Schwere Vorwürfe gegen „Vay“: Scheitert Hamburgs Vorzeigeprojekt?
Auto bestellen, vor der Tür einsteigen, ans Ziel fahren – und das Parken übernimmt jemand aus der Ferne. 2021 stellte „Vay“ sein revolutionär klingendes Konzept vor, seit Ende Januar fahren die Tele-Fahrzeuge durch das Testgebiet in Bergedorf. Dafür bekam das Berliner Start-Up eine Ausnahmegenehmigung der Hamburger Verkehrsbehörde, die große Hoffnung in das Projekt setzt. Doch jetzt werden Vorwürfe laut: Ist die Technologie überhaupt schon ausgereift?
Auto bestellen, vor der Tür einsteigen, ans Ziel fahren – und das Parken übernimmt jemand aus der Ferne. 2021 stellte „Vay“ sein revolutionär klingendes Konzept vor, seit Ende Januar fahren die Tele-Fahrzeuge durch das Testgebiet in Bergedorf. Dafür bekam das Berliner Start-Up eine Ausnahmegenehmigung der Hamburger Verkehrsbehörde, die große Hoffnung in das Projekt setzt. Doch jetzt werden Vorwürfe laut: Ist die Technologie überhaupt schon ausgereift?
Der Telefahr-Service von „Vay“ gilt als Meilenstein des autonomen Fahrens. Wer über die App sein Elektrofahrzeug bucht, bekommt es direkt vor die Haustür gefahren. Dann fährt man selbst zu seinem Ziel. Ab hier übernimmt wieder der Tele-Fahrer, der entweder einen Parkplatz sucht oder zum nächsten Kunden düst.
Tele-Fahrer steuert das Auto von „Vay“ aus der Ferne
Dieser Tele-Fahrer sitzt mit Auto-Lenkrad und Pedalen am Sandtorkai in der HafenCity vor mehreren Bildschirmen. Mithilfe der am Auto montierten Kameras hat er eine 360-Grad-Sicht. Das Problem: Ferngesteuerte Autos kommen bislang im deutschen Gesetz nicht vor, die Zulassung war dementsprechend kompliziert. Seit drei Jahren ist „Vay“ bereits in Hamburg unterwegs – bislang mit Sicherheitsfahrer.

Ende Januar schaffte es „Vay“ schließlich, als erstes Unternehmen in Europa, ein Auto ohne Begleitperson auf die Straße zu bringen. Dafür hatte es im Dezember 2022 nach einem TÜV-Gutachten die Ausnahmegenehmigung von der Hamburger Verkehrsbehörde erhalten.
Medienbericht erhebt schwere Vorwürfe gegen „Vay“
In einem Bericht erhebt das Axel-Springer-Portal „Gründerszene“ jetzt schwere Vorwürfe gegen das junge Unternehmen. So sei „Vay“ bei einer externen technischen Bewertung ein Katalog mit 52 Fragen vorgelegt worden. Eine davon lautete demnach, wie viele Zwischenfälle es bei Tests in Berlin und Hamburg bislang gegeben habe. „Vay“ antwortete daraufhin, dass ein Tele-Fahrer auf der erwähnten Teststrecke in Bergedorf zu diesem Zeitpunkt im August 2022 bereits 280 Kilometer gefahren sei, „ohne dass es zu kritischen Situationen mit Eingriff des Sicherheitsfahrers“ kam.
„Gründerszene“ zitiert jetzt allerdings Zwischenfälle aus einer firmeninternen Präsentation. Diese besagt, dass es zwischen Mai und Juni 2022 auf einer Strecke von 2742 Kilometern insgesamt 300 Vorfälle gegeben haben soll, bei denen der Sicherheitsfahrer eben doch eingreifen musste. Einmal habe der Tele-Fahrer sogar fast eine Fahrradfahrerin übersehen.
„Vay“ antwortet auf die Vorwürfe
Das Unternehmen weist die Vorwürfe entschieden zurück. Bei dem Fragenkatalog seien Daten seit Erprobungsbeginn für sämtliche Testfahrten in Berlin und Hamburg angefragt worden. „Die vollständige Aufbereitung all dieser Daten hätte mehrere Wochen benötigt und war in der gesetzten Zeitvorgabe nicht möglich“, heißt es in der Stellungnahme. Deshalb hätten sie sich „in Absprache mit den Behörden“ auf die Daten im Betriebsgebiet in Bergedorf konzentriert, die von „Senior Teledrivern“ übermittelt worden waren. So werden vollständig ausgebildete Tele-Fahrer genannt. Nur sie seien zum Fahren ohne Sicherheitsfahrer berechtigt.
Die von der „Gründerszene“ zitierte Präsentation betreffe einen größeren Betriebsbereich und beziehe sich auf alle Tele-Fahrer – also auch auf diejenigen ohne abgeschlossene Ausbildung. Deshalb ließen sich diese Daten nicht auf die erteilte Ausnahmegenehmigung in Hamburg übertragen. Heißt also im Umkehrschluss: Die genannten Vorfälle müssen außerhalb der Bergedorfer Teststrecke auf Straßen Berlins oder Hamburgs passiert sein.
Verkehrsbehörde hält weiterhin an Projekt mit „Vay“ fest
Verkehrsbehörden-Sprecher Dennis Krämer bekräftigt gegenüber der MOPO, dass alle Unterlagen für das Genehmigungsverfahren eingereicht und geprüft worden seien. „Vay“ habe dargelegt, dass bei den „Testfahrten in Bergedorf keine besonderen Vorkommnisse verzeichnet wurden.“ Die Gutachten und Stellungnahmen beruhten auf Tests, Messungen und Bewertungen von „amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr“.
Heißt also: Die Zusammenarbeit zwischen Verkehrsbehörde und „Vay“ geht weiter. Als nächster Schritt folgen Testfahrten mit ausgewählten Kunden, erst dann soll der Service für alle zur Verfügung stehen.