Vergammeln, entmieten, abkassieren: Wie ein Eimsbütteler Haus zur Goldgrube wurde
Die klaffende Lücke in der Osterstraße zwischen den Hausnummern 160 und 164 steht stellvertretend für alles, was auf dem Hamburger Wohnungsmarkt schief läuft. 2016 geriet das dort ehemals stehende Miethaus mit einem groben Schimmelbefall zum ersten Mal in die Schlagzeilen. Jetzt sollen dort Luxus-Eigentumswohnungen entstehen – für bis zu 14.000 Euro pro Quadratmeter.
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Die klaffende Lücke in der Osterstraße zwischen den Hausnummern 160 und 164 steht stellvertretend für alles, was auf dem Hamburger Wohnungsmarkt schief läuft. 2016 geriet das dort ehemals stehende Miethaus mit einem groben Schimmelbefall zum ersten Mal in die Schlagzeilen. Jetzt sollen dort Luxus-Eigentumswohnungen entstehen – für bis zu 14.000 Euro pro Quadratmeter.
Vor sechs Jahren kämpften die Mieter in der Osterstraße 162 in Eimsbüttel erbittert gegen die Verwahrlosung ihres Zuhauses. Auch die MOPO berichtete damals. Demnach war vor allem der Hausflur von massivem Schimmel befallen, die Rede war von zugigen Fenstern und feuchten Wohnungen. Verwaltet wird die Immobilie von der ABR German Real Estate Management GmbH, die dahinter stehende private Eigentümergesellschaft ist nicht bekannt.
Osterstraße 162 wurde als „Schimmelhölle“ bekannt
Die damaligen Mieter erzählten der MOPO 2016 von unhaltbaren Zuständen: Seit 2010 der Eigentümer und die Hausverwaltung gewechselt hätten, sei nichts mehr passiert. Die Klingeln und das Licht im Flur sei ständig kaputt, von den riesigen Schimmelflecken ganz zu schweigen.
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Diese wurden dann zwar tatsächlich entfernt und die Fenster ausgebessert, jedoch sei der Zustand des Gebäudes schlechter gewesen als erwartet, erklärte die Hausverwaltung wenig später. Ingenieursbüros wurden damit beauftragt, Gutachten zu erstellen. Diese ergaben, dass das Haus abgerissen werden sollte, ein entsprechender Antrag ging ans Bezirksamt Eimsbüttel. Die Behörde gab dem Abriss im September 2017 schließlich statt, Mitte 2018 zogen die letzten aus: Eine Mieterin mutmaßte damals in den „Eimsbütteler Nachrichten“, dass dort teure Eigentumswohnungen entstehen werden – wie Recht sie damit behalten sollte.
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Zwei Jahre später, Juni 2020: An das Asia-Restaurant „Ploy Thai“ und den Imbiss „Der Wurstmann“ im Erdgeschoss erinnerte zu dieser Zeit nur noch die Reklame über den Türen. Die Wohnungen standen zu diesem Zeitpunkt seit zwei Jahren leer. Das Bezirksamt erließ dann nach eigenen Angaben ein Wohnnutzungsgebot: Der Eigentümer müsse die Wohnungen bis zum Abriss zwischenvermieten, ansonsten drohten rechtliche Konsequenzen. Dazu kam es aber nie: Da der Eigentümer mit einer beantragten Baugenehmigung für Ersatzwohnraum sorgte, durfte er die Wohnungen auch zweckentfremden – also legal leer stehen lassen. Erteilt wurde die Baugenehmigung im März 2020.
Erst 2020 wurde das Haus in der Osterstraße abgerissen
Ende 2020 rollten schließlich die Bagger an, das „Schimmelhaus“ in der Osterstraße 162 war damit Geschichte. Im Februar 2022 tauchten jetzt die ersten Wohnangebote des Projekts „Eymers“ im Internet auf. Dort werden Eigentumswohnungen angeboten – zum Preis von unfassbaren 11.000 bis fast 14.000 Euro pro Quadratmeter.
„Es ist ein Skandal, dass diejenigen, die günstigen Wohnraum bewusst vernachlässigen, belohnt werden, indem sie anstelle dessen unbezahlbare Luxuswohnungen bauen dürfen. Dadurch herrscht eine wahrhaftige Goldgräberstimmung“, sagt Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mieterverein zu Hamburg zur MOPO. „Wäre das Objekt vernünftig gepflegt worden, wäre dieser abrissnötige Zustand niemals erreicht worden.“
Neubau Osterstraße: Mieterverein entsetzt über Vorgehen
Er fordert, dass Investoren von der Stadt nicht dafür bevorteilt werden dürften. „Zum Beispiel könnte die Abrissgenehmigung nur erteilt werden, wenn der Investor dafür Sorge trägt, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht, etwa mit preisgebundenen Wohnungen von sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter.“ Die Fragen, warum die Abrissgenehmigung in der Osterstraße überhaupt erteilt wurde und warum kein Kompromiss über neue geförderte Wohnungen gefunden wurde, konnte das Bezirksamt der MOPO jedoch bis Freitag nicht beantworten.
Auch Mikey Kleinert (Linke), Abgeordneter in der Eimsbütteler Bezirksfraktion, wünscht sich vom Bezirk ein energischeres Eingreifen, vor allem was Leerstand betrifft. „Das ist in meiner Legislaturperiode bereits der vierte Fall, wo das Gebäude verfallen gelassen wird, danach leer steht und jahrelang nichts passiert“, sagt er. Als Beispiele nennt Kleinert die Methfesselstraße 80 und die Grindelallee 80, auch dort sind etliche Wohnungen verwaist.
Der Fall Osterstraße steht stellvertretend für Hamburg
Es ist ein Vorgang, der System hat und über ganz Hamburg passiert. Seit September 2021 kämpfen zum Beispiel die Mieter in der Zeughausstraße in der Neustadt gegen den Abriss. Die Geschichte ist überall die Gleiche: Es wird gewartet, bis Gutachten ergeben, dass sich Sanierungen nicht mehr lohnen. Dann werden teure Luxuswohnungen gebaut. Schuld daran ist auch die Stadt selbst, die in der Vergangenheit viel zu viele Grundstücke Privat-Investoren überließ, anstatt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.