Ärger am Hauptbahnhof: Stadt will Helfer verdrängen
Eine warme Suppe, eine dicke Jacke oder auch nur ein aufmunterndes Wort: Was ehrenamtliche Helfer am Hauptbahnhof verteilen, rettet Bedürftigen den Tag und wird besonders im Winter wichtig. Dem Bezirksamt sind die dort lagernden Obdachlosen und die Ausgabestellen aber ein Dorn im Auge – weshalb man sie jetzt mit aller Kraft vom Bahnhof vertreiben will.
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Eine warme Suppe, eine dicke Jacke oder auch nur ein aufmunterndes Wort: Was ehrenamtliche Helfer am Hauptbahnhof verteilen, rettet Bedürftigen den Tag und wird besonders im Winter wichtig. Dem Bezirksamt sind die dort lagernden Obdachlosen und die Ausgabestellen aber ein Dorn im Auge – weshalb man sie jetzt mit aller Kraft vom Bahnhof vertreiben will.
„Wir appellieren an die Akteure und Initiativen, auf Verteilaktionen am Hauptbahnhof künftig zu verzichten. Wir sehen dafür derzeit weder einen Bedarf, denn es gibt rund um den Hauptbahnhof eine große Zahl an Angeboten, insoweit erleben wir dort derzeit eher eine Überversorgung. Noch halten wir Verkehrsflächen, über die der Hauptbahnhof täglich von einer halben Million Menschen angesteuert wird, für den richtigen Ort“, erklärte Ralf Neubauer, Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte, am Donnerstag in einer Mitteilung und forderte die Ehrenamtlichen von „Gabenzaun e.V.“ (hier können Freiwillige vor allem Kleidung spenden), „Schau nicht weg“ (Verteilung vor allem von Lebensmitteln) und anderen Vereinen dazu auf, sich vom Hauptbahnhof fernzuhalten.
Ehrenamtlicher: Elend verlagert sich weiter nach St. Georg
Ronald Kelm, der das Gesundheitsmobil zur Versorgung von kranken Obdachlosen leitet und die Szene am Hauptbahnhof gut kennt, kann bei dem Wort „Überversorgung“ nur müde lächeln. „Meine Meinung: Der Bedarf wird immer größer. Der Hauptbahnhof ist ein zentraler Punkt, den viele Bedürftige gut erreichen können. Durch diese Repressionen wird die psychische und soziale Verelendung nicht weniger, sondern im Gegenteil!“
Er berichtet, dass es gerade am Wochenende zu wenig Angebote gebe. Am Samstag und Sonntag müssten sogar die Mitarbeiter des Gesundheitsmobils oft mit Essen und Trinken aushelfen.
„Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bezirksamt versucht, das Elend vom Hauptbahnhof loszuwerden. Die Folgen sehen Sie jetzt schon, wenn Sie auf den Spielplätzen auf St. Georg und in der Langen Reihe unterwegs sind. Die Leute ziehen dorthin. Auch vor dem Drob Inn wird es immer voller.“
Der Kommentar zum Thema: Schöne Fassade auf Kosten der Ärmsten
Er halte den Zeitpunkt für sehr ungünstig für solche Ankündigungen. Schließlich laufen gerade jede Menge öffentliche Bemühungen, den Hauptbahnhof wieder attraktiver zu machen. „Da bekommt man den Eindruck, Bedürftige passen nicht in das schöne Hamburg“, sagt er.
Der Verein „Gabenzaun e.V.“ ist gerade auf der Suche nach einem neuen Standort. Aus gutem Grund, meint das Bezirksamt: „Die Spenden werden unter anderem in Tüten verpackt und diese Tüten werden dann teilweise aufgerissen und auf dem Heidi-Kabel-Platz entsorgt – da haben wir zahlreiche Beschwerde erhalten. Auch wenn der Verein schon Schilder angebracht hat, auf denen steht, dass Lebensmittel und Medikamente nicht abgegeben werden sollen, haben wir schon erlebt, dass genau das passiert. Und das kann dann richtig gefährlich werden.“, erklärt Ralf Neubauer auf MOPO-Anfrage.
Hauptbahnhof: Nächste Konfrontation mit Polizei droht
Laut Neubauer laufen die Gespräche mit dem Verein gut und er habe sich bereits in eine Zwangspause begeben – im Gegensatz zu anderen. „Andere Vereine sind bislang nicht für Gespräche bereit gewesen – vielleicht ändert sich das jetzt. Wir würden auf jeden Fall auch dabei unterstützen, in feste Räumlichkeiten umzuziehen.“
Jutta Wennmacher von „Schau nicht weg e.V.“ erklärt, dass sie bisher kein Gesprächsangebot bekommen habe. Sie werde ihre samstägliche Essensausgabe am Heidi-Kabel-Platz so lange durchziehen, wie das möglich ist. „Selbst wenn die mich verhaften!“
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Mit der Polizei ist sie bereits mehrfach aneinandergeraten – das ist auch in der Zukunft sehr wahrscheinlich. „Wir sind mit dem bezirklichen Kontrolldienst und der Polizei jetzt öfter vor Ort und werden die Initiativen auch ansprechen. Ich hoffe nicht, dass es da zu ernsthaften Konfrontationen kommen wird, sondern, dass wir konstruktive Gespräche über alternative Angebote für Bedürftige führen können“, sagt Ralf Neubauer.