Mega-Inzidenz an Schulen: Druck auf Schulsenator Rabe wächst
Die Inzidenz unter den 10- bis 19-Jährigen liegt in Hamburg bei 2.015 (Stand 16. Januar), in einigen Klassen sind kaum noch die Hälfte der Schüler anwesend, immer mehr Lehrkräfte melden positive Testergebnisse, trotzdem hält der Senat an der Präsenzpflicht fest. Schulleitungen, Lehrer und Eltern fordern immer lauter einen Plan B. Schulsenator Ties Rabe (SPD) gerät unter Druck. Es gibt aber auch Unterstützung für seinen Kurs. Lesen Sie mehr mit MOPO+ – jetzt vier Wochen lang testen für nur 99 Cent!
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Die Inzidenz unter den 10- bis 19-Jährigen liegt in Hamburg bei 2.015 (Stand 16. Januar), in einigen Klassen sind kaum noch die Hälfte der Schüler anwesend, immer mehr Lehrkräfte melden positive Testergebnisse, trotzdem hält der Senat an der Präsenzpflicht fest. Schulleitungen, Lehrer und Eltern fordern immer lauter einen Plan B. Schulsenator Ties Rabe (SPD) gerät unter Druck. Es gibt aber auch Unterstützung für seinen Kurs.
Fast jeder, der Kinder an einer Hamburger Schule hat, kennt derzeit auch infizierte Mitschüler, hört von Lehrerinnen in Quarantäne oder hat selbst Sohn oder Tochter mit positivem Testergebnis zu Hause. Omikron rollt derzeit durch Schulen und Kitas: Neun Kitas mussten am Mittwoch geschlossen werden, wie die Gesundheitsbehörde mitteilt. In 36 Kindertagesstätten seien eine Gruppe oder mehrere Gruppen aufgrund von Infektionsfällen geschlossen.
Schulen bleiben trotzdem offen, Kinder in Quarantäne bleiben ohne Unterricht. Der Schulsenators stößt mit diesem Kurs bei vielen Eltern und Schulleitungen auf Unverständnis, er weiß aber auch hochkarätige Unterstützer hinter sich: Einen offenen Brief an die Bundespolitik unter dem Titel „Quarantäneregeln dürfen nicht zu Schulschließungen durch die Hintertür führen“ haben zahlreiche Mediziner unterschrieben, auch der Hamburger Virologe Prof. Dr. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit. Absender ist die „Initiative Familien.“
Omikron: Schulleiter fühlen sich allein gelassen
Gudrun Wolters-Vogeler, Hamburger Schulleiterin und Vorsitzende des Deutschen Schulleitungsverbandes, ist auch eine Verfechterin des Präsenzunterrichtes, sieht Rabes Politik kritisch: „Präsenz ist die bestmögliche Bildungsform, aber wir brauchen auch einen Plan B.“ Was die Schulleiter fordern, ist ein klarer Stufenplan: „Wir müssen wissen, ab welcher Quote von Schülern und Lehrkräften in Quarantäne der Präsenzunterricht nicht mehr sinnvoll ist.“
Derzeit fühlen Hamburgs Schulleitungen sich mit allen Entscheidungen allein gelassen, wenn sie morgens erfahren, wie viele Kollegen sich krank gemeldet haben, wie viele Schüler:innen als Infizierte in Isolation oder als Kontaktperson in Quarantäne müssen. Für jede Entscheidung ist die Rücksprache mit der Schulaufsicht vonnöten. „Wir brauchen einen Handlungsspielraum, innerhalb dessen wir uns rechtssicher bewegen können“, so Gudrun Wolters-Vogeler zur MOPO: „Das ist auch wichtig in der Kommunikation mit den Eltern.“
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Vorbild könnte Mecklenburg-Vorpommern sein, das einen Drei-Stufen-Plan für Schulen entwickelt hat. Seit Anfang des Jahres können Schulleitungen selbständig entscheiden, wie sie den Unterricht für ihre Schüler:innen organisieren, je nachdem, wie hoch der Krankenstand unter den Lehrkräften ist. Präsenzunterricht hat Priorität, aber wenn es anders nicht geht, besteht auch die Möglichkeit des Homeschooling.
Das Modell Meck-Pomm kommt für Hamburg aber nicht in Frage, wie Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, erklärt: „Diese Kopplung bestimmter Maßnahmen an bestimmte Werte ist untauglich. Die Werte können am nächsten Tag schon wieder obsolet sein.“ Stattdessen hätten Hamburgs Schulleitungen einen hohen Entscheidungsspielraum: „Das Gymnasium Hochrad etwa streamt den Unterricht für abwesende Schüler. Natürlich muss das mit der Schulaufsicht abgesprochen werden, ist aber kein Problem.“
Die galoppierenden Inzidenzen an Schulen seien – zumindest derzeit – kein Grund, die Präsenzpflicht auszusetzen: „Eine 2000er Inzidenz an Schulen ist nicht mit einem hohen Risiko für Einzelpersonen verbunden“, so Albrecht.
Steigende Infektionszahlen: Lehrergewerkschaft fordert Konzept
Auch die Lehrergewerkschaft GEW, die die Bestrebungen, die Schulen mit aller Kraft offen zu halten „grundsätzlich richtig“ findet, fordert die Schulbehörde auf, angesichts der nie da gewesenen Infektionszahlen durch Omikron ein verlässliches Konzept vorzulegen, ab welchen Punkt vom Präsenz- in den Wechsel- und letztendlich in den Distanzunterricht gewechselt wird. GEW-Sprecher Dr. Fredrik Dehnerdt: „Es ist Aufgabe der Schulbehörde, dort regelnd einzugreifen, das kann nicht in der Verantwortung einzelner Schulleitungen liegen.“
Nach zwei Jahren Pandemie, so die GEW-Kritik, fahren Hamburgs Schulen immer noch auf Sicht: „Senator Rabe muss eine Exitstrategie vorlegen“, sagt Dehnerdt.
Eltern sind gespalten beim Thema Schulschließungen
Heiko Habbe, Vater und Mitglied der Eltern-Initiative „Sichere Bildung Jetzt“, zeigt sich fassungslos angesichts der Infektionszahlen: „Als Sachsen diese Inzidenzen hatte, waren alle aufgeregt, aber an den Schulen nimmt man das so hin und erwartet, dass die Kinder sich mit 30 anderen Personen in einen Raum setzen – was kein Erwachsener in der Situation machen würde.“ Auch viele Eltern fordern einen Notfallplan. Habbe: „Wenn Eltern ihre Kinder derzeit nicht zur Schule schicken, um sie vor Ansteckungen zu schützen, gilt das als Schwänzen. Das ist doch fahrlässig.“
Die Gegenposition nimmt Stevie Schmiedel, Genderforscherin und Mutter zweier schulpflichtiger Töchter ein: „Ich bin geschockt, wie viel über Inzidenzen gesprochen wird und wie wenig über die psychischen Belastungen und die Bildungsrückstände durch Schulschließungen.“ Eine Haltung, für die sie in den Sozialen Netzen viel Gegenwind erfährt.