Trotz Denkmalschutz: Keine Zukunft für diesen Hamburger Beton-Palast
Unverputzter rauer Beton draußen, knallbunte Farben drinnen – die 1967-71 erbaute Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Lohbrügge ist ein Palast des „Brutalismus“ und eines der größten Gebäude seiner Art in Deutschland. Seit 2019 besteht Denkmalschutz. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte das Bauwerk im kommenden Jahrzehnt den Abrissbaggern zum Opfer fallen.
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Unverputzter rauer Beton draußen, knallbunte Farben drinnen – die 1967-71 erbaute Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Lohbrügge ist ein Palast des „Brutalismus“ und eines der größten Gebäude seiner Art in Deutschland. Seit 2019 besteht Denkmalschutz. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte das beeindruckende und einzigartige Bauwerk im kommenden Jahrzehnt den Abrissbaggern zum Opfer fallen.
Der heute 86 Jahre alte Architekt Peter Paul Schweger ist eine Legende, er prägte das Hamburger Stadtbild mit. Zusammen mit seinem Kollegen Heinz Graaf (1910-1980) schuf er die Hochschule an der Lohbrügger Kirchstraße. Es folgten die Hauptverwaltung der Hamburg-Mannheimer Versicherung in der City Nord, die Gänsemarkt-Passage, die ja ebenfalls abgerissen werden soll, und weitere Verwaltungsbauten in ganz Deutschland. Aber auch in Moskau und Dubai war der Hamburger tätig.
HAW in Lohbrügge: Ein Werk von Architekten-Legende Peter Schweger
Ursprünglich war die HAW nur für 900 Studierende konzipiert, doch aktuell besuchen hier schon 4000 Menschen regelmäßig Vorlesungen unter anderem zu Umwelttechnik, Medizintechnik oder Bio-Technologien.
Wer heute das Gebäude besucht, staunt erst mal über das gigantische hohe Foyer – es misst 3000 Quadratmeter! Überall sind hier überraschende architektonische Details zu entdecken. Es gibt Wegweiser in knallbunten Farben der 1970er Jahre oder wuchtige Treppen, die zu Emporen führen. Unter einer Treppe befindet sich ein fast höhlenartiger Raum, der dürfte Besuchern der legendären Faschingsveranstaltung „LiLaBe“ noch als „Fummelecke“ bekannt sein.
Hochschule will nach Oberbillwerder ziehen
Ein spannender Bau, der so groß ist, dass die HAW selbst drei Tage brauchte um auszurechnen, wie viel Fläche ihr zur Verfügung steht: 20.000 Quadratmeter. Gigantisch, doch das Gebäude dürfte keine Zukunft haben.
Gleich um die Ecke in Oberbillwerder entsteht ab 2023 ein ganz neuer Stadtteil und die Hochschule will dorthin. Von bis zu 5000 Studienplätzen mit idealen Bedingungen ist die Rede. Tja, und ideal ist der Zustand des mehr als 50 Jahre alten Brutalismus-Palastes nicht. Brutalismus kommt übrigens nicht von brutal, sondern vom französischen Begriff „béton brut“, also „roher Beton“. Und dieser muss gepflegt werden, sonst dringt Feuchtigkeit ein. Doch das wurde bei den öffentlichen Bauten der 1960er bis 80er Jahre oft versäumt. Auch bei der HAW ist der Sanierungsbedarf enorm. Man spricht von weit über 100 Million Euro Kosten.
Selbst wenn die Stadt sich für eine Sanierung entscheidet, was geschieht nach dem Umzug der Hochschule nach Oberbillweder mit dem Riesenbau? Bei dem Denkmalschützer die „konstruktive Ästhetik“, eine „beeindruckende Raumschöpfung“ und die „belebender Vielfalt“ loben. Das Hamburger Architektur-Jahrbuch spricht sogar von einem „Gesamtraumkunswerk“.
Doch was Denkmalexperten begeistert und schützenswert finden, hat in der Öffentlichkeit keine Lobby. Die Hamburger kämpfen zwar für den Erhalt jedes Gründerzeithauses, doch der einzigartige Hochschulbau Peter Schwegers bleibt etwas für Fachleute und 70er-Jahre-Fans. Wenn sich also der Senat „aus wirtschaftlichen Gründen“ für Abbruch entscheidet, dürfte es keine Proteste geben. Schon bald rücken die Abrissbagger für das zur Hochschule gehörende Studierendenheim an der Billwiese an – und das trotz Denkmalschutzes. Das 1969 fertiggestellte Bauwerk wurde ebenfalls von Peter Schweger entworfen.