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  • Sie haben das Start-Up gegründet: Daniela Arango Ospina (29, v.li), Wienke Reynolds (35) und Joana Gil (35).
  • Foto: Florian Quandt

Ein braunes Holzpulver als Wundermittel: Diese Frauen wollen einen Schatz heben

Vormittags, im Start-Up-Hub der Technischen Uni in Harburg: Wienke Reynolds stellt eine Dose mit einem feinen brauen Pulver auf den Tisch. Es ist so fein, dass es fast staubt. Und es riecht ein bisschen nach Nadelholz. Jahrelang haben Reynolds und ihre Kolleginnen schon daran getüftelt. Denn so unspektakulär das Pulver auch wirkt – dahinter steckt ein wahrer Alleskönner.

„Es gibt da diesen Rohstoff, von dem Millionen von Tonnen im Jahr produziert werden, und es gibt so viel Forschung wie er verwendet werden kann”, sagt Joana Gil. „Aber im Supermarkt kann man keine Produkte daraus kaufen. Da muss etwas passieren.” Die 35-Jährige sitzt mit ihre Kolleginnen Wienke Reynolds und Daniela Arango Ospina an einem großen Tisch in einem Meetingraum. Eigentlich kam die Biotechnik-Ingenieurin aus Mexiko für ihre Promotion an die TU Hamburg – und lernte dort ihre beiden Partnerinnen kennen, mit denen sie 2019 das Start-Up Lignopure gründete. Mittlerweile arbeiten hier zwölf Menschen.

Unbekannter Rohstoff: Was Lignin alles kann

Der Rohstoff, von dem sie spricht, macht Holz fest, schützt es vor Sonne oder Oxidation: Das komplexe Molekül Lignin. Man findet es in Bäumen, Sträuchern, Bambus oder Gräsern wie Stroh oder Zuckerrohr – und ist als zweithäufigster pflanzlicher Rohstoff der Welt massenhaft verfügbar. Weil Lignin Papier vergilben würde, wird es in der Papierindustrie aber zu Abfall. Meist wird es verbrannt, um Energie zu gewinnen.

Dabei könnte man den natürlichen Rohstoff ganz anders nutzen: Richtig aufbereitet kann seine Schutzfunktion auch in Hautpflege und Kosmetika wirken. Auch in Textilien, veganem Leder, Kunststoffen, Düngemitteln und sogar in Dämmstoffen oder Asphalt kann er verwendet werden.

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Ein Abfallprodukt aus der Industrie kaufen, es aufbereiten und als Inhaltsstoff für andere Produkte weiterverkaufen – die Idee hinter Lignopure klingt zwar trivial, doch so einfach ist es nicht, versichert Reynolds. „Die Struktur von Lignin ist sehr komplex und heterogen. Es kommt auf die genaue Aufbereitung an, damit man es für die jeweiligen Produkte nutzen kann”, erklärt die Bioverfahrenstechnikerin. Zudem sind weder Kunden noch Industrie mit ihm vertraut. „Wir müssen sehr viel Aufklärungsarbeit leisten und das Netzwerk erst aufbauen.”

Start-Up Lignopure: Bald soll neuer Sonnenschutz kommen

Die drei Wissenschaftlerinnen tüftelten fast zehn Jahre an der Technologie. Sie haben sich auf Hautpflege spezialisiert, zuerst auf Sonnenschutz. Nun sind sie mit fast 50 Kosmetikkonzernen und Start-Ups im Gespräch. Wenn alles gut läuft, sollen die ersten Produkte nächstes Jahr auf den Markt kommen. Zusätzlich verkauft Lignopure seine Technologie aber auch an andere Industrien.

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Der Wermutstropfen: Die energieintensive Papierindustrie gilt nicht gerade als umweltfreundlich. So kommt der Rohstoff mit CO2 im Gepäck. Die drei Gründerinnen glauben trotzdem an den Sinn von Lignin – auch für die Umwelt. Der Stoff sei immerhin schon als Abfallprodukt vorhanden und muss nicht extra angebaut werden. „Wenn wir schon etwas aus der Natur nutzen, sollten wir wirklich alles verbrauchen“, findet Gil. Zudem können schädliche oder fossile Stoffe durch das natürliche Lignin ersetzt werden. Chemische UV-Filter in Sonnencremes zum Beispiel. Oder Erdöl in Plastik.

Bis der Stoff im großen Stil in der Industrie verwendet wird, steht aber noch viel Arbeit an, so Reynolds. Das zeigt sich auch in Buxtehude: Die Produktionsanlage des Start-Ups kann zwar 90 Tonnen im Jahr des feinen Pulvers herstellen. Noch laufen die Maschinen aber nicht auf Hochtouren, denn die Menge verkauft Lignopure noch lange nicht. Doch die drei Unternehmerinnen denken groß: In zehn Jahren wollen sie ihren Stoff in vielen Kosmetikprodukten wiederfinden – und dass Lignin im Alltag der Menschen angekommen ist.

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