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Philipp F. hatte im März 2023 ein Blutbad in den Räumen der Zeugen Jehovas in Alsterdorf angerichtet.
  • Philipp F. hatte im März 2023 ein Blutbad in den Räumen der Zeugen Jehovas in Alsterdorf angerichtet.
  • Foto: picture alliance/privat/Bearbeitung: MOPO

Amoklauf bei Zeugen Jehovas: Ermittlungen gegen Waffenprüfer eingestellt

Knapp ein Jahr nach dem Amoklauf in Hamburg-Alsterdorf hat die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen drei Mitglieder des Prüfungsausschusses eingestellt. Sie hatten dem späteren Täter Philipp F. ein Sachkundezeugnis ausgetellt. Das gab die Behörde am Mittwoch bekannt.

Eine der schlimmsten Straftaten der Nachkriegszeit in Hamburg wurde mit einer legal erworbenen Waffe begangen: Am 9. März 2023 stürmte Philipp F. den Gemeindesaal der Zeugen Jehovas in Alsterdorf und eröffnete das Feuer. Sieben Menschen – darunter ein ungeborenes Kind – starben, schließlich richtete F. die halbautomatische Pistole gegen sich selbst.

Schon kurz nach der Tat stellte sich heraus, dass Hinweisen auf eine psychische Instabilität des späteren Täters nicht oder nur unvollständig nachgegangen worden war. Und auch bei der Ausstellung der Waffenbesitzkarte, die es F. möglich machte, die Tatwaffe und große Mengen Munition legal zu erwerben, gab es Ungereimtheiten.

Amoklauf in Hamburg: Ermittlungen gegen Waffenprüfer eingestellt

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg ermittelte gegen drei Mitglieder des am Hanseatic Gun Club tätigen Prüfungsausschusses, die Philipp F. das Sachkundezeugnis ausgestellt hatten. Knapp ein Jahr nach der Tat gab die Behörde am Mittwoch bekannt: Die Ermittlungen wurden eingestellt.

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Begründung: Die Schuld der drei Männer wäre „als gering anzusehen“. Zudem bestehe „kein öffentliches Strafverfolgungsinteresse (mehr)“. Laut Staatsanwaltschaft seien die Beschuldigten zwar in bis zu elf Fällen der Falschbeurkundung im Amt verdächtig, nicht nur im Fall Philipp F., sondern auch bei weiteren Sachkundeprüfungen.

Jedoch sei die Ausstellung des Zeugnisses an Philipp F. nicht „rechtlich falsch“ gewesen. Trotz vieler Verfahrensfehler habe die Untersuchung „keinerlei Anzeichen dafür“ ergeben, „dass Sachkundezeugnisse wider besseres Wissen, mithin in Kenntnis einer tatsächlich nicht vorhandenen Sachkunde, erteilt wurden“.

Amokläufer Philipp F.: Viele Verfahrensfehler in der Sachkundeprüfung

Diese Verfahrensfehler dokumentiert die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung vom Mittwoch ausführlich: Unter anderem habe Philipp F. den praktischen Teil der Sachkundeprüfung am offiziellen Prüfungstag im April 2022 nicht bestanden.

Eine „Nachprüfung“, die einer der Beschuldigten sechs Monate später mit Philipp F. in den Räumen des Hanseatic Gun Clubs durchgeführt habe, sei der Waffenbehörde nicht offiziell gemeldet worden. Zudem wurde das Ergebnis dem Vorsitzenden des Ausschusses nur per WhatsApp mitgeteilt, dokumentiert wurden die Schießergebnisse nicht.

Zudem wurde das Sachkundezeugnis für Philipp F. bereits vor Beginn der ersten Prüfung von den drei Beschuldigten unterschrieben – ausgehändigt wurde es ihm aber erst Anfang November 2022. Am 6. Dezember erhielt F. daraufhin eine Waffenbesitzkarte, die es ihm erlaubte, die bereits im Januar über den Hanseatic Gun Club erworbene Pistole aus den Vereinsräumen mit nach Hause zu nehmen. Außerdem konnte er nun ganz legal große Mengen Munition kaufen.

„Die Eintragung der Pistole in der Waffenbesitzkarte erfolgte am 12. Dezember 2022. An diesem Tag besuchte F. auch zum letzten Mal den HGC“, heißt es dazu weiter von der Staatsanwaltschaft. Knapp drei Monate später betrat Philipp F. die Räume der Zeugen Jehovas an der Deelböge und eröffnete das Feuer.

Amoklauf bei Zeugen Jehovas: Waffenbehörde kontrollierte Prüfungausschuss nicht

Insgesamt zeigten die aufgededeckten Fehler der Beschuldigten „zwar zum Teil erhebliche Verstöße gegen die Vorschriften der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung“, strafrechtlich relevant seien sie jedoch nicht. Zudem sei aufgrund „komplexer, teils in sich widersprüchlicher, andererseits wiederum fehlender gesetzlicher Vorgaben zum genauen Ablauf der Sachkundeprüfung“ fraglich, dass die drei Männer sich überhaupt eines Unrechts bewusst waren.

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Ihre falschen Angaben „beruhten überwiegend auf pragmatischen Gründen“. So sei die gemeinsame Unterschrift schon vor Beginn der Prüfung als Arbeitserleichterung gesehen worden, weil sie einen weiteren Präsenztermin vermieden habe. Erwähnung findet darüber hinaus auch die Waffenbehörde: Sie habe es „offenbar aus Kapazitätsgründen“ versäumt, die Prüfungsunterlagen zu kontrollieren oder sich als weiterer Beisitzer im Prüfungsausschuss ein Bild von der Einhaltung der Vorschriften bei den Sachkundeprüfungen zu machen.

Diese Kritik an der Waffenbehörde griff die Linke auf und nannte sie ein „desaströses Zeugnis“: Die Waffenbehörde habe offenbar „keinerlei Verantwortung für die ihnen obliegende Fachaufsicht über die Prüfungen von Waffenerlaubnissen gezeigt und auf diese Weise völlig irreguläre Prüfungsabläufe ermöglicht.“

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