Angriff auf den Iran – richtig oder falsch? Zwei MOPO-Kollegen debattieren
Die Welt blickt in Sorge auf den eskalierenden Nahost-Konflikt. Zwei MOPO-Kollegen debattieren hier über Chancen und Risiken: Ist der Angriff Israels gerechtfertigt? Oder macht er alles nur noch schlimmer?
Mathis Neuburger sagt: Der Angriff ist richtig!
Vielleicht muss man bei all den Debatten über Raketenangriffe, gezielte Tötungen, zivile Opfer und bunkerbrechende Bomben erst eine Frage beantworten: Dürfen die Mullahs in Teheran eine funktionsfähige Atombombe in die Finger bekommen? Können wir, ja, auch wir hier in Deutschland, das zulassen?
Ein Regime, das Israel auslöschen will und seinen Fanatismus in die Welt exportiert. Das über seine Stellvertreter in Gaza, im Libanon, im Jemen seit Jahren Israel mit Raketen beschießt. Das mit der Diktatur in Nordkorea immer bessere Raketen entwickelt, um Sprengkörper mit Hyperschallgeschwindigkeit auf Tel Aviv und Haifa regnen lassen zu können.

Schreckens-Regime darf keine Atombombe in die Finger bekommen
Nein, solch ein Regime darf auf keinen Fall die ultimative Bombe in die Hände bekommen. Als Israeli müsste ich auch nicht mal eine Sekunde über diese Frage nachdenken.
Wenn man zu diesem Schluss kommt, dann ist jetzt der Zeitpunkt, um Fakten zu schaffen: Die Hamas ist fast ausgelöscht, die Hisbollah paralysiert, Irans Partner Russland geschwächt. Schön wär’s, wenn das gesamte mörderische, folternde, unterdrückende Regime fiele, aber das entscheiden die Menschen im Iran. Israel darf nur strategische und militärische Ziele angreifen, was es bislang – anders als der Iran – weitgehend macht.

Die WochenMOPO – ab Freitag neu und überall, wo es Zeitungen gibt!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
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Und ja, Friedrich Merz hat recht, wenn er sagt, die Israelis erledigen auch für uns die „Drecksarbeit“. Denn Irans Raketen könnten auch europäische Metropolen erreichen. Und Russland hat gerade gezeigt, wie leicht wir nuklear einzuschüchtern sind.
Schritt zur Bombe könnte eher Wochen als Jahre benötigen
Wer behauptet, die Mullahs wären niemals so suizidal, ihr eigenes Todesurteil mit einem verheerenden Angriff auf Israel zu unterschreiben, sollte an die Hamas-Chefs denken. Oder an die Hisbollah-Führung, denen der Hass auf Israel auch wichtiger war als das Leben der eigenen Leute.
Die Israelis warnen seit Jahrzehnten vor der iranischen Bombe. Experten weisen darauf hin, dass der Iran seine Vorräte an beinahe atomwaffenfähigem Uran zuletzt stark gesteigert hat und der Schritt zur Bombe eher Wochen als Jahre benötigt.
All die Verträge der Vergangenheit haben die Mullahs nicht aufhalten können. Je länger wir warten, desto größer wird das Risiko.
Das Völkerrecht ist in diesem Fall dysfunktional
Und das Völkerrecht? Nun, ein Völkerrecht, das Israel nicht erlaubt, auf eine derart existenzielle Bedrohung zu reagieren, ist dysfunktional. Israel kann nicht warten, bis der Iran genug Uran angereichert, zu Bomben verarbeitet und abschussbereit in die Wüste gestellt hat. Dann ist es zu spät. Völkerrechtswidrig und trotzdem richtig waren auch die Bombardierung von Saddam Husseins Atomprogramm 1981 und das Assads 2007.
Wären die Mullahs klug, würden sie ihr Atomwaffenprogramm jetzt aufgeben und so versuchen, ihre Diktatur zu retten. Tun sie das nicht, ist ihr Ziel offensichtlich. Dieses dürfen sie nie erreichen.

Geli Tangermann sagt: Der Angriff ist falsch!
Klar: Das menschenverachtende Mullah-Regime in Teheran sollte lieber heute als morgen verschwinden. Ein Regime, das foltert, verfolgt, tötet und in der Lage ist, zumindest mittelfristig eine Atombombe zu bauen? Eine existenzielle Bedrohung für Israel, aber auch für den Rest der Welt. Der Plan Netanjahus, die Mullahs und ihr Atomprogramm militärisch auszuschalten, klingt da nur plausibel. Immer wieder hat Teheran gedroht, den Staat Israel auszulöschen. Allein: So einfach ist es nicht.
Es ist völlig fraglich, ob sich das Atomprogramm des Irans mal eben per Militäraktion von außen zerschlagen lässt. Experten, darunter der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Barak, betonen: Das sei unmöglich.
Experten sind sicher: Die Operation kann nur misslingen
Die Bunker in Fordo, wo das Herzstück des Atomprogramms vermutet wird, sollen tief in der Erde liegen – so tief vielleicht, dass nicht einmal die amerikanischen Bunkerbrecherbomben zwingend genug Zerstörungskraft entfalten würden. Außerdem, so heißt es, werde das hoch angereicherte Uran bereits in andere Verstecke transportiert.

Und wenn die Operation misslingt? Es ist davon auszugehen, dass die Anführer des Schurkenstaats Iran dann erst recht den Bau ihrer Atombomben vorantreiben werden, um die Welt in Angst und Schrecken zu versetzen. Der Weg zu diplomatischen Verhandlungen, um sie davon abzuhalten, ist dann wohl endgültig versperrt.
Flächenbrand in der Region wäre die katastrophale Folge
Ein Flächenbrand im Nahen Osten ist dafür wahrscheinlich, sollten die USA tatsächlich eingreifen, was bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht klar war. Iran hat bereits gedroht, US-Stützpunkte in der Region anzugreifen.
Auch die Beseitigung der Mullah-Anführer ist in ihrer Wirksamkeit umstritten. Viele Nahost-Experten zweifeln an einer schönen neuen Welt nach dem Schreckenssystem. Selbst wenn die Anführer um Chamenei ausgeschaltet würden, ist völlig unklar, wer nachfolgt. Die Gefahr, dass sich die nächsten Extremisten in Stellung bringen, gilt als hoch. Die Installation einer Übergangsregierung von außen als unmöglich. Israel müsste Bodentruppen schicken – doch davon ist keine Rede. Eine Strategie ist nicht erkennbar – da zeigen sich Parallelen zum Gaza-Krieg.
Katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung
Am Ende ist ein Zermürbungskrieg wahrscheinlich, der sich über Monate zieht und für die Zivilbevölkerungen im Iran und in Israel katastrophale Folgen hätte. Im Iran gibt es kaum ein Entkommen, keine Schutzbunker, keine Warnsysteme. Welches Leid Netanjahus Bomber anrichten können, zeigt sich im Gaza-Streifen.
„Keiner schläft, überall Panik, Bombenlärm“, beschreibt Minu Barati, deutsch-iranische Filmproduzentin, die Lage ihrer Familie gegenüber der „Zeit“. Viele Menschen seien bereits auf der Flucht.
Der Weg kann deshalb nur ein diplomatischer sein. Dieser Krieg wird nur Verlierer kennen.
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