Homosexualität, Partys: So wird in Saudi-Arabien im Geheimen frei gelebt
Bis heute gilt Saudi-Arabien als eines der konservativsten Länder der Welt, in dem Religionspolizisten über gute Sitten wachen und wo nach islamischer Rechtssprechung härteste Strafen für Alkohol, Drogen oder homosexuelle Liebe möglich sind. Doch unter diesem dunklen Schleier der Verbote bewegt sich etwas: Unzählige im Land wollen ungehemmt lieben und feiern – und vernetzen sich heimlich.
Erst im März wurden 81 Menschen an einem einzigen Tag hingerichtet. In Gefängnissen, so berichten es Menschenrechtler, werden Abweichler gefoltert. Wer Alkohol, Drogen oder pornografisches Material ins Land bringt, kann dafür Jahre hinter Gitter kommen. Gleichgeschlechtlicher Sex kann mit Gefängnis, Stockhieben und theoretisch auch mit dem Tod bestraft werden.
Aber: Unzählige im Land wollen ihre Sexualität frei ausleben und vernetzen sich heimlich. Zugleich wollen immer mehr junge Saudi-Araber feiern, zwei Drittel der Bevölkerung sind jünger als 35 Jahre. „Viele Leute hier lieben Techno. Sie lieben Raves“, erzählt der junge Einheimische Rami, der in Wirklichkeit anders heißt, aus Riad, im Interview mit der Deutschen Presseagentur (dpa). Auf geheimen Partys werde gefeiert wie anderswo auf der Welt – und auch so konsumiert. Drogen wie Haschisch oder Kokain seien teuer, aber beschaffbar, sagen mehrere Kenner der Szene.
Saudi-Arabien: Immer mehr Menschen wollen ihre Sexualität frei ausleben
Konzerte mit großen Lichtshows und Pyrotechnik gibt es, nachdem ein Konzertverbot vor einigen Jahren gekippt und die strikte Trennung von Männern und Frauen aufgehoben wurde. Seitdem feierte und tanzte gemischtes Publikum vor Justin Bieber oder Star-DJ David Guetta, ein Festival namens „Soundstorm“ zog vergangenen Winter mehr als 700.000 Menschen in die Wüste.
Parallel ist im Untergrund eine geheime Feiergesellschaft entstanden. Veranstalter dieser illegalen Partyreihen an wechselnden Orten bezeichnen sich kryptisch als „Entertainment-Unternehmen“ oder „Sinneserfahrung“. Rein kommt, wer über Insider eingeladen wird – oder in Ausnahmefällen, wer einen ausführlichen Fragebogen zur eigenen Party-Vergangenheit und dem Freundeskreis beantwortet.
Dank des Internets finden sich auch diejenigen der 34 Millionen Einwohner, die hinter verschlossenen Türen ein befreites Sexualleben führen wollen. Homosexuelle und andere Teile der LGBTI-Gemeinde vernetzen sich in privaten Gruppen bei Instagram oder Snapchat. Nicht umsonst wird „Snap“, wo Chat-Nachrichten sich nach kurzer Zeit von selbst löschen, in wenigen Ländern so stark genutzt wie in Saudi-Arabien.
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Auch die konservative Regierung um den den altersschwachen Monarchen König Salman reagiert auf die immer drängenderen jungen Menschen, die Hunger auf Freiheit haben – und lockert sich ein wenig. Das vielleicht deutlichste Zeichen des Wandels sind die bärtigen Religionspolizisten, die langsam aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Das „Komitee zur Förderung der Tugend und Vermeidung von Lastern“, wie die Behörde offiziell heißt, hat die meisten seiner Befugnisse inzwischen verloren.
Die sogenannte „Mutaua“ darf niemanden mehr festnehmen, verfolgen oder zur Moschee jagen. Doch trotz Lockerungen scheint die Führung des Landes den ganz großen liberalen Dammbruch vorerst abwenden zu wollen: Alkohol, das wohl beliebteste Rauschmittel weltweit. Aber mit dem nötigen Kleingeld ist auch diese eigentlich verbotene Ware in Saudi-Arabien auf dem Schwarzmarkt für ein Vielfaches beschaffbar. (dpa)