Hamburgs Ärzte-Chef: „Irans Regime bedroht Mediziner, die Demonstranten behandeln“
Seit Wochen geht das Regime im Iran brutal gegen Demonstranten vor. Die Bundesregierung hat mittlerweile deutsche Staatsbürger aufgefordert, das Land zu verlassen. Viele derjenigen, die bleiben müssen, gehen weiter auf die Straße und riskieren ihr Leben. Darunter auch zahlreiche Mediziner, die teilweise verschleppt werden. Die MOPO sprach mit Hamburgs Ärztekammer-Präsident Dr. med. Pedram Emami, der selbst aus dem Iran stammt, über die Geschehnisse.
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Seit Wochen geht das Regime im Iran brutal gegen Demonstranten vor. Die Bundesregierung hat mittlerweile deutsche Staatsbürger aufgefordert, das Land zu verlassen. Viele derjenigen, die bleiben müssen, gehen weiter auf die Straße und riskieren ihr Leben. Darunter auch zahlreiche Mediziner, die teilweise verschleppt werden. Die MOPO sprach mit Hamburgs Ärztekammer-Präsident Dr. med. Pedram Emami, der selbst aus dem Iran stammt, über die Geschehnisse.
MOPO: Haben Sie Kontakt zu Kollegen im Iran?
Pedram Emami: Ja, es gibt Verbindungen. Aber weil das Regime das Internet weitgehend abgeschaltet hat, ist es schwierig, Kontakt zu halten. Die Informationen kommen in Wellen. Aber sie sind zuverlässig und aus erster Hand.
Was wird Ihnen über die Situation in den Kliniken berichtet?
Das Problem sind die als Zivilisten getarnten Sicherheitskräfte, die vom Regime in die Kliniken geschleust werden. Sie tauchen plötzlich in der Klinik oder Praxis auf, greifen sich die Patienten, die bei den Protesten verletzt wurden, und führen sie ab. Unsere Kollegen sind verzweifelt, weil sie helfen wollen, aber es nicht können. Sie wollen entsprechend ihres Hippokratischen Verständnisses gewissenhaft ihren Beruf ausüben und werden gezielt daran gehindert. Dieses Vorgehen verurteilen wir als Ärztekammer ausdrücklich.
Genau deswegen sind am Mittwoch vor einer Woche zahlreiche Klinikärzte in Teheran auf die Straße gegangen…
Die Ärzte haben gegen die Präsenz der Sicherheitskräfte in den Kliniken demonstriert. Das war sehr mutig. Dafür wurden sie von den Schergen des Regimes mit Tränengas beschossen. Man versucht, sie mundtot zu machen, damit die politischen Missstände nicht offengelegt werden.
Was genau versucht das Regime im Fall der Ärzte zu vertuschen?
Verschleiert werden soll das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstrierende. Die Verletzten werden einfach deportiert. Sie werden ohne ärztliche Versorgung in Gefängnisse gebracht. Egal wie schwer sie verletzt sind. Oft hört man nichts mehr von ihnen. Niemand weiß, ob sie noch am Leben sind oder nicht. Auf diese Weise ist auch ein junger, angehender Arzt verschwunden, der bei einer Demo verletzt wurde. Wir wissen nicht, wo er ist.
Wie kommen die Sektionsberichte zustande, nach denen junge Menschen wie Mahsa Amini angeblich an einem Herzinfarkt gestorben sein soll oder Nika Shahkarami Suizid begangen haben soll?
Wir haben keine Beweise, aber alles deutet darauf hin, dass die Sektionsberichte gezielt gefälscht werden. So soll die wahre Todesursache verschleiert werden. In den sozialen Medien gibt es inzwischen endlos viele Videos, die zeigen, wie die Menschen von den Sicherheitskräften brutal geprügelt werden. Das ist sehr bedrückend. Es gibt keinen Zweifel, dass körperliche Misshandlungen stattfinden und dass Menschen dabei schwer verletzt werden oder gar zu Tode kommen.
Trauen sich verletzte Demonstranten angesichts der Polizeipräsenz überhaupt noch ins Krankenhaus?
Nein, nicht alle. Viele versuchen es, so weit wie möglich zu vermeiden. Oberflächliche Verletzungen behandeln sie lieber selbst. Bei größeren Wunden suchen sie einen Privatarzt auf. Doch auch das ist gefährlich.
Bringen sich die Privatärzte selbst in Gefahr?
Ja. Selbst die Behandlung eines Demonstranten wird schon als Regime-Kritik ausgelegt bzw. als Sympathie mit den Aufständischen. Wer einen verletzten Demonstranten behandelt, riskiert, verhaftet zu werden.
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In New York versucht der iranischstämmige Arzt Dr. Kayvan Mirhadi den Verletzten per Telemedizin zu helfen. Geht das überhaupt?
Ich habe große Hochachtung vor dem, was der Kollege leistet. Er bekommt täglich rund 500 Fotos von Verletzungen zugeschickt und schickt Anleitungen zur Wundversorgung oder zum Stillen von Blutungen. Bei schweren Verletzungen kann man aber aus der Ferne nicht helfen.
Meinen Sie, die Menschen verlässt irgendwann der Mut? Oder gibt es jetzt kein Aufgeben mehr?
Dafür ist schon viel zu viel in Bewegung geraten. Es geht längst nicht mehr um den Hijab und die Freiheit der Frauen allein. Es geht um Demokratie, Ende der Korruption und die Freiheit aller. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sicherheitskräfte das auf Dauer durchhalten. Sie können nicht ewig gegen die eigenen Leute kämpfen. Irgendwann werden sie sich fragen, ob der Wille des Volkes nicht stärker ist als die Befehle von oben. Und dann ist das Regime am Ende.