Erotik-Papst im Interview: „Ein Dickpic ist nicht der beste Start in ein Gespräch“
Er kennt jeden Sex-Fetisch der Deutschen: Dr. Ingmar Ackermann lebte jahrelang in Hamburg und ist Geschäftsführer von Joyclub, der größten deutschen Plattform für Sex und Erotik. Mit der MOPO sprach er über anstößige Sexpraktiken, die Trends der Swingerszene und seinen Versuch, den Männern Dickpics abzugewöhnen.
Er kennt jeden Sex-Fetisch der Deutschen: Dr. Ingmar Ackermann lebte jahrelang in Hamburg und ist Geschäftsführer von Joyclub, der größten deutschen Plattform für Sex und Erotik. Mit der MOPO sprach er über anstößige Sexpraktiken, die Trends der Swingerszene und seinen Versuch, den Männern das Versenden von Dickpics abzugewöhnen.
MOPO: Herr Ackermann, wie unterscheidet sich Joyclub von herkömmlichen Porno-Seiten?
Ingmar Ackermann: Ein steiler Einstieg, aber gern! Was den Joyclub von herkömmlichen Porno-Seiten unterscheidet, ist, dass Joyclub ein Safespace ist. Also ein geschützter Raum, in dem Mitglieder ihre Sexualität positiv und bewusst gestalten können. Wer Teil der Community sein will und Fotos wie Videos hochladen möchte, braucht ein Profil.
Werden die Bilder und Videos kontrolliert?
Täglich laden Mitglieder über 10.000 Fotos und Videos hoch, die geprüft werden. Das ist natürlich ein großer Aufwand, aber bei so einem sensiblen Thema sehr wichtig. 30 Mitarbeitende sind für die Prüfung von Fotos und Videos und die Bearbeitung allgemeiner Anfragen und Beschwerden zuständig. Und da es sicherlich kein alltäglicher Job ist, haben wir für diese Kollegen und Kolleginnen ein psychologisches Angebot, um bei Bedarf über Gesehenes sprechen zu können.
Wo ziehen Sie Grenzen beim gezeigten Content?
Der Gesetzgeber setzt hier klare Grenzen, die natürlich auch bei uns gelten, und zudem haben wir zusätzliche Regeln für sexuelle Praktiken etabliert. In der Prüfung achten wir darauf, dass gezeigte Inhalte legal sind – also weder Kinder, noch Minderjährige oder verbotene Symbole gezeigt und die Rechte Dritter gewahrt werden. Auch die Mitglieder reagieren sehr sensibel und weisen auf mögliche Verstöße hin. In der Community gilt, wer sich gegen gesetzliche Vorgaben oder unsere Regeln stellt, wird gesperrt.

Was für Sexpraktiken verstoßen denn gegen Ihre Regeln?
Als sexpositive Community sind wir offen für ganz unterschiedliche Fetische und sexuelle Praktiken. Dennoch haben wir für uns entschieden, dass es einen Grenzbereich gibt, der allgemein als anstößig betrachtet werden kann. Dabei handelt es sich um eher außergewöhnliche sexuelle Praktiken, die körperverletzend oder gesundheitsgefährdend sind, wie beispielsweise Fäkalien.
Für wen ist das Portal nun eigentlich gedacht, wer sind die Mitglieder?
Unsere Mitglieder stellen einen Querschnitt der Gesellschaft dar und bieten ein Bild, das genauso vielfältig und bunt ist: Singles, Paare, von der Studentin bis zum Rentner, vom Facharbeiter zur Chefärztin, Männer, Frauen, Transpersonen, nicht binäre Menschen. Wichtig ist nur, dass sie volljährig sind. Inzwischen zählt Joyclub fast fünf Millionen registrierte Mitglieder. Wenn man das auf die Bevölkerung in Deutschland zwischen 18 und 65 Jahren herunterbricht, dann kommt man ungefähr auf eine Zahl von sechs Prozent aller Deutschen in dieser Altersspanne, die ein Profil im Joyclub haben oder hatten. Wir sind also gesellschaftlich durchaus relevant.
Sind auch Zuhälter und Prostituierte Teil des Netzwerks?
Nein, Sex gegen Geld hat keinen Platz. Joyclub ist eine Plattform, auf der sich Menschen mit dem Thema Sexualität unabhängig von sexuellen Dienstleistungen beschäftigen können. Das ist ein starkes Alleinstellungsmerkmal und auch ein Aspekt des Safespace. Dazu gehört auch noch, dass wir sicherstellen, dass es keine Fake-Profile gibt und die Daten unserer Mitglieder geschützt sind – wir sind TÜV-zertifiziert.
Wie beschreiben Sie Joyclub jemandem, der noch nie davon gehört hat?
Joyclub ist wie Facebook, nur für Erotik. Die Menschen registrieren sich bei uns, weil sie sich zu Sex und Erotik informieren und inspirieren lassen und neue Erfahrungen sammeln möchten. Sie wollen sich austauschen, aber natürlich auch andere Mitglieder treffen – privat, in Clubs oder auf Veranstaltungen. Kurz: Der gemeinsame Nenner im Joyclub ist das Bekenntnis zur eigenen Sexualität.
Warum braucht es eine solche Kontaktbörse?
Die Nachfrage ist groß. Von den fast fünf Millionen Mitgliedern sind mehr als vier Millionen alleine im deutschsprachigen Raum registriert. Joyclub wird oft mit anderen Plattformen in einen Topf geworfen, aber unser Angebot geht weit über das der Konkurrenz hinaus. Seit kurzem produzieren wir im Bereich Sex Education sogar eigene Kurse zum Thema weibliche Lust, Spanking oder Squirting. Das Gute ist: Wir können sehr lebensnah und explizit sein. Wir müssen also keine Banane in die Kamera halten, sondern können die Dinge zeigen, wie sie sind.
Zurückgeschaut, wie entstand die Idee zu Joyclub?
Joyclub entstand 1999 aus einer Laune heraus. Es wurde ein Internetforum erstellt, in dem sich die Menschen auch über Sexualität ausgetauscht haben. Zunächst war es vor allem eine Anlaufstelle für die Swinger-Community in Deutschland, die hier ja sehr ausgeprägt ist. Seit 2005 gibt es den Joyclub in seiner heutigen, moderierten Form und seitdem entwickeln wir ihn stetig weiter.
Wie unterscheiden sich denn die sexuellen Vorlieben der Deutschen im Vergleich zu denen ihrer Nachbarn?
In Deutschland gibt es eine so aktive Swingerszene wie nirgendwo anders auf der Welt. Auch die Dichte an Swingerclubs ist so hoch wie in keinem anderen Land. Das ist ein Phänomen, aber es verändert sich. Gerade jüngere Mitglieder im Joyclub haben eher weniger Interesse an klassischen Swingerclubs. Wir sehen hier eine Veränderung der Veranstaltungsformate hin zu kinky Events, frivolen Partys und auch Veranstaltungen, die nicht so explizit auf den sexuellen Akt ausgelegt sind und einen sanfteren Einstieg in das bunte, lustvolle Leben auf dem Weg zu einer erfüllten Sexualität ermöglichen.

Bei Joyclub geht’s auch explizit um Sex. Wie verhindern Sie Übergriffe durch unerwünschte Dickpics in der Community?
Dickpics sind ein Phänomen, das alle sozialen Netzwerke betrifft, so auch uns. Um die Mitglieder zu schützen, haben wir einen Mechanismus geschaffen. Der Dickpic-Filter funktioniert so, dass man ein Foto von einer unbekannten Person verblurred angezeigt bekommt. Was sich dahinter verbergen könnte, ist nur zu erahnen. Wer Sorge hat, dass es sich um ein unerwünschtes Genital handelt, kann das Foto direkt an den Community Support melden. Die Mitarbeitenden klären auf, dass es sich um eine Straftat handelt.
Reicht das?
Wir sensibilisieren zudem die männlichen Mitglieder im Joyclub, dass das unaufgeforderte Versenden von Dickpics nicht erwünscht ist. Denn manche glauben, es sei der beste Start für ein erfolgreiches Gespräch. Wenn Mann ein Foto verschickt, geben wir Hinweise: Bist du sicher, dass du dieses Foto verschicken willst? Ist es das erste Foto, dass du schickst? Und wir geben eine Art Anleitung, wie man ein Gespräch sinnvoll eröffnet – definitiv nicht mit einem Dickpic.
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Noch eine abschließende Frage: Als Sie Ihren Freunden erzählten, dass Sie für die Plattform arbeiten – wie haben die reagiert?
Sehr interessiert, meist mit großer Neugier. Jedenfalls nicht mit Entsetzen. Das Thema Sexualität ist dank zunehmender Aufklärung und Bildung weniger tabuisiert. Insbesondere die letzten zehn Jahre sind durch Bücher wie Fifty Shades of Grey, die zunehmende Selbstverständlichkeit von Sextoys und den quasi alltäglichen Besuch im Sexshop prägend. Und ich bin überzeugt, dass der Joyclub mit seinen 18 Jahren bestimmt auch seinen Beitrag dazu geleistet hat.