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  • Symbolische Grablegung: Veranstaltungsbranche demonstriert gegen harte Corona-Maßnahmen.
  • Foto: imago images/Christian Spicker

Meinung: Der Kultur-Lockdown ist eine Katastrophe – denn auch Kunst ist systemrelevant

Der zweite Lockdown steht vor der Tür: Ab Montag müssen nicht nur Bars und Restaurants erneut schließen, sondern auch die verschiedenen Kultureinrichtungen des Landes – wie Theater, Museen, Opernhäuser oder Kinos. Musiker und andere Künstler dürfen nicht mehr auftreten. Alles halb so wild? Kultur ist das Letzte, um das wir uns derzeit sorgen müssen? Im Gegenteil! Denn: Kultur ist mehr als nur ein Hobby oder etwas für „die da Oben“.

Kultur sei keine Delikatesse für Feinschmecker, sondern Brot für alle, sagte die Kulturstaatsministerin Monika Grütters am Freitag. Das klingt zugegeben etwas trocken – die Tomatensoße auf den Nudeln wäre vielleicht ein hübscheres Bild – dennoch trifft es den Kern der Sache: Kultur ist weit mehr als Bespaßung in der Freizeit. Sie ist essentiell für eine lebendige Demokratie und absolut systemrelevant.

Kultur ist systemrelevant

Kunst als wesentlicher Teil der Kultur ist dafür da, die Menschen zusammen zu bringen – über alle Grenzen von Nationalität, Identität, politischer Einstellung oder religiöser Zugehörigkeit hinweg. Doch es ist noch mehr als das: Kunst ist immer politisch, kritisch, ein Spiegel der Gesellschaft und Herrschaft. Und wann bräuchte man den Spiegel mehr, als in einer Krise?

Wem das alles zu schöngeistig klingt – es geht auch mit ganz reellen Zahlen: Die Kultur- und Veranstaltungsbranche ist Deutschlands sechstgrößte Wirtschaftsbranche. Etwa 1,5 Millionen Menschen sind hier beschäftigt. Und damit nicht genug: Die Branche macht im Jahr einen Umsatz von knapp 130 Milliarden Euro. Das geht aus einer Studie vom Juni 2020 hervor, die von der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft (IGVW) in Auftrag gegeben wurde.

Lockdown trifft keine verplanten Künstler, sondern einen der stärksten Wirtschaftszweige

Der Lockdown der Kulturbranche trifft also nicht ein paar vermeintlich verplante Künstler-Hippies, die in den Augen Vieler eh den ganzen Tag nur auf der faulen Haut und dem Staat auf der Tasche liegen. Nein, er trifft hart arbeitende Menschen, die Teil eines der stärksten Wirtschaftszweige Deutschlands sind.

Doch auch wenn diese Zahlen den Politikern bekannt sein dürften, sucht man dort seit Beginn der Corona-Pandemie vergeblich nach wirklicher Unterstützung für die Branche. Schlimmer noch: Obwohl sich die Kultureinrichtungen an die vorgeschriebenen Corona-Maßnahmen hielten, werden sie nun wieder dicht gemacht. Ich weiß nicht, wie Ihre Erfahrungen sind, aber keine Ausstellung, die ich in der letzten Zeit besuchte, hatte das Zeug zu einem Superspreader-Event.

Kulturbranche braucht sinnvolle finanzielle Unterstützung

„Leider zwingt uns die Dynamik des Infektionsgeschehens zu harten Maßnahmen“, so die Kulturstaatsministerin. „Doch bei allem Verständnis für die notwendigen neuen Regelungen: Für die Kultur sind die erneuten Schließungen eine echte Katastrophe.“ Diesem letzten Satz kann ich mich nur anschließen.

Natürlich muss versucht werden, die Pandemie in den Griff zu bekommen, und dafür braucht es Maßnahmen. Aber genauso wichtig ist ein genauer Blick für die wirklichen Gefahrenquellen. Und sollte man wirklich nicht um einen Lockdown der Kultur- und Veranstaltungsbranche kommen, braucht es wenigstens sinnvolle wie ausreichende finanzielle Unterstützung.

Bisher gab es hier bekanntlich einige Probleme: So achtete die Politik mehr auf den Ausgleich anfallender Betriebskosten, als auf einen vollen Kühlschrank für die Betroffenen. Nur: Wer nicht auftritt oder seiner Kunst nachgehen kann, der hat auch keine Betriebskosten. Monika Grütters und auch dem Grünen-Politiker Robert Habeck scheint dieses Problem bewusst geworden zu sein. Ein erster Schritt, doch jetzt heißt es handeln. Denn Deutschland hat nichts davon, wenn der Kontrolle des Virus die Kulturlandschaft zum Opfer fällt. Es wäre eine unermessliche Verarmung des Landes – geistig wie finanziell.

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