber es kommen auch Geflüchtete, Menschen, die in Armut leben oder einfach nur einsam sind. „Jeder ist bei uns willkommen. Wir prüfen nichts.“ Deshalb wisse man manchmal nicht, wer auf der Straße lebe und wer nicht. „Und das ist gut so. Bei uns sind alle gleich. Sie werden hier gesehen. Als Gäste. Als Menschen.“
Katy ist stolz darauf, dass im vergangenen Jahr 500 Besucher aus 47 Ländern an den Kursen des „Schulhafens“ teilgenommen haben. Anfangs wurde nur Deutschunterricht in unterschiedlichen Einrichtungen der Stadt angeboten. Heute gibt es einen eigenen Standort mit zwei Räumen am Münzplatz. Geboten werden neben dem Sprachunterricht auch etliche künstlerische und handwerkliche Angebote, Computer-, Musik-, Garten-, Näh-, Koch- und Hauswirtschaftskurse.
„Häufig reicht es einfach, wenn man zuhört und Möglichkeiten aufzeigt“
Dabei bleiben die Probleme häufig vor der Tür. Jedoch nicht immer. Manche Besucher offenbaren ihre Schicksale. Ihre Verluste. Ihre Not. Katy und die anderen Mitarbeiter hören zu, beraten und vermitteln an andere Stellen weiter. Auch, wenn sie viele der Probleme nicht lösen kann, ist Katy froh, für die Besucher da sein zu können. „Häufig reicht es einfach, wenn man zuhört und Möglichkeiten aufzeigt.“
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Meistens jedoch geht es nicht um Probleme. Die Menschen haben Freude, etwas zu lernen und kreativ zu sein. Katy erinnert sich an eine alte obdachlose Frau, die sich „aus einer gespendeten Wolldecke einen Mantel genäht hatte und so stolz war“. Oder an den Mann, der in einem Kurs ein Bild gemalt hatte, das jemand kaufen wollte. „Er konnte es gar nicht fassen, dass der Mann seine Kunst haben wollte.“ Für 50 Euro verkaufte der Obdachlose sein Werk an den Interessenten. „Jetzt bin ich ein richtiger Künstler“, habe er immer wieder strahlend gesagt. Ein ganz besonderer Moment, der Katy mal wieder gezeigt hat, dass der „Schulhafen“ viel mehr bietet, als nur Weiterbildung.

„Schulhafen“ bekommt neue Möbel und Laptops
Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen zudem finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung.
Die Haspa Berliner Tor unterstützt den „Schulhafen“ als Patenfiliale. „Der ,Schulhafen‘ bietet mit seinen vielfältigen Angeboten Teilhabe für Menschen am Rande der Gesellschaft – niedrigschwellig und kostenlos. Das macht ihn zu einem ganz besonderen Ort“, sagt Steffen Börms, Vice-Filialleiter der Haspa Berliner Tor.
Der „Schulhafen“ bekommt auch finanzielle Unterstützung. Es müssen dringend neue Tische und Stühle und zwei Laptops für den Computerkurs angeschafft werden. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung aus den Mitteln des Haspa-Lotteriesparens.
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