Der Kampf von Rot-Grün gegen die Geistercity
Sie hatten sich so viel vorgenommen. „Die Koalitionspartner sind sich einig, die Innenstadt städtebaulich weiter aufzuwerten, öffentliche Flächen, Plätze und Straßenräume noch attraktiver zu gestalten“, schrieben SPD und Grüne im Juni 2020 in ihren Koalitionsvertrag. „Ziel soll es sein, die Lebens- und Aufenthaltsqualität deutlich zu verbessern und den Einzelhandel zu stärken.“ Doch die Realität sieht anders aus.
Sie hatten sich so viel vorgenommen. „Die Koalitionspartner sind sich einig, die Innenstadt städtebaulich weiter aufzuwerten, öffentliche Flächen, Plätze und Straßenräume noch attraktiver zu gestalten“, schrieben SPD und Grüne im Juni 2020 in ihren Koalitionsvertrag. „Ziel soll es sein, die Lebens- und Aufenthaltsqualität deutlich zu verbessern und den Einzelhandel zu stärken.“ Doch die Realität sieht anders aus: Zweieinhalb Jahre später verödet Hamburgs City im Eiltempo, Einzelhandel und Gastronomie klagen über brutale Umsatzverluste und fordern von Hamburg schnelles Handeln.
Im Herbst 2019 hatten zuerst die Grünen das Thema City-Belebung zum Wahlkampfthema hochgejazzt. „Wir möchten das Herz unserer Stadt attraktiver machen“, sagte Vize-Bürgermeisterin Katharina Fegebank, die gemeinsam mit dem heutigen Verkehrssenator Anjes Tjarks ein Konzept entwickelt hatte, die City zu einem Publikumsmagneten zu machen. Mehr Außengastronomie, mehr Plätze mit Aufenthaltsqualität, mehr Wohnungen, mehr Radfahrstreifen, weniger Autos und weniger Büroräume sollten die Innenstadt in einen lebendigen Ort verwandeln.
Die SPD spendete Applaus – auf ihre Weise. Sie schrieb das grüne City-Konzept nahezu ab und präsentierte es als eigene Idee. Bei so viel rot-grüner Einigkeit fand sich die Revitalisierung der Innenstadt dann ausführlich im Koalitionsvertrag wieder.
Pandemie und Trend zum Online-Shopping hat Hamburgs City voll erwischt
Bereits sichtbar ist heute die Umgestaltung der Haupteinkaufsstraßen: Im Oktober 2020 wurde der Jungfernstieg für den motorisierten Individualverkehr gesperrt und ist weitgehend autofrei. Auch die Mönckebergstraße wurde umgebaut, der Busverkehr in die Steinstraße ausgelagert. Doch alles, was sonst noch geplant war, um die City-Zone in einen Wohlfühlraum umzugestalten, ist kaum sichtbar, eine einheitliche Handschrift nicht zu erkennen. Dass den „Einzelmaßnahmen“ ein Gesamtkonzept für die Innenstadt fehle, beklagt deshalb nicht nur die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling.
Ein solches Konzept fordert der Handel vehement. Denn die Pandemie und der dadurch beschleunigte Trend zum Online-Shopping hat Hamburgs City voll erwischt, die gegenwärtige Kaufzurückhaltung aufgrund der galoppierenden Inflation tut ein Übriges. Das City-Bild prägen heute geschlossene Läden und Warenhäuser – wie die beiden ehemaligen Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen in der Mönckebergstraße – und leergefegte Einkaufspassagen.

Der Umsatz im innerstädtischen Non-Food-Handel liegt fast 20 Prozent unter dem Niveau von 2019. „In der Innenstadt herrscht Handlungsbedarf. Jetzt geht es darum, in die Umsetzung konkreter Projekte zu kommen“, drängt die Hamburger Handelskammer auf Veränderung.
Weil es bislang kaum vorangeht mit der City-Revitalisierung, setzte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vergangenen Juni die Stadtplanerin Elke Pahl-Weber als Innenstadtkoordinatorin ein. Sie soll nun Ansprechpartnerin für Verbände und Interessengruppen sein. Ein runder Tisch wurde eingerichtet, der ein neues „Leitbild“ für die City entwickeln soll. Doch das dauert. Bis zum Ende der Legislaturperiode wird das neue Gremium kaum Impulse setzen können.
Das könnte Sie auch interessieren: Abendessen-Affäre um ihren Ex: Was wusste Justizsenatorin Anna Gallina?
Die Stadtentwicklungs- und die Verkehrsbehörde verweisen darauf, dass ein großer Wurf eben Zeit brauche. Planungen müssten vorangetrieben, Beteiligungsverfahren auf den Weg gebracht und Bundesmittel beantragt werden. „Bei all unseren Konzepten ist es uns wichtig, die Innenstadt-Akteure und den Handel intensiv einzubeziehen“, betont Anjes Tjarks. Der Verkehrssenator träumt unverdrossen davon, dass „unsere Innenstadt mehr bietet: Aufenthaltsqualität, Platz zum Flanieren und Verweilen, Begegnungen, neue Räume für Kultur und Events“. „Es gibt aber keine Strategien, wie diese Ziele realisiert werden. Reden allein hilft nicht, es muss mehr getan werden und das unverzüglich“, macht Anke Frieling Dampf.
Zentral sei es, das hat auch Tjarks erkannt, „zur Belebung der Innenstadt mehr Wohnraum zu schaffen“. Doch die Umwandlung von Einzelhandelsimmobilien in Wohnungen erweist sich aufgrund von Brandschutz- und Dämmungsvorschriften als extrem schwierig. So vermutet Elke Pahl-Weber, dass bei 1000 bis 1200 weiteren Wohnungen in der City „das Limit erreicht sei“. Nicht einmal die sind in Sicht. Frieling: „Es muss endlich klar definiert werden, wie viel mehr Wohnungen entstehen müssen.“
So hakt es an allen Ecken und Enden. Den Kampf gegen die Verödung der City – Hamburg droht ihn zu verlieren.