Andreas Bornemann klatscht mit Morgan Guilavogui ab

Geschafft! Sportchef Andreas Bornemann klatscht nach dem Remis in Frankfurt, das St. Pauli den Klassenerhalt bringt, mit Stürmer Morgan Guilavogui (r.) ab. Foto: IMAGO / HMB-Media

„Da bin ich ehrlich“: Bornemann spricht über St. Paulis Kaderplanung – und Abschiede

Die Saison ist noch nicht zu Ende, aber die Planungen für die Zukunft laufen seit Wochen auf Hochtouren. Nach dem Remis in Frankfurt, das dem FC St. Pauli fast sicher den vorzeitigen und hochverdienten Klassenerhalt einbrachte, beschleunigt die gesicherte Ligazugehörigkeit die Prozesse. Die Mannschaft soll und muss verstärkt werden für eine weitere Saison Klassenkampf, die noch mal härter werden dürfte. Sportchef Andreas Bornemann spricht über das braun-weiße Erfolgsgeheimnis, Kaderplanung, drohende Abgänge von Leistungsträgern – und das brisante Thema Spielerverabschiedungen, bei dem er Kritik übt.

Die Leistung des Aufsteigers in dieser Saison ist gar nicht hoch genug zu bewerten, denn der Kiezklub hat aus wirtschaftlich vergleichsweise bescheidenen Mitteln eine ganze Menge gemacht und sich im Oberhaus festgebissen und festgespielt, denn die Mannschaft hat längst nicht nur läuferisch und kämpferisch überzeugt, sondern im Saisonverlauf mehr und mehr auch spielerisch. Es ist eine beeindruckende Entwicklung unter dem neuen Trainer Alexander Blessin, der auf dem starken Fundament von Vorgänger Fabian Hürzeler aufbauen konnte. Ein braun-weißes Wunder?

Bornemann: Klassenerhalt eine „herausragende Leistung“

„Es ist einfach eine herausragende Leistung“, sagt Bornemann. „Mit dem Begriff Wunder wäre ich ein bisschen vorsichtig, weil dafür einfach einfach zu viel Arbeit und zu viel Akribie drinsteckt.“ Die Weiterentwicklung des Teams und des eigenen Spiels, die Anpassungen der Ausrichtung, die Kompensation diverser und auch gravierender Ausfälle sowie die extrem gute Gegnervorbereitung habe dafür gesorgt, dass der Klassenerhalt „hochverdient und nicht zwingend ein Wunder“ sei, betont der Sportchef, der aber darauf verweist, dass der Ligaverbleib noch nicht hundertprozentig sicher ist, und der deshalb offiziell noch keine Glückwünsche annimmt.

Die Resilienz der Mannschaft, der Umgang mit sportlichen und personellen Rückschlägen, an denen es in dieser Spielzeit wahrlich nicht gemangelt hat, ist die vielleicht größte Qualität der Kiezkicker – und Trainer Alexander Blessin hat sie als Frontmann glaubwürdig wie kein anderer verkörpert, nie die Ausfälle beklagt, sondern vielmehr den Spielern aus der zweiten Reihe den Rücken gestärkt und das Vertrauen ausgesprochen, auch öffentlich. Wie das Team an den Herausforderungen gewachsen sei und über die vergangenen zwei, drei Jahre einen starken Zusammenhalt und Spirit entwickelt habe, sei „außergewöhnlich“.

Team soll als „Gruppe wachsen“ – und verstärkt werden

Der Klassenerhalt ist eine Mannschaftsleistung – und auch eine Leistung des Vereins, in dem Ruhe und Vertrauen herrschte. Aber die Profi-Mannschaft wird nicht zusammenbleiben, sondern ihr Gesicht verändern. Das ist der Gang der Dinge. Verbesserung macht immer auch Veränderung nötig – das gilt für den Verein und einzelne Spieler gleichermaßen.

Die St. Pauli-Profis freuten sich am Sonntag über den (fast sicheren) Klassenerhalt. WITTERS
St. Paulis Profis umarmen sich auf dem Feld
Die St. Pauli-Profis freuten sich am Sonntag über den (fast sicheren) Klassenerhalt.

„Was sich nicht ändern wird: Wir werden es auch weiterhin über die Gruppe, über das Gemeinsame und die defensive Stabilität machen“, stellt Bornemann klar. Der Verein wird auch im zweiten Erstligajahr nicht mit Millionen um sich werfen und gleich mehrere garantierte Unterschiedsspieler verpflichten können – und deshalb „irgendwie versuchen müssen, uns weiterzuentwickeln und zu verbessern in irgendeiner Art, entweder als Gruppe weiter zu wachsen oder vielleicht durch den ein oder anderen Zugang“, um „wieder eine gute Mannschaft an den Start zu kriegen“.

„Wir können nicht sagen, ob wir einen Spieler verlieren“

Beim Thema Verstärkungen wird der Sportchef noch nicht konkreter, auch nicht in Bezug auf Positionen, das käme einen „Tick zu früh“, denn das letzte Saisonspiel gegen Bochum sei noch nicht gespielt. Aber klar ist, dass auf der Rechtsverteidigerposition ein Back-up für Manolis Saliakas nötig ist und sich St. Pauli auch im Angriff verstärken will und muss. Eine feste Verpflichtung von Leih-Stürmer Morgan Guilavogui steht ganz oben auf der Agenda.

Über mögliche Abgänge sagt Bornemann: „Heute können wir auch nicht sagen, ob wir nicht vielleicht einen Spieler verlieren. So ehrlich müssen wir sein.“ Und damit meint er nicht nur Kiezkicker, deren Verträge auslaufen, wie Andreas Albers, Carlo Boukhalfa und Johannes Eggestein, über deren Zukunft sich weder Verein noch die Spieler selbst klar geäußert haben. Auch Leistungsträger mit laufendem Vertrag könnten St. Pauli verlassen. Bornemann ist sich diesem Risiko durchaus bewusst.

Abwerbungen? Keine „Alarmglocken“, sondern „Realität“

„Das sind keine Alarmglocken, weil drei weg sind“, erklärt der 53-Jährige, „sondern das ist einfach die Realität, dass Leute, die bei uns sind – ob sie Trainer sind oder Spieler sind –, einfach mal den Kopf rausstecken.“ Sich Angebote anhören und möglicherweise annehmen wollen, weil diese sportlich oder auch finanziell lukrativ sind oder sich einfach verändern wollen. „Darüber muss man sich im Klaren sein, dass das gegebenenfalls auch für uns noch mal wieder zu kompensieren oder aufzufangen zu sein wird.“ Schmunzelnd fügt er an: „Da wird uns bis Ende August oder Anfang September vermutlich nicht langweilig werden.“

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Interessant ist dabei, dass Bornemann auch „Trainer“ sagt, wobei im Moment nichts darauf hindeutet, dass Blessin wie ein Jahr zuvor Hürzeler den plötzlichen vorzeitigen Abgang plant, wenngleich es zuletzt immer wieder Spekulationen gab. Der gebürtige Stuttgarter fühlt sich sehr wohl bei St. Pauli, genießt die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Bornemann und auch Präsident Oke Göttlich. Aber was ist, wenn ein großer Klub anklopft? Blessins hervorragender Job in seiner ersten Bundesligasaison ist niemandem verborgen geblieben.

Wird St. Pauli beim Heimfinale Spieler verabschieden?

Eine brisante Frage ist, ob beim Saisonfinale gegen Bochum Spieler verabschiedet werden, die den Verein verlassen. „Ich bin jetzt nicht das Festkomitee“, sagt Bornemann, der bekanntlich kein großer Freund derartiger Zeremonien ist. „Ich habe mich jetzt auch, da bin ich ehrlich, über die Verabschiedungs-Arien in einigen Stadien geärgert.“ Denn bei der Hälfte aller 18 Vereine ist das letzte Heimspiel nicht gleichzeitig das letzte Saisonspiel und in einigen Duellen gehe es sportlich noch um etwas.

Er finde es unpassend, „dass in Stadien schon Blumensträuße verteilt werden, und dann schon Spieler mit dem Mikrofon dastehen“, sagt Bornemann. „Ich finde einfach, du signalisierst den Zuschauern, aber auch deiner eigenen Mannschaft, dass die Saison zu Ende ist.“ Das mag für die eine Mannschaft gefühlt so sein, weil es sportlich um nichts mehr geht, für den Gegner könne das aber ganz anders sein. Und für ein unbeteiligtes Team könnte es wiederum entscheidend sein, dass die Mannschaft, für die nichts mehr oder nicht mehr viel auf dem Spiel steht, trotzdem die Spannung beibehält und alles gibt.

Beispiel Union Berlin und die Pleite gegen Heidenheim

Bornemann nennt keine Vereine, aber es ist sehr naheliegend, dass er sich besonders über die Umstände beim letzten Heimspiel von Union Berlin gegen Heidenheim geärgert hat. Vor der Partie am Samstag hatten die „Eisernen“ fünf Spieler offiziell verabschiedet und danach sang- und klanglos mit 0:3 gegen die abstiegsbedrohten Gäste verloren.

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Das hatte für St. Pauli Konsequenzen. Hätte Heidenheim nicht gewonnen, wäre der Klassenerhalt der Kiezkicker bereits vor dem Anpfiff des eigenen Spiels gegen Frankfurt am Sonntag unter Dach und Fach gewesen. „Ich glaube schon, dass es möglich sein kann, zu sagen, ich schiebe das raus oder mache eine Verabschiedung intern“, findet Bornemann. Auf jeden Fall nicht vor dem Abpfiff des letzten Saisonspiels.

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