Ich habe 200 Euro gezahlt, damit jemand Elisa tötet
Elisa ist – war – mein Schwein. Als sie noch klein war, war sie schüchtern, ist immer wieder vor mir weggerannt. Jetzt liegt sie in Einzelteilen in einer Gefriertruhe und hier: auf meinem Teller, direkt vor mir. In meinem Freundeskreis löst das oft Entsetzen aus. Und bei mir?
Mit zwei Freunden zusammen habe ich einmal 120 und dann 90 Euro im Monat überwiesen, damit gehört uns ein Borstenvieh. „Schweineleasing“ nennt sich das Ganze. Das geht ganz einfach – und jeder kann es machen. Man sucht sich ein Tier aus, unterzeichnet einen Vertrag, zahlt und schwuppdiwupp ist man Schweine-Leaser. Meines ist vom Bauernhof Reichelt, in Niedersachsen hat auch der Hutewaldhof dies im Angebot.
- Deutsch (Deutschland)
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Elisa ist – war – mein Schwein. Als sie noch klein war, war sie schüchtern, ist immer wieder vor mir weggerannt. Jetzt liegt sie in Einzelteilen in einer Gefriertruhe und hier: auf meinem Teller, direkt vor mir. In meinem Freundeskreis löst das oft Entsetzen aus. Und bei mir?
Mit zwei Freunden zusammen habe ich einmal 120 und dann 90 Euro im Monat überwiesen, damit gehört uns ein Borstenvieh. „Schweineleasing“ nennt sich das Ganze. Das geht ganz einfach – und jeder kann es machen. Man sucht sich ein Tier aus, unterzeichnet einen Vertrag, zahlt und schwuppdiwupp ist man Schweine-Leaser. Meines ist vom Bauernhof Reichelt, in Niedersachsen hat auch der Hutewaldhof dies im Angebot.
Schweine-Leasing in Plau am See
Weil so ein Leasing-Schwein nun mal einen Namen braucht, haben wir es Elisa genannt. Wir dürfen Elisa auch besuchen. Sie lebt auf dem Hof in Plau am See im Kreis Ludwigslust-Parchim mit ihren Artgenossen, ihren Brüdern und Schwestern. Als sie noch klein war, da war Elisa schüchtern. Sie hat sich ungern streicheln lassen, ist immer wieder weggerannt. Kluges Schwein.
Schweine sind soziale Tiere. Die haben Hierarchien, mobben sich. Sie kuscheln aber auch miteinander, spielen, quieken sich gegenseitig an. Richtig süß. Mit ihren Schnauzen buddeln sie auf der Suche nach leckeren Wurzeln den Boden auf, deshalb sieht Elisas Zuhause ein bisschen aus wie eine Mondlandschaft. Immer wieder zeigen Studien, dass das richtig intelligente Tiere sind.
Fleisch kommt doch aus dem Supermarkt
Schweine sind gesellig, klug, süß. Und lecker. Ungefähr 21 Millionen von ihnen leben in Deutschland. Ein Schwein auf vier Einwohner: Wir hatten unseres zu dritt, da liegen wir fast im Schnitt. Pro Kopf haben die Deutschen 2022 durchschnittlich 28,2 Kilogramm von ihrem Fleisch gegessen. Als Würstchen im Stadion, Schinken auf dem Brötchen, Braten am Sonntag.
Deshalb liegt Schweinefleisch auch massenweise im Supermarkt. Vieles davon von Tieren, die in Stallhaltung oder „Stallhaltung plus“ aufgewachsen sind.
Sie fühlen sich, als würden sie ersticken
Deren Leben sieht in etwa so aus: Die Schweine leben wenige Monate auf etwas weniger als einem Quadratmeter. Dann werden sie im Großschlachthof in eine Betäubungsgondel getrieben. CO2 wird eingelassen, die Schweine fühlen sich, als würden sie ersticken, schreien, quicken. Panik! Sie werden bewusstlos. Dann sticht man ihnen in die Schlagader und lässt sie verbluten.
Um ihren Haltern zu ermöglichen, Schweinen mehr Platz zu geben, soll der „Tierwohlcent“ kommen. Ein paar Cent pro Kilo Fleisch zahlt der Konsument mehr, das Geld geht direkt an die Betriebe, die die Schweine züchten. Damit sollen sie den Tieren ein schöneres Leben und einen besseren Tod ermöglichen.
Elisa hätte davon – vermutlich – nicht profitiert. Sie hatte wohl das schönste Leben, das man als Schwein so haben kann. Sie konnte sich in ihre Schweinehütte verziehen, so viel futtern, spielen, wie sie nur konnte und wollte. 13 Monate lang.
Dann habe ich sie töten lassen. Sie wurde mit einem Stromschlag betäubt, das soll humaner sein. Aber auch sie ist ausgeblutet. Auch sie wurde ausgeschlachtet. Ja, sie hatte ein schönes Leben. Macht das ihren Tod besser?
In meinem Freundeskreis herrscht oft Entsetzen, wenn ich von Elisa erzähle. Wie kann man ein Tier essen, das einen Namen hat? Das man gestreichelt hat? Als sie noch lebte, wusste ich auch nicht, ob ich Elisa wirklich essen kann. Wie soll das denn funktionieren? Stellt sich heraus, es ist sehr einfach: Indem man ihr Fleisch brät, aufschneidet und herunterschluckt. Sie ist sogar ziemlich lecker – ehrlich gesagt das beste Kotelett, das ich jemals aß.
Solange ich nicht vegan lebe, werden wegen mir Tiere sterben. Ob direkt: Wenn ich dafür bezahle, Elisa zu schlachten. Ob indirekt: Wenn ich den Supermarkt für ein Filet bezahle, zahle ich dafür, dass ein unbekannter Mensch ein Schwein ohne Namen tötet.
Mit allen Kosten – Schwein, Schlachtung, etc. – kostet sie uns 2086,46 Euro. Das sind etwa 12 Euro pro Kilo. Günstiger als in der Metzgerei. Teurer als im Supermarkt: Da kriegt man ein Kilo Schweinenacken auch mal für 5,49 Euro.
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Am Ende bleiben von Elisa 59,640 Kilo Wurst, 42,880 Kilo Geräuchertes, und Unmengen, wirklich Unmengen an Fleisch. Das sind kistenweise Kotelett und Wiener und Kassler und Speck und Schinken. Schweinefleisch kann man aber gut einfrieren: Wir haben einen eigenen Gefrierschrank nur für Elisa gekauft. So haben wir noch lange etwas von ihr.