Schulleiterin warnt Eltern: Schon Fünftklässler haben Pornos auf dem Handy
Pornos, Folter, Hinrichtungen, Tierquälerei: All das begegnet Kindern und Jugendlichen tagtäglich auf ihrem Smartphone. Und sie bleiben damit meist allein. Eltern und Lehrer? Oft ahnungslos. Das beschreibt Silke Müller, Schulleiterin aus Niedersachsen, in ihrem Buch „Wir verlieren unsere Kinder“, das Dienstag erscheint. Auch ein Hamburger Schulleiter erzählt der MOPO von einer „digitalen Parallelwelt“ – in der Bloßstellung und Mobbing an der Tagesordnung stehen. Warum er Handys an seiner Schule trotzdem nicht verbieten will.
Pornos, Folter, Hinrichtungen, Tierquälerei: All das begegnet Kindern und Jugendlichen tagtäglich auf ihrem Smartphone. Und sie bleiben damit meist allein. Eltern und Lehrer? Oft ahnungslos. Das beschreibt Silke Müller, Schulleiterin aus Niedersachsen, in ihrem Buch „Wir verlieren unsere Kinder“, das am Dienstag erscheint. Auch ein Hamburger Schulleiter erzählt der MOPO von einer „digitalen Parallelwelt“ – in der Bloßstellung und Mobbing an der Tagesordnung stehen. Warum er Handys an seiner Schule trotzdem nicht verbieten will.
Videos von Kindesmissbrauch. Von Hundewelpen, die totgetreten werden. Von Männern, die bei lebendigem Leib kastriert werden. Es lässt Eltern fassungslos zurück, was Silke Müller in ihrem Sachbuch und in Interviews beschreibt. Die 42-Jährige leitet eine Oberschule in Hatten (Niedersachsen). Keine Brennpunkt-Schule, wie sie sagt, sondern eher „Bullerbü“. Trotzdem würden hier schon Fünftklässler auf ihren Smartphone Pornos oder Kriegsverbrechen sehen. Die Bilder und Videos verbreiten die Schüler in Whatsapp-Gruppen, auf Tiktok oder Snapchat.
Silke Müller: „Ich beobachte eine zunehmende Verrohung, wie miteinander umgegangen wird“
„Ich beobachte eine zunehmende Verrohung, wie miteinander umgegangen wird“, sagt Müller. „Die moralische Hemmschwelle sinkt immer weiter ab.“ Und sie schildert schockierende Beispiele von ihrer Schule: Da wäre die 14-Jährige, die heimlich von ihrem Freund während eines Videocalls bei erotischen Handlungen gefilmt wird. Am nächsten Tag veröffentlicht er das Video im Internet. In einem anderen Beispiel berichtet die Autorin von einer Zwölfjährigen, die während des Unterrichts mit einem erwachsenen Mann chattet, der ihr „perverse, pornografische Gedanken“ schreibt. Dabei sei es einer Gruppe von Mädchen um die Challenge gegangen, wer als erste ein „Dickpic“ geschickt bekomme, also ein Foto von einem Penis.

Und wie sieht es an Hamburgs Schulen aus? „Leichtfertiges Bloßstellen anderer durch Fotos, Videos oder Chats, Ausgrenzung und Grüppchenbildung – all das passiert tagtäglich“, sagt Thimo Witting auf MOPO-Anfrage. Er ist Schulleiter der Stadtteilschule Bergedorf und Sprecher der Vereinigung der Stadtteilschulen. „Die digitale Welt ist dann wie eine Parallelwelt und wir und viele Eltern sind noch zu oft überrascht, was den Kindern dort alles begegnet.“ Auch er spricht von Mobbing, gewaltvoller Sprache und Pornografie. Die Folgen? „Die Schüler beschäftigen diese Inhalte sehr und oft stecken große, große Sorgen dahinter“, so Witting. „Es ist wichtig, dass sie jemanden haben, mit dem sie darüber sprechen können.“
Hamburger Schulleiter: „Leichtfertiges Bloßstellen anderer durch Fotos, Videos oder Chats passiert tagtäglich“
Für ein Handyverbot in der Schule ist er trotzdem nicht. „An unseren Schulen nutzen wir Smartphones auch im Unterricht für die Recherche von Themen oder es werden Videos gedreht oder Podcasts aufgenommen. Immer in Absprache mit den Lehrern.“ Was aber wichtig sei: „Es ist die Aufgabe der Lehrer und Eltern, den Schülern zu vermitteln: Wie wirkt es, was ich poste? Was ist erlaubt, was ist verboten? Wie gehen wir auch in der digitalen Welt respektvoll miteinander um?“
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Simone Kohl ist eine Mutter, die mit ihren Kindern über dieses Thema spricht. Die 44-Jährige ist die Vorsitzende der Hamburger Elternkammer und hat selbst schlechte Erfahrungen gemacht. „Als meine Tochter in der 7. Klasse war, hat ein Mitschüler pornografische Bilder in den Klassenchat gestellt“, erzählt sie. „In der 9. Klasse meines Sohnes kursierten Verschwörungstheorien zu Themen wie Corona oder Krieg. Mein Sohn war lange der festen Meinung, dass es Corona gar nicht gibt.“ An einer anderen Hamburger Schule habe es eine Schlägerei gegeben – viele Schüler hätten das Ganze gefilmt und über Whatsapp verbreitet.
„Viele Schulen in Hamburg veranstalten sogar Medienabende für die Eltern, doch die Nachfrage ist zu gering“, sagt Simone Kohl. „Ich bin dafür, dass die Eltern viel mehr mit ins Boot geholt werden.“
Elternkammer Hamburg: „Es kommen zu wenig Eltern zu den Medienabenden“
Dafür plädiert auch Silke Müller: „Von vielen Eltern wird die Gefahr völlig ausgeblendet“, sagt sie. „Für Eltern ist es klar, dass sie keine Fremden ins Kinderzimmer lassen würden. Aber in Bezug auf Online-Spiele, in denen über Chat-Funktionen auch Übergriffe durch Fremde stattfinden können, ist das Gefahrenbewusstsein kaum vorhanden.“ Auch sie will die Digitalisierung nicht verteufeln, fordert aber, den Kindern eine „ethische Orientierung“ mitzugeben. „Gefragt sind dabei Eltern, Lehrer und die Politik.“