Angst vor Krieg und Katastrophen: Private Bunker boomen
Ein Bunker als Schutz vor Krieg und Krisen? Bund und Land halten andere Maßnahmen für besser. Firmen berichten dennoch von wachsender Nachfrage beim Neubau. Stillgelegte Bunker bieten Gruselfaktor.
Der russische Angriff auf die Ukraine, ein landesweiter Blackout in Spanien und Portugal – das Sicherheitsgefühl der Menschen schwindet. Bunker waren jahrzehntelang kein Thema, nun aber wächst das Interesse rasant, vor allem bei Privatleuten, wie Firmen berichten, die Schutzräume bauen oder wieder instand setzen. Öffentliche Bunker zum Bevölkerungsschutz gibt es kaum noch.
Laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gibt es in Deutschland derzeit noch 579 öffentliche Schutzräume mit 478.000 Schutzplätzen. 2006 hatte Deutschland entschieden, die bestehenden öffentlichen Schutzräume sukzessive aus der Nutzung zu nehmen und anderweitig zu verwenden. Eine flächendeckende Bereitstellung von öffentlichen Bunkern für den Verteidigungsfall ist heute nicht mehr Teil des Zivilschutzkonzepts.
Bunker: Nachfrageboom bei Privatpersonen
Unternehmen, die Schutzräume neu bauen oder bestehende Bunker reaktivieren, berichten dagegen von steigender Nachfrage. Ein Mitarbeiter der Firma Bunker Schutzraum Systeme Deutschland (BSSD) spricht von einem „exponentiellen“ Anstieg bereits seit 2014, der sich 2022 noch mal verstärkt habe, „allerdings auf niedrigem Niveau“.
Die Kunden seien ausschließlich Privatpersonen. „Staatlicherseits wird nichts gemacht“, sagt der technische Leiter und Unternehmenssprecher Mario Piejde. In Hannover sei gerade eine der größten Bunkeranlagen Deutschlands zu einem Fahrradhaus umgebaut worden.
„Komplette Breite der Gesellschaft“
Schnell wird klar, was er davon hält. Die Menschen würden aber langsam „aufwachen“ und sich privat schützen, nicht nur vor einem möglichen Krieg, sondern auch vor einem Blackout oder Unruhen. 80 Prozent der Aufträge seien Reaktivierungen von alten Bunkern in privatem Besitz, 20 Prozent Keller in Neubauten.
Bei der Firma Deutsches Schutzraum-Zentrum (DSZ) ist das Verhältnis andersherum: 80 Prozent der Aufträge seien Neubauten, bei denen ein Teil vom Keller als Schutzraum gebaut werde, wie Inhaber Peter Aurnhammer sagt. Auch hier gibt es eine steigende Nachfrage in der „kompletten Breite der Gesellschaft“, wie Aurnhammer sagt: „Handwerker, Ärzte, Politiker, Unternehmer, Familien, welche gerade ein Haus mit Keller bauen.“
Die Hochbunker in Frankfurt werden heute überwiegend zivil genutzt – wenn auch nicht so spektakulär wie der St.-Pauli-Bunker an der Feldstraße, der mit seinem Waldpfad zum Touristenmagnet wurde. Einige werden als Probenräume für Musiker oder Ateliers für Künstler genutzt. Andere wurden zu Vereinsheimen, Jugendzentren oder beherbergen Karnevalsclubs.
Firmen, die bereits im Zweiten Weltkrieg existieren, haben noch Bunkeranlagen aus dieser Zeit – ein Beispiel findet sich auf dem Gelände eines Industriebetriebes im Frankfurter Ostend. Die Betreiber wollen die genaue Örtlichkeit aus Angst vor ungebetenen Besuchern nicht veröffentlicht wissen. Genutzt werden die Räume heute als Lagerflächen oder stehen leer.
Quietschend öffnet sich die Tür zum geheimen Keller
Von außen deutet nur die abgetretene Aufschrift „Luftschutzraum“ auf einem Kellergitter auf die Existenz der Anlage hin. Der Weg führt durch eine Sicherheitstür, die sich nur mit einer codierten Schlüsselkarte öffnen lässt. Vorbei an ratternden Maschinen und den Schleifgeräuschen eines Förderbandes führen abgenutzte Betonstufen in ein Labyrinth aus Gängen und fensterlosen Räumen, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
Quietschend öffnet sich zwölf Meter unter der Erde eine gewölbte Eisentür. Im Schein einer Taschenlampe zeichnet sich in Frakturschrift der Schriftzug „Schutzraum für 45 Personen“ auf dem verwitterten Lack der Tür ab. Der Raum ist komplett leer – doch während der schweren Luftangriffe auf Frankfurt 1943 und 1944 haben sich hier dutzende Menschen auf engstem Raum zusammengedrängt.

Wenige Meter weiter steht die Tür zur einstigen „Befehlsstelle“ einen Spaltbreit offen. Im Gebäude nebenan klebt auch 80 Jahre nach Kriegsende noch ein Schild mit der Aufschrift „Gasschleuse“ an einer Tür, hinter der sich abgestandene Luft gestaut hat.
Persönliche Gegenstände oder Teile der damaligen Innenausstattung sind bis auf ein paar Kleiderhaken nicht mehr vorhanden. Die Existenz separater Toiletten und Duschen für Frauen und Männer lässt erahnen, dass Aufenthalte mehrere Tage dauern konnten.
Bundesamt: Schutzräume „kein zeitgemäßer Ansatz“
Das BBK betont, dass die Zeiten sich geändert haben: „Lange Zeit galt die Errichtung und Unterhaltung öffentlicher Schutzräume in der öffentlichen Wahrnehmung als zentrale Maßnahme des Zivilschutzes“, sagt eine Sprecherin. Allerdings hätten selbst im Kalten Krieg maximal zwei Prozent der Bevölkerung in öffentlichen Schutzräumen Zuflucht finden können.
Die Bedrohungsszenarien damals und heute seien nicht miteinander vergleichbar. „Vor diesem Hintergrund müssen auch neue Wege zum Schutz der Bevölkerung verfolgt werden. Ein flächendeckender Aufbau von Schutzräumen ist daher kein zeitgemäßer Ansatz, um einen effektiven Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.“
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Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine habe „die Bedrohungslage für alle europäischen Staaten nachhaltig verändert“, sagt Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU). Das bedeute auch neue Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz. Jeder könne einen Beitrag zur Krisenfähigkeit des Gemeinwesens leisten und „zum Beispiel einen zweckmäßigen Vorrat an Lebensmitteln und Getränken, eine Taschenlampe, Batterien und ein batteriebetriebenes Radio vorhalten“. (dpa/mp)
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