Party-Planung nach HSV-Wende? So gehen Polzin und Kuntz ins Finale
Stefan Kuntz flüsterte Jonas Meffert etwas ins Ohr, als der Abräumer dem Sportvorstand nach dem 4:0 in Darmstadt in die Arme fiel: „Ich bin so stolz auf dich, mein Großer“, sagte Kuntz zu Meffert, der wenig später selbst ins Schwärmen geriet: „Wir wurden Weltklasse eingestellt von unseren Trainern.“ Merlin Polzin, Loic Favé, Richard Krohn und ihre Profis sorgten als Gemeinschaft und mit überraschenden Mitteln für die Wende im Aufstiegskampf. Und jetzt planen die Hamburger Verantwortlichen zusammen das Endspiel gegen Ulm.
Ganz so euphorisch wie die Spieler um Davie Selke („Jetzt haben wir zusammen ein Finale“), Sebastian Schonlau („Wir werden das nächste Woche zu Hause holen“) und Meffert („Wir werden alles, alles dafür tun“) äußerten sich Polzin und Kuntz nicht. Der Trainer erklärte: „Wir werden sicher nicht den Fehler machen, irgendwas ans Träumen zu verschenken.“ Und sein Boss betonte am ARD-Mikrofon: „Wir drehen nicht durch. Wir haben ja noch nichts erreicht.“
HSV-Boss Stefan Kuntz: „Wir haben noch nichts erreicht“
Das weiß der ganze Verein. Deshalb will sich der HSV vor der Matchball-Partie gegen den SSV Ulm öffentlich auch nicht an den Planungen einer möglichen Aufstiegsfeier beteiligen. Aus dem Hamburger Rathaus hat der Klub zwar schon eine Einladung für den 19. Mai erhalten, wenn im besten Fall der doppelte Bundesliga-Aufstieg des Männer- und Frauen-Teams gefeiert werden soll. Doch im Volkspark hält man sich dazu bedeckt. Auch eine große Sause nach dem erhofften Sieg gegen Ulm würde im Fall der Fälle nur spontan steigen – zumal erst um 20.30 Uhr Anpfiff sein wird. „Wir werden nicht anfangen, rumzuspinnen mit irgendwelchen Veranstaltungen, die wir planen“, so Kuntz.

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Das Hamburger Zauberwort für die Woche, in der das vermutlich wichtigste Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte ansteht, lautet: Normalität. „Uns fehlen noch Punkte, um aufzusteigen. Das ist das Entscheidende. Alles andere ist wurschtegal“, bremste Kuntz bei aller Erleichterung. Und auch Polzin hielt den Ball flach, er will die Tage vor dem letzten Heimspiel der Saison gestalten wie sonst auch. „Ihr kennt mich jetzt auch ein bisschen“, sagte der 34-Jährige am Samstag zu Journalisten. „Wir wollen über harte Arbeit kommen und das Ganze sachlich angehen.“ Im Wissen darum, dass das Volksparkstadion „wahrscheinlich so laut sein wird wie noch nie“, hob er doch hervor, dass es ihm wie immer um „eine gute Gegneranalyse“ gehe, „eine gute Trainingswoche. Dann greifen wir gemeinsam an“.
Lob für Polzin: Die HSV-Taktik in Darmstadt überraschte
Es liegt auch an Polzins Arbeit, dass sich der HSV wieder im Attacke-Modus befindet – zumindest mit Blick auf die Tabelle. Denn beim Auftritt in Darmstadt waren es nicht die offensiven, spielerischen Mittel, die entscheidend waren. Der HSV hatte am Böllenfalltor zum Beispiel nur 41 Prozent Ballbesitz, so wenig wie noch nie in dieser Saison. Der Matchplan sah vor, über großen Kampf in die Partie zu kommen, die zunächst nicht in die Richtung des HSV lief. „Uns war bewusst, dass wir nicht herkommen und zaubern“, erklärte Miro Muheim und lobte: „Es war unglaublich, wie wir uns nach jeder Aktion gepusht haben. Das war der Schlüssel.“ Und auch taktisch war einiges nicht wie sonst.

„Darmstadt ist eine sehr gute, spielerische Mannschaft. Deshalb war unser Plan, mit Mittelfeldpressing zu arbeiten. Das hat uns Sicherheit gegeben“, sagte Meffert. Es sei „die absolut richtige Entscheidung“ der Trainer gewesen, die HSV-Profis nicht so hoch anlaufen zu lassen wie üblich. „Wir waren perfekt drauf eingestellt“, untermauerte Meffert sein „Weltklasse“-Lob. Selke pflichtete ihm bei: „Ich will unser Trainerteam nicht zu viel loben – aber das haben sie schon gut gemacht.“ Was nicht selbstverständlich ist nach drei Partien, in denen der HSV nur ein Punkt geholt hatte – und nach denen die Erzählung von der Aufstiegsangst zuletzt wieder zunahm. Das aber blendeten die Profis aus.
„Nicht gelesen“: HSV-Profis blendeten die Erzählungen aus
„Ich habe mir die Woche über wirklich gar nichts durchgelesen“, verriet Meffert, „habe mich über nichts informiert nach dem Spiel letzte Woche.“ Schonlau handhabte es ähnlich: „In so einer Phase versuchst du natürlich, nicht alles durchzulesen.“ Wobei der Abwehrchef auch einräumte: „Ganz ausblenden kann man es nicht, weil es von außen ein Stück weit reingetragen wird.“ Umso beeindruckender war es, dass die HSV-Profis den Widerständen trotzten, auch den vielen in Darmstadt, und dass sie schließlich die Vorraussetzungen schafften fürs mögliche Finale am Samstag.
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„Wir freuen uns auf das Heimspiel, wollen aber nichts Wildes machen – sondern einfach bei uns bleiben“, beschrieb Muheim die Herangehensweise vor Ulm. „Wir wollen uns so vorbereiten wie wir es die ganze Saison über machen.“ Bezeichnend: Die Profis lehnten den von Polzin vorgeschlagenen, extra freien Tag ab, wollten die normalen Abläufe. So soll der Wende im Aufstiegskampf am Samstag der letzte Schritt folgen. „Wir müssen es erst zu Ende bringen“, sagte Kuntz. „Dann können wir von mir aus vor Freude platzen.“ Im Volkspark – oder dann auf dem Rathaus-Balkon.
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