Das Geheimnis um die „HMS Endeavour“
Als die „HMS Endeavour“ den Hafen von Plymouth verlässt, es ist der 26. August 1768, startet eine Expedition, die in die Geschichtsbücher eingehen soll. 20 Monate später, nach Stürmen und Flauten, betreten die Crewmitglieder als erste Europäer die Ostküste Australiens. Kapitän James Cook, der auf der Reise den Pazifik kartierte, Australien für die Britische Krone in Beschlag nahm und um die Welt segelte, wurde von König Georg III. zum Commander erhoben.
Nach der nicht mal 30 Meter langen „HMS Endeavour“ benannte man seither Meeresengen, eine Raumfähre der NASA, Strudelwürmer und Schiffsklassen. Das Schiff ziert Kleingeld, schmückt als Nachbau den Hafen von Sydney und ist als Mythos dermaßen aufgeladen, dass ein Sammler für ein 22 Zentimeter langes Stück Holz knapp 225.000 Euro zahlte.
Wrack der „HMS Endeavour“ nach Jahrzehnten gefunden
Doch wo liegt das Wrack? Nach mehr als einem Vierteljahrhundert Detektivarbeit, nach unzähligen Tauchgängen, intensiver Suche in Archiven und Streitigkeiten sind Wissenschaftler des Australian National Maritime Museum sicher: Es liegt im Schlick des Hafens von Newport, Rhode Island, USA.
Das Schiff – ursprünglich als Kohletransporter namens „Earl of Pembroke“ auf der Nordsee unterwegs – war nach der Cook-Expedition an einen privaten Eigentümer verkauft worden, der es in „Lord Sandwich“ umbenannte. 1778 versenkten die Briten vor Newport fünf Schiffe, um während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges eine Blockade gegen die Franzosen zu errichten. Eines davon, Wrack „RI 2394“, soll die Legende sein, sagen die Schiff-Detektive.
Fund sorgt für interkontinentalen Streit unter Forschern
Holzproben ergaben, dass beim Bau britische Hölzer verwendet wurden. Tausende Unterwasseraufnahmen setzten die Forscher in mühsamer Kleinarbeit zu einem 3D-Modell zusammen. Ergebnis: „Die Maße sämtlicher Holzdimensionen sind nahezu identisch mit den Plänen der ,Endeavour‘, und ich spreche hier von Millimetern – nicht von Zentimetern, sondern von Millimetern“, sagt Kieran Hosty, Archäologe und Mitautor des Abschlussberichts.

Und nun: Freuen sich alle Beteiligten? Ausgerechnet Forscher des „Rhode Island Marine Archaeology Project“ (RIMAP), das eng mit den Australiern zusammenarbeitete, übten bei der Vorstellung eines Zwischenberichts vor drei Jahren harte Kritik. „Voreilig“ seien die Erkenntnisse und „getrieben von australischen Emotionen“. Zum neuen Report haben sich die Amerikaner bislang nicht geäußert.
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Für viele Australier ist das Verhältnis zu Cook und der „Endeavour“ ohnehin ambivalent. Ein Denkmal des Entdeckers wurde aus einem Park in Melbourne entfernt, weil es häufig beschädigt worden war. Für indigene Australier steht der Name nicht für Pioniergeist – sondern für den Beginn von 200 Jahren Landraub und Entrechtung.
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