Neuer Prozess um hautfarbenbasierte Kontrollen: Rassismus oder normale Polizeiarbeit?
Die beiden Polizeizeugen versuchen, nicht in die Rassismusfallen zu tappen, die die Verteidigung immer wieder auslegt. „Er hätte Personen nur aufgrund ihres konspirativen Verhaltens, nie aber aufgrund äußerlicher Merkmale wie ihrer Hautfarbe kontrolliert“, betont der Polizeibeamte Frank S., der über zehn Jahre im Bereich der Davidwache Streife lief. Als er nach „Tätergruppen“ befragt wird, die auf St.Pauli mit Drogen dealen würden, fallen ihm spontan „Schwarzafrikaner“ ein. Andere Gruppen, die in den Handel verstrickt seien, kann der 45-jährige auch auf Nachfrage nicht benennen.
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Die beiden Polizeizeugen versuchen, nicht in die Rassismusfallen zu tappen, die die Verteidigung immer wieder auslegt. „Er hätte Personen nur aufgrund ihres konspirativen Verhaltens, nie aber aufgrund äußerlicher Merkmale wie ihrer Hautfarbe kontrolliert“, betont der Polizeibeamte Frank S., der über zehn Jahre im Bereich der Davidwache Streife lief. Als er nach „Tätergruppen“ befragt wird, die auf St.Pauli mit Drogen dealen würden, fallen ihm spontan „Schwarzafrikaner“ ein. Andere Gruppen, die in den Handel verstrickt seien, kann der 45-jährige auch auf Nachfrage nicht benennen.
Frank S. muss vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht am gestrigen Mittwoch zu einer Personenkontrolle aussagen, die er zusammen mit seinem Kollegen Rasmus R. 2017 in der Balduinstraße in dem Teil von St. Pauli durchgeführt hat, den die Polizei wegen des dort stattfindenden Drogenhandels auf offener Straße als „gefährlichen Ort“ eingestuft hatte, um dort leichter Personenkontrollen durchführen zu können. Der Kontrollierte, Barakat H., hat gegen diese und eine weitere Identitätsfeststellung im Jahr 2018 geklagt, weil er sich als Mensch mit schwarzer Hautfarbe diskriminiert fühlt. Er wirft der Polizei „Racial Profiling“, also eine rassistische Auswahl der Personen vor, deren Personalien sie ohne Nennung weiterer Gründe feststellt und deren Sachen sie durchsucht.
„Ich werde ständig grundlos nur aufgrund meiner Hautfarbe von der Polizei angehalten, überprüft und durchsucht“, gibt der Mann, der in St. Pauli lebt, dem Gericht zu Protokoll und ergänzt: „Meinen Freunden mit weißer Hautfarbe passiert das nie.“
In erster Instanz, vor dem Verwaltungsgericht, hat Barakat H. Recht bekommen. Die Richter erklärten im August 2020 anlasslose Personenkontrollen für unrechtmässig, gingen in ihrem Urteil aber nicht weiter auf das Thema Racial Profiling ein: Weil es keine Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit des Klägers zur Drogenszene gegeben habe, seien die Kontrollen rechtswidrig gewesen. Die Frage, ob die Hautfarbe ein Grund für die Identitätsfeststellung gewesen sei, habe das Gericht deshalb nicht gesondert prüfen müssen.
Die Innenbehörde aber zog gegen das Urteil in Berufung, sieht den Handlungsspielraum der Polizei durch den Richterspruch unzulässig beschränkt: Es müsse den Beamten möglich sein, die Identität von Personen zu überprüfen, wenn ihr geschulter Blick, deren Verhalten als konspirativ oder verdächtig einordne. Die Innenbehörde besteht in ihrem Berufungs-Schriftsatz darauf, dass Hautfarbe und Herkunft dabei ein Kriterium sei, dass aber als alleiniger Grund für eine Personenfeststellung nicht ausreiche.
Dahinter steht, auch wenn es die Polizei kaum noch deutlich auszusprechen mag: In einem Gebiet, wo nach allen polizeilichen Erfahrungen fast nur „Schwarzafrikaner“ mit Drogen handeln würden, müsse es für die Beamten möglich sein, auf diese Personengruppe ein besonderes Augenmerk zu richten. Eine Rechtsauffassung, die der Kläger kippen will.
Wie kompliziert es für manchen Beamten ist, dass mit der Herkunft und Hautfarbe zu sortieren, zeigte auch die Aussage des zweiten an dem beklagten Einsatz beteiligten Polizeibeamte Rasmus R.. Im Prozess betont er zuerst – im Widerspruch zu seinem Kollegen – ihm sei an dem Verhalten von Barakat H. und seinem Begleiter „nichts Besonderes aufgefallen“, sein Kollege allein habe die Personalfeststellung initiiert. Dann beschreibt er, dass „die Drogendealer früher eher so südländisch, türkisch“ gewesen seien, sich „die Türken aber in den vergangenen Jahren verflüchtigt“ hätten und nun der Drogenhandel in dem Rotlicht-Stadtteil „nur noch von Schwarzen“ kontrolliert werde.
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Bei der Nachfrage, was er denn unter „südländischem Erscheinungsbild“ verstehe, gerät der Beamte ins Stocken, bevor er antwortet: „Menschen, wie man sie im Türkeiurlaub trifft.“ Der spitze Kommentar von Klägeranwalt Carsten Gericke zu diesen Ausführungen: „Wir sind nun ganz nahe am Kern dieses Prozesses.“ Am frühen Abend zieht die Innenbehörde dann überraschend ihre Berufung teilweise zurück, womit die zweite vom Kläger beklagte Identitätsfestellung, die 2018 stattfand, nun offiziell als rechtswidrig gilt. Über die Rechtmässigkeit der zweiten beklagten Polizeikontrolle wird das Gericht voraussichtlich kommende Woche entscheiden.