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  • Christoph Ploß (CDU) spricht mit einem Mann auf einem Markt in Poppenbüttel.
  • Foto: Patrick Sun

Wie Hamburgs CDU-Chef gegen Laschet kämpfen muss

„Ich würde mich schämen, jetzt für die Partei loslaufen zu müssen. Es ist alles so amateurhaft!“, schleudert ein älterer Herr Christoph Ploß entgegen. Es geht, wie so oft an diesem Tag, um Armin Laschet, den Kanzlerkandidaten der CDU. Er galt in der Union als das kleinere Übel im Vergleich zu Friedrich Merz und Markus Söder, ist auf der Straße aber alles, nur nicht wählbar. 

Eine knappe Woche vor der Bundestagswahl liegt die Union in Umfragen fünf Prozentpunkte hinter der SPD. Die Nerven sind angespannt. Bedeutet das Ende der Ära Merkel auch das Ende der CDU als Regierungspartei? Einer, der das Schlamassel schon frühzeitig ahnte, aber jetzt im Endspurt sich mit allem was er hat gegen die drohende Wahlniederlage stemmt, ist Hamburgs CDU-Hoffnung Ploß. Die MOPO hat ihn beim Kampf um die letzten Stimmen begleitet.

Das Entgegenstemmen gelingt Christoph Ploß erstaunlich gut. Im für einen Konservativen etwas nachlässig gebügelten Anzug streift er in Poppenbüttel über den Wochenmarkt, verteilt Infomaterial mit seinem Konterfei und natürlich Kugelschreiber. 

Hamburg: CDU-Wahlkampf mit der Hypothek Laschet

„Ich habe Sie schon gewählt!“, heißt es öfters. Dann bedankt sich Ploß pflichtbewusst und versichert, dass man sich auch nach der Wahl bei ihm melden solle, wenn irgendwo der Schuh drückt. Gäbe es Armin Laschet nicht, die Poppenbüttler Marktbesucher würden an diesem Tag wohl mit absoluter Mehrheit die CDU wählen. Doch der Kanzlerkandidat bereitet selbst eingefleischten Unionswähler:innen Schmerzen. Da ist Scham wie ihn der ältere Herr verspürt noch eines der vornehmeren Gefühle. 

Ploß lacht in solchen Situationen, es ist ein verlegenes Lachen. Er lacht allgemein sehr viel in Bürgergesprächen – meist zugewandt. Es kippt aber ins Verunsicherte, wenn die CDU, also eigentlich immer Armin Laschet, die volle Breitseite der angefressenen Unions-Wähler abbekommt. 

Ploß streitet sich übers Gendern

Nur einmal wirkt er an diesem Tag sauer. Eine Frau, um die 50 Jahre alt, stellt sich ihm in den Weg und regt sich „kolossal über die Männergesellschaft auf“, die jetzt gegen das Gendern opponiere. Es wird hitzig. Ploß nimmt bei dem Thema keine Rücksicht auf Befindlichkeiten. Schließlich könne man privat gerne gendern, nur öffentliche Stellen „sollen sich an die deutsche Rechtschreibung halten“. Die Frau wird ihn eher nicht wählen am kommenden Sonntag. 

Der junge Konservative, der mit 36 Jahren bereits Hamburger CDU-Chef ist und sich dank seiner ablehnenden Haltung zum Gendern nationaler Bekanntheit erfreut, weiß wie Wahlkampf funktioniert. Schon vor vier Jahren beackerte er seinen Wahlkreis Hamburg-Nord von morgens bis abends, klingelte an Tausenden Haustüren und stellte sich auf die Straße. Der Lohn war ein Direktmandat in den Bundestag. Das wird bei der aktuellen Lage vermutlich nicht klappen, aber Ploß ist über die Liste abgesichert. 

„Wir müssen jetzt auf Inhalte setzen“, erklärt der 36-Jährige wie die CDU noch eine Trendwende einläuten könnte. Die Inhalte: Angst vor Rot-Grün-Rot schüren, steuerliche Entlastungen versprechen, staatliche „Gängelung“ verhindern. Die Union versucht nun mit allen Mitteln die eigene Stammwählerschaft zu mobilisieren. Woanders ist nichts mehr zu holen. Wähler:innen, die die Union dank Angela Merkel bei den vergangenen Wahlenüberzeugen konnte, wandern zum Staatsmann Olaf Scholz (SPD) oder den glaubhaften Grünen Klimaschützer:innen ab. Der CDU fehlt ein Kandidat mit Charisma und Inhalte, die ins ganze Land hineinwirken. 

Wahlkampf: Kann die Stimmung sich noch drehen?

„Die Stimmung ist besser als noch vor ein paar Wochen“, sagt Ploß als er am Abend zum Haustürwahlkampf nach Fuhlsbüttel aufbricht. Die Frage ist nur, ob das am Ende reicht, wenn es anstatt super schlecht nur noch schlecht läuft. Die Umfragen lassen nichts gutes für die CDU erahnen. Also auf zum Haustürwahlkampf. 

Gleich die ersten Wohnungen, bei denen er klingelt, liegen ausgerechnet über dem Büro seiner Konkurrentin Dorothee Martin (SPD), die sich dieses Mal wohl das Direktmandat schnappen wird. Feindselig ist die Stimmung allerdings nicht. Aber viele haben schon gewählt, was eine Trendwende durch persönliches Einwirken erschwert. Da kann sich der 36-Jährige noch so charmant als „Ihr Bundestagsabgeordneter“ an der Haustür vorstellen. 

Christoph Ploß (CDU) mit seinem Wahlkampfauto. Patrick Sun
Christoph Ploß (CDU) mit seinem Wahlkampfauto.

Nach einem ausführlichen Gespräch mit einer Mutter über die in ihren und seinen Augen verkorkste Hamburger Corona-Schulpolitik, schiebt sich noch ihr Mann dazwischen: „Ich weiß noch nicht, wen ich wähle, aber Ihren Kanzlerkandidaten werde ich nicht wählen!“ Natürlich, Armin Laschet ist auch bei jedem Hausbesuch dabei. In einer Straße, wo die Häuser nach schwarz-gelber Koalition aussehen, gesteht eine Stammwählerin: „So unglücklich war ich noch nie bei einer Wahl. Das Kreuz bei der CDU zu setzen ist mir sehr schwer gefallen“. Ploß warnt umgehend vor dem rot-grün-rotem Schreckensbündnis, als würde er ernsthaft daran glauben, dass die SPD und Grünen mit der Linkspartei koalieren werden. 

Was wird aus der CDU nach der Wahl?

Sollte die CDU am Ende wirklich die Wahl verlieren, sind Regierungskoalitionen ohnehin ihr kleinstes Problem. Der Kanzler:innenverein wäre besiegt, die Leere, die sich bereits inhaltlich in den zurückliegenden Jahren zeigte, endgültig offengelegt. Aber auch der Nimbus der konservativen Krisenmanager-Partei, die den Deutschen noch jede Veränderung erträglich gestaltet hat, wäre verloren. 

Dann könnte jedoch die Stunde von CDU-Männern wie Christoph Ploß schlagen. Ein Fan von Friedrich Merz, jung und konservativ – das streichelt die Parteiseele, die unter konservativ meist eine Rechtsverschiebung der Partei versteht. Ploß will mehr auf identitätspolitische Themen und Migration setzen. Strategisch mag dies ein Irrweg sein, denn die Wähler:innenschaft der CDU steht erwiesenermaßen linker als die Parteibasis – doch es wäre das logische innerparteiliche Szenario. 

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Christoph Ploß will sich derweil nicht mit möglichen Niederlagenszenarien beschäftigen. „Ich glaube nicht, dass die Opposition uns guttut.“ Seine eigene Karriere dürfe bei der derzeitigen Lage ohnehin keine Rolle spielen. 

Er biegt ums Häusereck, vier Kinder spielen Fußball und werden plötzlich ganz aufgeregt, als sie den CDUler sehen. „Wer ist das?“; fragt eins. „Der kann Bundeskanzler werden, digga!“, schreit das andere. Zum ersten Mal an diesem Tag scheint Armin Laschet ganz weit weg.

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