Familie Azizi aus Afghanistan sucht eine Wohnung.

Familie Azizi sucht eine Wohnung, sie lebt in einer Unterkunft zu fünft auf 64 Quadratmetern. Foto: Florian Quandt

Afghanische Familie: „Wir würden uns so gern integrieren, aber… “

kommentar icon
arrow down

„Wir würden uns hier so gern komplett integrieren“, sagt Rana Azizi (36). „Aber manchmal denke ich fast, wir sind gar nicht in Deutschland.“ Seit fast vier Jahren leben sie und ihr Mann Zabiullah (47) mit den drei Söhnen in Hamburg. Dass die afghanische Familie schon gut Deutsch spricht, ist ein Wunder. Denn noch immer wohnen sie in einer Unterkunft, in der um sie herum vor allem Arabisch, Türkisch oder Persisch gesprochen wird.

„Manche Menschen denken, wir Flüchtlinge bekämen alle unser Geld vom Jobcenter, aber ich habe eine Arbeit und kann meine Familie selbst ernähren“, sagt Zabiullah Azizi. Trotzdem wohnen die fünf noch immer in einer großen Flüchtlingsunterkunft in Jenfeld. Wie so viele Familien mit mehreren Kindern finden sie einfach keine Wohnung. „Da ist die Integration wirklich erschwert. Hier wohnen nur Ausländer, wir haben keinen Kontakt zu Deutschen und dadurch auch wenig Gelegenheit, Deutsch zu sprechen.“


Wer eine passende Wohnung für die Familie kennt, der kann sich hier melden: Wohnbrücke Hamburg: Tel. 040 334659033, wohnbrücke@lawaetz-ggmbh.de, www.wohnbruecke-lawaetz.de


Trotzdem haben sie alle es geschafft, innerhalb der knapp vier Jahre, die sie nun in Hamburg sind, sehr gut Deutsch zu lernen. Der 17-jährige Feizullah hat gerade seinen mittleren Schulabschluss gemacht und büffelt bereits fürs angestrebte Abitur. „Dafür gehe ich oft in die Bücherhallen, leider schließen die abends sehr früh und in die Hochschulbibliotheken darf man erst ab 18 Jahren.“ Zu Hause fehlt oft der Platz und die Ruhe zum Lernen und Feizullah ist ehrgeizig, will Arzt werden oder etwas im Bereich Luftfahrt.

Familie aus Afghanistan findet in Hamburg keine Wohnung

Zwei Zimmer, Küche, Bad – auf 64 Quadratmetern organisieren Eltern und Kinder ihr tägliches Leben. Die drei Söhne Feizullah, Subhanullah (13) und Nahyan (10) schlafen in einem Zimmer, die Eltern im anderen. Wenn die Schlafsofas zusammengeklappt sind, können die Jungs am Tisch lernen, spielen und die Familie kann dort gemeinsam essen. Die Küche ist dafür zu klein. Wenn die großen Jungs für die Schule lernen, der Kleinste spielen will und der Vater im Homeoffice konzentriert arbeiten muss, dann bedeutet das für alle Stress. Freunde haben die Kinder noch nie zu sich einladen können.

Wohnungslotse: „Große Wohnungen gibt es fast nicht“

Aber neben der Enge gibt es weitere Sorgen. Geflüchtete haben in den Unterkünften keine Mietverträge, sie können daher jederzeit umquartiert werden, wenn ihre Wohnung gebraucht wird – auch zurück in Gemeinschaftsunterkünfte. Was völlig kontraproduktiv wäre. Die Wohnkosten sind für Azizis auch kein Grund zu bleiben, denn in der Unterkunft in Jenfeld sind sie nicht so niedrig, wie man denken könnte. Sie enthalten auch Gebühren für Betreuung etc., die die Familie nicht mehr braucht. Der städtische Betreiber „Fördern und Wohnen“ ist zudem froh über jeden, der auszieht und eine Wohnung für neue Familien freimacht.


MOPO

Die WochenMOPO – ab Freitag neu und überall, wo es Zeitungen gibt!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:

  • Der riskante Olympia-Plan: Was geplant ist, was dafür spricht, was dagegen
  • Integration: Sie würden ja gerne, sagt diese afghanische Familie – bekommt aber keine Wohnung
  • St. Nikolai: Hamburgs Weltwunder! Sensationelle Bilder vom einst höchsten Gebäude der Welt
  • Organspende: Wie ihr Vater das Leben von Paulina (21) rettete
  • Große Rätselbeilage: Knobelspaß für jeden Tag
  • 20 Seiten Sport: Uwe-Enkel wird zum Millionen-Problem, so tickt „Rambo“, der erste Neue beim HSV & wie St. Pauli seinen Kader umbaut
  • 20 Seiten Plan7: Das Beatles-Musical startet, Melissa Etheridge über die Angst, die Trump schürt & Kultur-Tipps für jeden Tag

An unvollständigen oder schlechten Bewerbungen liegt es nicht, dass die Familie keine Wohnung findet. Sie bekommt Unterstützung vom Wohnungslotsen Stephan Peiffer von der „Wohnbrücke“, einem Projekt der Lawaetz-wohnen&leben gGmbH. Peiffer zeigt den Familien auch, wie man im Internet nach Wohnungen guckt und sich bewirbt. „Die Familie Azizi ist gebildet, sie können das, und trotzdem ist es so schwer“, sagt er. „Ab drei Zimmern findet man in Hamburg eigentlich gar nichts mehr“, ist seine Erfahrung.

Und trotz der guten Kontakte der „Wohnbrücke“ in die Wohnungswirtschaft sind die Angebote seit dem Ukraine-Krieg und den damit verbundenen vielen neuen Geflüchteten immer weniger geworden. Mittlerweile gibt es einen Aufnahmestopp bei der Initiative. Peiffer: „Auch das gesellschaftliche Klima ändert sich, die Bereitschaft, Geflüchteten zu helfen, sinkt.“

Feizullah und seine Eltern haben die Wohnungssuche bestens organisiert, jeder guckt regelmäßig auf bestimmten Portalen. So haben sie sich schon auf mehr als hundert Annoncen beworben, aber fast nur Absagen bekommen. Zu Besichtigungen wurden sie nur fünfmal eingeladen. Und dann waren es Sammelbesichtigungen mit sehr vielen Bewerbern. „Über eine Vier-Zimmer-Wohnung wären wir schon glücklich“, sagen die Eltern. Am besten im Osten Hamburgs, wegen der Schulen der Jungen. „Aber wir würden auch woanders hinziehen.“

Das könnte Sie auch interessieren: Hamburger Erfolgsgeschichte: Vom Flüchtlingskind zum Polizisten

Rana Azizi ist nicht weinerlich, sie hadert nicht mit ihrem Schicksal. Obwohl die Familie in Afghanistan ein großes Haus mit Garten zurückgelassen hat, als sie vor den Taliban geflüchtet ist. „Wir haben viel weniger Platz hier, aber wir sind sicher. Das ist wichtiger.“ Aktuell bleibt sie noch für die Kinder zu Hause, hilft aber auch schon, Spenden für „Afghanistan Schulen“ zu organisieren, ein Verein in Oststeinbek, bei dem ihr Mann beschäftigt ist. Zabiullah arbeitet mittlerweile auch noch als Projektleiter für die Organisation „Visions for Children“, die sich ebenfalls für Bildungschancen in Afghanistan und anderen Ländern einsetzt.

Rana hat noch in Afghanistan Abitur und einen Führerschein gemacht – das war vor den Taliban noch möglich. Auch einen deutschen Führerschein besitzt sie mittlerweile. „Ich sehe meine Zukunft nicht zu Hause in der Küche, wie die Taliban sich das für Frauen vorstellen, ich kann auch etwas beitragen in Deutschland und das will ich auch. Mein Mann unterstützt mich dabei.“

Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp
test