Der wohl künftige Kanzler Friedrich Merz.

Der künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU). Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Endlich Bundeskanzler: Merz tritt neues Amt an – ohne Vertrauensvorschuss

Nun kommt der Tag, auf den Friedrich Merz seit Jahrzehnten hingearbeitet hat: Am Dienstag stellt sich der CDU-Chef im Bundestag zur Wahl. Endlich Bundeskanzler: Mit 69 Jahren will Merz das mächtigste Amt antreten, das die Bundesrepublik zu vergeben hat. Was für ein Comeback für einen Mann, dessen politische Karriere vor 20 Jahren schon beendet schien. Merz steht vor dem Sprung an die Spitze einer schwarz-roten Regierung. Einen Vertrauensvorschuss bringt er dabei nicht mit ins neue Amt.

Es ist ein Neuanfang ohne Aufbruchstimmung. Allgemeine Ernüchterung prägt die politische Stimmung in den Tagen vor dem Regierungswechsel. Merz stellte vor einigen Tagen selbst fest: Es herrsche „keine Euphorie“, was die neue Regierung angeht.

Experten: Neue Regierung schon jetzt im Stimmungstief

Politikexperten sehen die neue Regierung im Stimmungstief, noch ehe sie ihr Amt angetreten hat. „Es gab noch nie einen Kanzler, der mit so wenig Vertrauen in seinem Amt begonnen hat“, sagt Politikprofessor Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel der Nachrichtenagentur AFP. „Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, dass er kein starker Kanzler wird, sehr groß.“

Merz’ eigene Umfragewerte und die seiner CDU sind seit der Wahl noch einmal schwächer geworden. „Einen solchen Vertrauensverlust für eine Koalition zwischen dem Wahltag und der Wahl des Kanzlers hat Forsa noch nie festgestellt“, stellt der Meinungsforscher Manfred Güllner vom Forsa-Institut in einer aktuellen Analyse fest.

An Merz’ Risikobereitschaft, seinem rhetorischen Talent und seinem Ehrgeiz zweifelt niemand. Ein Publikumsliebling war er aber nie, Merz kann kühl und überheblich wirken. Keine optimalen Voraussetzungen für seine erste große Aufgabe – das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.

Starke Skepsis gegenüber Merz in der Bevölkerung

Nach der Wahl hat Merz der Wählerschaft und vor allem seiner eigenen Partei einiges zugemutet – eine massive Neuverschuldung, die die CDU doch immer abgelehnt hatte. Damit habe Merz „eine starke Misstrauensposition erzeugt, die für ihn problematisch werden könnte“, sagt Politikprofessor Schroeder.

Merz ist sich der Skepsis ihm gegenüber bewusst. Auf dem kleinen CDU-Parteitag am vergangenen Montag sagte er, er habe „einen Kredit in Anspruch genommen, und einen Kredit muss man – jedenfalls wenn man ein glaubwürdiger Schuldner sein will – auch wieder zurückzahlen“. Seine Botschaft an die Basis: Er weiß, dass er nun als Kanzler liefern muss.

Die äußeren Umstände könnten schwieriger nicht sein. Merz selbst hat immer wieder betont, die neue Regierung habe möglicherweise die letzte Chance, die Stimmung im Land noch einmal zum Besseren zu drehen, um die rechtsextremistische AfD von der Macht fernzuhalten. Zu Amtsantritt sieht sich Merz nun einer AfD gegenüber, die in Umfragen stärker ist als je zuvor.

Merz hat Erfahrung im politischen Scheitern

Merz hatte noch nie einen Regierungsposten inne. Exekutive Erfahrung bringt er also nicht mit ins neue Amt – wohl aber die Erfahrung des politischen Scheiterns. 2002 verdrängte CDU-Chefin Angela Merkel den aufstrebenden Christdemokraten aus dem Sauerland vom einflussreichen Fraktionsvorsitz.

„Es gab ein Problem, und zwar von Beginn an: Wir wollten beide Chef werden“, schrieb Merkel in ihrer Autobiografie mit Blick auf Merz. Merz zog sich grollend in die zweite Reihe zurück und trat schließlich 2009 nicht mehr für den Bundestag an. Der Jurist wechselte in die Wirtschaft, hatte einen lukrativen Spitzenposten beim Investmentkonzern Blackrock.

Merz glaubt an die Marktwirtschaft und den Freihandel – eine Überzeugung, die aktuell unter schwerem Beschuss ausgerechnet aus den USA steht, denen der Transatlantiker Merz sich verbunden fühlt. Anders als frühere Bundeskanzler bringt er eigene Erfahrungen aus der internationalen Wirtschaft mit.

Bonzen-Kanzler: Friedrich Merz ist reich

Und noch etwas unterscheidet Merz von allen seinen Vorgängern: Er ist reich. Finanziell hatte Merz also ausgesorgt, als er 2022 in die aktive Politik zurückkehrte. Die CDU wählte ihn nach der vergeigten Bundestagswahl zu ihrem Vorsitzenden – im dritten Anlauf: Auf den Bundesparteitagen 2018 und 2021 war er noch unterlegen.

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Der Merz von heute ist freilich nicht mehr der Merz der Merkel-Jahre. Jenen Christdemokraten, denen Merkels Kurs zu liberal war, galt Merz lange Zeit als verlässlicher Bannerträger eines soliden bürgerlichen Konservativismus.

Dieses Bild hatte in den vergangenen Wochen sichtbare Risse bekommen – an Teilen der Basis machte sich die Furcht breit, dass Merz der SPD zu weit entgegengekommen ist. Auch diese Zweifel wird Merz als Bundeskanzler ausräumen müssen. (dpa/mp)

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