Ex-Coach Schweinsteiger mit Ansage vor HSV-Duell: „Wir haben nichts zu verlieren“
Diese Pleite war schmerzhaft – auch für ihn. Nicht so sehr zwar wie die 1:5-Blamage des HSV gegen Sandhausen am letzten Spieltag jener Saison, in der Tobias Schweinsteiger noch Co-Trainer im Volkspark war. Doch das 0:7 bei Hannover 96 war annähernd qualvoll für den VfL Osnabrück und seinen Chefcoach, der den zweiten Nicht-Aufstieg des HSV im Mai 2020 miterlebt hatte. In der MOPO spricht Schweinsteiger über sein Jahr in Hamburg, verflogene Aufstiegseuphorie in Osnabrück, über den Mythos Bremer Brücke – und er verrät, wie der VfL dem HSV am Freitag wehtun will.
Diese Pleite war schmerzhaft – auch für ihn. Nicht so sehr zwar wie die 1:5-Blamage des HSV gegen Sandhausen am letzten Spieltag jener Saison, in der Tobias Schweinsteiger noch Co-Trainer im Volkspark war. Doch das 0:7 bei Hannover 96 war annähernd qualvoll für den VfL Osnabrück und seinen Chefcoach, der den zweiten Nicht-Aufstieg des HSV im Mai 2020 miterlebt hatte. In der MOPO spricht Schweinsteiger über sein Jahr in Hamburg, verflogene Aufstiegseuphorie in Osnabrück, über den Mythos Bremer Brücke – und er verrät, wie der VfL dem HSV am Freitag wehtun will.
MOPO: Herr Schweinsteiger, Sie wollten nach dem 0:7 in Hannover noch nicht über den HSV sprechen, erst einmal die Niederlage verkraften und aufarbeiten. Ist die Pleite inzwischen abgehakt – oder ist das bei dieser Höhe unmöglich?
Tobias Schweinsteiger (41): Es war sehr wichtig, dass wir die Pleite intern lange und ausführlich aufgearbeitet haben – und dass wir wissen, warum uns diese krassen individuellen Fehler passiert sind. Es ist nicht so, dass wir 90 Minuten lang an die Wand gespielt wurden. Wir haben fünf Gegentore selbst aufgelegt und waren mit einer Rote Karte dezimiert. Wir haben uns schon in den Spielen zuvor selbst um die Punkte gebracht – und in Hannover ist uns das extrem auf die Füße gefallen. Jetzt konzentrieren wir uns aber auf Hamburg.
Osnabrück-Trainer Schweinsteiger hat Debakel in Hannover abgehakt
Nach sechs Spielen steht Ihr Team mit einem Punkt am Tabellenende. Warum konnte die Aufstiegseuphorie nicht mit in die neue Saison genommen werden?
Die hätten wir sehr gerne mitgenommen. Aber man muss schon sehen, dass aus unserer Aufstiegsmannschaft vier Spieler weggebrochen sind. Drei Stammspieler sind weggegangen, unser Kapitän (Timo Beermann, d. Red.) hat sich verletzt. Das ist für uns nicht leicht aufzufangen, besonders nicht in einer neuen Liga. Auch in den bisherigen Spielen hatten wir wenig positive Momente, die uns diese Euphorie vielleicht zurückgebracht hätten. Die Aufstiegseuphorie müssen wir jetzt abhaken. Es geht darum, die positiven Momente zurückzugewinnen und uns daran hochzuziehen. Wir müssen uns wehren, auch wenn es negativ läuft. Schon gegen den HSV wird uns alles abverlangt werden.

Abgesehen von dem 0:7 in Hannover waren die Ergebnisse immer knapp. Zeigt das, dass die Zweite Liga eben nicht zu groß ist für den VfL Osnabrück?
Wenn man unseren Etat und unsere Möglichkeiten im Vergleich zu den anderen Vereinen sieht, müsste man sagen, dass die Zweite Liga für uns zu groß ist. Trotzdem ist es Fußball. Wir haben es verdient, in dieser Liga dabei zu sein. Die fünf Liga-Partien und auch das Pokalspiel gegen Köln waren alle knapp. Dass wir uns deutlich mehr Punkte erhofft haben, steht außer Frage – aber wir wissen, dass wir in dieser Liga nur um den Klassenerhalt spielen.
Jetzt kommt am Freitag der HSV an die Bremer Brücke. Der richtige Gegner zum richtigen Zeitpunkt?
Wenn wir das Spiel gewinnen, war es der richtige Gegner zum richtigen Zeitpunkt (lacht). Wir brauchen nicht drumherum zu reden: Der HSV spielt jetzt das sechste Jahr in der Zweiten Liga, die dritte Saison unter Tim Walter. Die Mannschaft wurde erneut extrem verstärkt, hat enorme individuelle Qualität und Eingespieltheit. Das wird extrem schwer. Trotzdem wissen wir, wie der HSV spielt, was ihn stark macht, aber auch welche Schwächen er hat. Wir werden hart arbeiten müssen, um ihre Stärken aus dem Spiel zu nehmen. Es kommt viel auf unsere Einstellung an – aber wir werden auch Glück brauchen, offensiv wie defensiv.
Schweinsteiger fand Jahr beim HSV „extrem wichtig“
Hat Ihre Mannschaft am Freitag etwas zu verlieren?
Nein, gar nichts. Wir haben nur etwas zu verlieren, wenn wir uns aufgeben wie in Hannover nach dem 0:3. Ansonsten haben wir nichts zu verlieren.
Sie treffen auf Ihren Ex-Verein, waren in der Saison 2019/20 Co-Trainer beim HSV. Wie bewerten Sie diese Station in Ihrer Trainer-Karriere rückblickend?
Wir waren alle enttäuscht nach dem Nicht-Aufstieg und darüber, dass wir es nicht geschafft haben, in der Rückrunde an die Leistungen aus der Hinrunde anzuknüpfen. Die Corona-Situation hat uns auch aus dem Flow gebracht. In den letzten neun Spielen lief vieles gegen uns. Ich habe für mich sehr viel mitgenommen, was allein den Umgang mit Medien, dem Aufsichtsrat oder dem großen Staff angeht. Auch, wie es ist, mit Eitelkeiten in einem Kader umzugehen. Das war für mich extrem wichtig in dem Jahr.
Schmerzt der verpasste HSV-Aufstieg am Ende der Saison 2019/20 auch in Ihnen noch immer?
Das ist abgehakt. Aber wenn man im Sport Ziele hat und die nicht erreicht, dann ärgert einen das extrem. Dann sucht man auch die Fehler bei sich und fragt sich, was man besser hätte machen können. Uns allen tat es damals sehr leid für die Fans und die Stadt, dass wir den Aufstieg nicht geschafft haben. Aber das ist im Sport so. Man muss mit Misserfolg umgehen und die richtigen Schlüsse draus ziehen – so, wie es der HSV getan hat.
Schweinsteiger glaubt an HSV-Aufstieg in dieser Saison
Trotzdem spielt HSV mehr als drei Jahre später noch immer in der Zweiten Liga. Hätten Sie das für möglich gehalten?
Nein. Eigentlich denkt man jedes Jahr: Der HSV steigt auf. Jetzt war er zweimal nah dran in der Relegation. Ich glaube trotzdem, dass es dieses Jahr so weit sein wird.
Nach der Saison 2019/20 beim HSV wechselten Sie zum 1. FC Nürnberg, waren dort zwei Jahre auch Co-Trainer. Im Sommer 2022 wurden Sie Chefcoach in Osnabrück, in Ihrem ersten Jahr als Chefcoach gelang direkt der Aufstieg. Was macht den VfL so besonders?
Wir haben eine besondere Werte-Anordnung. Wir haben nicht die größten finanziellen Mittel, aber sehr viel Expertise und Herzblut bei den Mitarbeitern. Wir versuchen, aus wenig viel rauszubekommen. Dazu ist unser Publikum sehr euphorisch, sehr emotional. Unsere Fans lassen sich nicht nur von Ergebnissen leiten, sondern achten auch darauf, wie sich das Team präsentiert. Wir haben im letzten Jahr eine Euphorie losgetreten, wie sie aktuell auch beim HSV zu spüren ist. Das macht einfach Spaß und ist ein Anreiz, immer sein Bestes zu geben.
Energie an der Bremer Brücke sei laut Schweinsteiger „geisteskrank“
Der HSV hat letztmals vor 35 Jahren in Osnabrück gewonnen. Können Sie den Mythos Bremer Brücke nach einem Jahr schon erklären?
Es ist sehr eng im Stadion, da kann eine Energie entstehen, die ist … geisteskrank, hat unser Kapitän gesagt (lacht). Dann kann man gar nicht anders, als nach vorne zu spielen. Irgendwann weiß man, dass noch etwas passiert – und glaubt bis zum Ende daran. Wir hoffen, dass wir das am Freitag wieder erleben können.
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Der HSV patzte jüngst oft gegen Aufsteiger, zuletzt in Elversberg. Wieso kann der VfL den Mythos Bremer Brücke nutzen und dem HSV auch ein Bein stellen?
Mir wäre es auch recht, wenn ein HSV-Verteidiger in der Anfangsphase einen Ball verliert und der Torwart neben dem Tor steht (lacht). Darauf können wir uns aber nicht verlassen. Wir müssen leidenschaftlich auftreten. Wir müssen wissen, dass es viele Momente geben wird, in denen wir leiden müssen. Aber wir müssen auch um die Momente wissen, in denen wir mit Spielfreude nach vorne gehen können.