Davie Selke schaut von der HSV-Bank in die Kamera

Ungewohntes Bild: Davie Selke saß auf Schalke zunächst auf der HSV-Bank. Foto: imago images/Revierfoto

Pikante Bankrolle: Warum Selke so spät kam und was das für seine HSV-Zukunft bedeutet

Während seine Mitspieler auf dem Platz und die Fans im Gästeblock zitterten, brach es an der Seitenlinie aus Davie Selke heraus. Denn der HSV-Stürmer hatte auf einem Tablet gesehen, dass Ransford Königsdörffer in der Szene vor dem 2:1 durch Emir Sahiti (43.) nicht im Abseits gestanden hatte, wie es das Schiedsrichterteam anzeigte. Und tatsächlich: Wenig später jubelten alle beim HSV, dessen Trainer mit dem Bankplatz für Selke überrascht hatte. Der 30-Jährige kam erst in der 82. Minute statt zu beginnen – mit Folgen für seine Zukunft.

Seit Samstagabend ist klar: Die Option, dass sich Selkes HSV-Vertrag nach dem Saisonende automatisch um ein Jahr verlängert, wofür der Aufstieg Grundbedingung ist, ist verfallen. Denn sein aktueller, Ende Juni auslaufender Kontrakt beinhaltet eine weitere Klausel, die nun obsolet ist. In mindestens 14 von 17 Rückrundenspielen hätte Selke in der HSV-Startelf stehen müssen, damit sein Arbeitspapier – Bundesliga-Rückkehr vorausgesetzt – für eine weitere Spielzeit gültig ist. Das ist seit Schalke nicht mehr möglich. Denn Selke blieb nun zum vierten Mal draußen.

Automatische Verlängerung? Bei Selke nicht mehr möglich

Das 2:2 gegen Hannover hatte er in der Woche nach seinem Jochbogenbruch verpasst, beim 3:0 in Magdeburg war er gesperrt, beim 3:0 in Nürnberg vor zwei Wochen fiel er wegen Rückenproblemen aus – und nun, nachdem Selke beim 2:4 gegen Braunschweig noch einen Doppelpack erzielt hatte? Da verzichtete Merlin Polzin freiwillig auf den Führenden der Torschützenliste in der Startelf. „Ransi hat nicht nur Qualitäten im Tiefgang und im Tempo, sondern auch im Zwischenraum, wo er es immer wieder geschafft hat, Anspielstationen darzustellen“, verteidigte der Coach die Entscheidung pro Königsdörffer nach Abpfiff. Ein ähnlicher Matchplan war in Magdeburg perfekt aufgegangen.



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Dass die Schalker wegen Kenan Karaman schon ab der 3. Minute ein Mann weniger waren, und dass sie sich daher früh tiefer positionierten, konnten die HSV-Trainer nicht einpreisen. „Die Rote Karte hat unsere Gedanken und den Spielverlauf erheblich verändert“, bestätigte Polzin und ließ durchblicken, dass die Gegneranalyse von vor der Partie plötzlich hinfällig war – wenngleich er zu Recht anfügte, dass beim Tor zum 2:1 „viele Gedanken aufgegangen“ seien „mit dem Tiefgang, mit dem Tempo von Ransi in dem Fall, mit der Umschaltaktion“. Der Ghanaer war in einem Moment der Schalker Unaufmerksamkeit nämlich in die Tiefe gestartet, ehe er perfekt auf Torschütze Sahiti flankte.

Trainer Polzin verteidigt Entscheidungen im HSV-Sturm

Da ging die Spielidee mit Königsdörffer als alleinige Spitze dann doch mal auf. Trotzdem wechselte Polzin zur Pause, zog den 23-Jährigen gegen dezimierte Schalker zurück ins offensive Mittelfeld – und brachte Robert Glatzel als klaren Neuner. Also den Angreifer, der nach monatelanger Verletzung erst viermal wieder als Joker kam, und das über maximal 30 Minuten (in Nürnberg und gegen Braunschweig). Selke dagegen, der 19-Tore-Mann des HSV, blieb überraschenderweise auch in der zweiten Hälfte zunächst auf der Bank. „Wir haben zur Halbzeit mit Bobby jemanden gebracht, der im Kombinationsspiel seine Stärken hat“, erklärte Polzin seine Entscheidung pro Glatzel.

Weil die Gastgeber „eng und kompakt“ verteidigt hätten, „wollten wir nicht nur darauf gehen, die Bälle von außen reinzubringen, sondern einen Spieler haben, der sich auch im Kombinationsspiel leichttut“, ergänzte der Trainer und befand: „Das hat Bobby gut gemacht und seine Halbchancen gehabt, diese für sich generiert. Am Ende hat es leider nicht mit dem Tor geklappt – sonst wäre es noch einfacher zu erklären.“ Seine Erläuterung klang auch so schlüssig. Dennoch offenbarte die Partie, dass Glatzel noch nicht wieder der Alte ist. Abgesehen von einem Latten-Kopfball, der wegen Abseits nicht gezählt hätte (72.), hatte er keinen gefährlichen Abschluss, leistete sich auch Fehlpässe.

Claus Costa: „Wollen mit Selke und Dompé weitermachen“

Als Selke dann bereit für seinen späten Joker-Einsatz war, musste er an der Seitenlinie mit ansehen, wie Schalkes Moussa Sylla das 2:2 köpfte (81.). Auf dem Platz kam er nur noch zu vier Ballaktionen. Und es bleibt zu konstatieren, auch wenn sich das im Nachhinein leicht sagen lässt, zumal die Tempo-Idee mit Königsdörffer ja schon einmal top aufgegangen war: Selkes Präsenz hätte dem HSV, der vor allem in der ersten Hälfte „nicht viele Chancen hatte“, wie Jonas Meffert festhielt, doch sehr gutgetan. Und die Emotionalität des Leaders im hitzigen Duell vor 62.000 Fans hätte auch ein wichtiger Faktor sein können. Da lag Polzin, wenngleich er den frühen S04-Platzverweis nicht ahnen konnte, tendenziell daneben. Und dass er Glatzel dann Selke als Joker vorzog, bietet auch Raum für Diskussionen.

Klar ist: Aufstieg hin oder her, Selkes Vertrag wird sich nicht mehr automatisch verlängern. Selbst wenn er in allen verbleibenden vier Saisonspielen noch starten wird, käme er auf nur 13 statt der für die Verlängerung benötigten 14 Startelf-Einsätze. Es muss also eine andere Einigung geben – die trotz Selkes Wunsch nach frühzeitiger Klarheit nach wie vor aussteht. „Wir wollen mit beiden Spielern weitermachen“, unterstrich Sportdirektor Claus Costa vor der Partie bei Sport1, als er neben der von Jean-Luc Dompé auch über Selkes Zukunft sprach. „Man kann es nur immer wieder betonen: Wir sind in einem guten Austausch. Die Spieler sind unbeeindruckt von der vertraglichen Situation, das zeigen ja die Leistungen der letzten Wochen. Von daher: Wir sind da entspannt und schauen, wie es ausgeht.“

Im HSV-Poker um Selke muss nun eine andere Lösung her

Das ist nun offener denn je – auch wenn sich Selke längst klar zum HSV bekannt hat. Der Ex-Kölner will bleiben und ist bereit, Abstriche zu machen, wünschte sich bis zuletzt aber eine neue Vertragslaufzeit von drei Jahren statt der vom HSV präferierten zwei (plus Option). Auch das künftige Gehalt der diesjährigen offensiven Lebensversicherung des Teams ist weiterhin ein Knackpunkt. „Wir sind in guten, aber ein bisschen zähen Verhandlungen“, hatte Stefan Kuntz vor drei Wochen gesagt. „Ich glaube, wir kommen zu Potte.“ Ein Durchbruch ist bisher aber ausgeblieben und deutet sich auch nicht an, weil die Bosse den Fokus auf den Endspurt legen wollen, damit der Aufstieg klappt. Der ist trotz des 2:2 auf Schalke weiter in Sichtweite – Selkes automatische Verlängerung nun aber endgültig vom Tisch.

Das ist auch deshalb brisant, weil nun sicher ist: Sollten sich der HSV und der Torjäger demnächst nicht auf ein anderes, von allen Seiten anvisiertes Modell einigen, dann wäre Selke ab dem 1. Juli vereinslos. An Interessenten würde es sicherlich nicht mangeln, durch den unerwarteten Bankplatz ist der Druck aber auch auf den Profi nun noch einmal gestiegen. Selke will bleiben, der HSV will ihn halten – aber seit Samstag gibt es ein Szenario weniger. Und Selke hatte schon vor drei Wochen angekündigt: „Irgendwann wird es dann von mir eine Entscheidung geben.“

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