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die Wikingersiedlung Haithabu, im Hintergrund die Schlei
  • Die Schleiumrundung per Rad führt auch zur Wikingersiedlung Haithabu.
  • Foto: Carsten Rehder/dpa

Mit dem E-Bike zu Wikingern und Heringen

Fast 100 Streckenkilometer rund um die Schlei liegen vor uns. Von Schleswig nach Kappeln und  auf der gegenüberliegenden Uferseite wieder zurück. Für trainierte Radler kein Problem. Bei allen anderen ist die hügelige Region rund um den Meeresarm eine Herausforderung. Diese im Norden Deutschlands eher untypischen Verwerfungen sind Überbleibsel aus der Weichsel-Eiszeit vor etwa 115.000 bis 11.000 Jahren, als sich Gletscher von Skandinavien weit ins heutige Deutschland hineinzogen. Dort, wo die Eismassen gewichen sind, bildeten sich durch Erosion tiefe Schmelzwasserrinnen. Eine davon ist die Schlei.

Hügel am Fjord

Das abwechslungsreiche Höhenprofil dieser Gegend lässt sich am leichtesten mit einem E-Bike überwinden. Mit Rückenwind kommt man im Nu auf ein Tempo von bis zu 40 Stundenkilometern. Wir haben ein Rad des Start-Up-Unternehmens „Lemmo“ gewählt, bei dem wir den Elektromotor flache Streckenabschnitte mechanisch abkoppeln können, um widerstandsfrei höhere Geschwindigkeiten zu genießen. Mit einem Dreh an der Motorkupplung wird aus einem E-Bike ein „M-Bike“ – also gewissermaßen ein klassisches Tourenrad.

Die Schleifähre in Missunde verkehrt zwischen den je 10 Kilometer entfernten Schleswig und Lindaunis. RLI/APRO
Schlei Tour
Die Schlei-Fähre in Missunde verkehrt zwischen Schleswig und Lindaunis.

Brücken und Fähren


Wer nicht die ganze Runde um die Schlei fahren möchte, ist auf Querungen zwischendurch angewiesen. Hierfür bieten sich, außer der Klappbrücke in Kappeln, drei weitere Möglichkeiten an: eine Brücke in Lindaunis sowie die beiden Fährverbindungen in Missunde und Arnis. Eine Anlaufstelle, um einen aktuellen Überblick unter den empfohlenen Fahrradtouren zu bekommen, ist in Schleswig die Touristinformation der „Ostseefjord Schlei“ in der Plessenstraße 7, gegenüber vom Dom – oder deren Zweigstelle in Kappeln. Dort erhält man obendrein Updates, ob alle angebotenen Routen gegenwärtig befahrbar sind. Diese Info ist in diesen Monaten besonders vonnöten, weil die Querung in Lindaunis gerade abgerissen wird und die Fertigstellung einer Ersatzbrücke für Fußgänger und Radfahrer sich verzögert. Der Fährbetrieb in Missunde war ebenfalls zeitweise unterbrochen. „Und die Fähre in Arnis hat bis auf Weiteres keinen Fährmann und darum den Betrieb eingestellt“, gibt die hilfreiche Dame vom Tourismusbüro Auskunft.

Zottelige Hochlandrinder genießen das kühlende Wasser vom Haddebyer Noor. Der Binnensee ist via zwei Abläufe mit der Schlei verbunden. RLI/APRO
Haddebyer Noor
Zottelige Hochlandrinder genießen das kühle Wasser vom Haddebyer Noor. DerSee ist über zwei Abläufe mit der Schlei verbunden.

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Gegenwind und Wellen


Bei steifem Westwind kämpft man von Schleswig aus bis zum Wendepunkt in Kappeln gegen die Böen an. Wer von Schleswig in nordwestliche Richtung aufbricht, radelt vorbei an den Schleidörfern Klensby, Füsing, Brodersby sowie Hestoft und erreicht schließlich das erste Etappenziel Ulsnis. Der unscheinbare Ort punktet mit seinem idyllischen Bootshafen, an dem auch die Schiffe der „weißen Flotte“ auf ihren Fahrten zwischen den Schleistädten Schleswig und Kappeln festmachen. Hier fällt auf, wie stark die Kraft des Windes das Meerwasser in den sonst so beschaulichen Ostseefjord hineinpresst. Die kabbeligen Wellen türmen sich auf und spielen mit den kleinen Booten im Hafen, als wären es schaukelige Nussschalen. Von hier schlängelt sich ein unbefestigter Weg direkt am Schleiufer entlang von Ulsnis in Richtung Kius. Obwohl man mancherorts die Räder besser schiebt oder sogar trägt, lohnt es sich, diesen Streckenabschnitt bis zum nächsten Stopp, Lindaunis, zu wählen. Um die schönsten Wege abseits der Fahrradpisten zu entdecken, braucht es Entdeckergeist.

Beliebtes Ziel bei Radfahrern: Arnis, die kleinste Stadt Deutschlands. dpa
Arnis
Beliebtes Ziel bei Radfahrern: Arnis, die kleinste Stadt Deutschlands

Deutschlands kleinste Stadt


Die Schleibrücke Lindaunis ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Die seit 1997 denkmalgeschützte Querung wurde vor fast 100 Jahren für den Verkehr freigegeben. Das Besondere ist, dass sie nur eine einspurige Fahrbahn hat, die sich Züge, Kraftfahrzeuge und Radfahrer teilen; und zwar als wechselseitige Einbahnstraße. Vier bis fünfmal am Tag klappte ein Element der Brücke hoch, um die Schiffe, ebenfalls in je eine Fahrtrichtung Schleiauf- oder -abwärts, passieren zu lassen. Noch immer regelt eine Ampel den Straßenverkehr und springt alle paar Minuten auf „grün“, obwohl das klappbare Brückenglied schon zerlegt wurde. Dem Lichtsignal zu folgen, würde unweigerlich mit einem Bad in der Fahrrinne der Schlei enden.

Die recht betagte Brücke, deren älteste Bauteile bereits 130 Jahre alt sind, wird derzeit abgerissen und bis 2025 durch einen Neubau ersetzt. Radfahrer und Fußgänger dürfen allerdings ab Juli eine schmale Ersatzbrücke nutzen. Von hier bis zur „Halbzeit“ in Kappeln sind weitere rund zwölf Kilometer gegen den Wind zu biken. Der Radweg führt über den Ort Grödersby. Dort angekommen, empfiehlt sich ein Abstecher auf die angrenzende Schleihalbinsel bis zur flächenmäßig kleinsten Stadt Deutschlands, Arnis. Eine einzige Straße quert die übersichtliche rund 0,45 Quadratkilometer kleine Stadtfläche und bildet die Lebensader für die knapp 300 Einwohner.

Heringe aus Kappeln

Bis Kappeln sind es noch rund 15 Fahrminuten. Die Strecke führt entlang der Schlei über den Weg „Königstein“ zum Hafen der Kleinstadt. Morgens bieten die Fischer ihren frischen Fang direkt an der Kaimauer an. Je nach Wetterlage ziehen bis Mai unvorstellbar große Schwärme der schmackhaften Heringe zum Ablaichen in die Schlei. Der Speisefisch hat es auf das Stadtwappen Kappelns geschafft. Heute ist der Tourismus ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, und die Stadt hat sich dafür fein herausgeputzt. Eine moderne zweiflügelige Doppel-Klappbrücke verbindet den Landesteil Angeln mit dem südlich gelegenen Schwansen. Alle 15 Minuten vor jeder vollen Stunde versperren die turmhohen Brückenflügel den Straßenverkehr und machen den Weg frei für die querenden Schiffe.

Kappeln an der Schlei gilt als die „Heringstadt“ dpa
Kappeln
Kappeln an der Schlei gilt als die „Heringsstadt“.

Mit Rückenwind zurück

Endlich schiebt der kräftige Westwind die Räder an. Darum, und weil man in dieser vergleichsweise flachen Region zügig fahren kann, braucht man den E-Antrieb eigentlich nicht. Die Landschaft rauscht vorüber, bis eine Weggabelung dazu einlädt, wieder dichter an der Schlei zu radeln. Obwohl der Pfad von Winnemark bis Sieseby eine „Langsamfahrstrecke“ ist, lockt das beruhigende Plätschern der anlandenden Wellen. Entspannter kann der Auftakt zur Rückfahrt nach Schleswig kaum sein. Der Obsthof Stubbe ist nur wenige Kilometer entfernt. Jeden Tag außer dienstags lockt das Torten- und Kuchenangebot. So gestärkt, heißt es nun Kilometerreißen; mit Geschwindigkeiten von über 30 km/h auf den gut ausgebauten Radwegen bis nach Weseby. Ab hier geht es wieder ganz dicht an den Ostseefjord heran.

Leuchtturm und Hafen

Der Blick öffnet sich auf einen rund vier Kilometer langen Abschnitt der inneren Schlei, der als Große Breite bezeichnet wird. Das kaum auszumachende gegenüberliegende Ufer des zwölf Quadratkilometer großen Beckens im Ostseemeeresarm ist bis zu vier Kilometer weit entfernt. So wie der Wind hier die Wellen auftürmt, treibt uns die natürliche Kraft der Brise weiterhin voran. Wir rauschen so zügig an den Dörfern Fleckeby und Borgwedel vorbei, dass kaum Zeit bleibt, den entgegenkommenden Radfahrern auf das hier obligatorische „Moin“ zu antworten. Das Ortsschild von Stexwig kommt in Sicht und nun gilt es, den Weg zum kleinen Hafen mit dem dekorativen Leuchtturm zu finden.

Hübsch anzusehen. Der Leuchtturm von Stexwig. RLI/APRO
Leuchtturm Schlei
Hübsch anzusehen. Der Leuchtturm von Stexwig.

Wikinger in Haithabu

An dieser Stelle ist die Schlei nur 280 Meter schmal, und das andere Ufer scheint zum Greifen nah. Für die verbleibende Strecke bis nach Schleswig koppelt man besser wieder den Motor an, um mit dieser Kraftquelle unter dem Sattel die hügelige Landschaft entspannt zu meistern. Wer so wieder Energiereserven mobilisieren konnte, kann das Fahrrad kurz hinter Fahrdorf stehen lassen und ein Stück weit das Haddebyer Noor erwandern.

Von den Höhen der Ostseite blickt man auf eine Ebene am westlichen Seeufer, wo von der zweiten Hälfte des achten bis Anfang des elften Jahrhunderts der Handel in der Wikingersiedlung Haithabu blühte. Heute stehen an der Stelle ein Freilichtmuseum mit rekonstruierten Häusern sowie ein Wikinger-Museum. Nach der Umrundung des einst bedeutendsten Handelswegs Schlei wieder am Ziel angekommen, tanken die „Lemmos“ Strom – und wir haben uns eine zünftige Brotzeit redlich erarbeitet.

https://www.ostseefjordschlei.de/

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