Geringverdiener immer chancenloser: Hamburgs traurige Sozialwohnungs-Bilanz
„Wir können wirklich nicht zufrieden sein.“ Diese Worte wählte Hamburgs Bausenatorin Karen Pein (SPD) Anfang des Jahres. Der Grund: Die Zahl der dringend benötigten Sozialwohnungen ist derzeit auf einem Allzeit-Tief. Jetzt zeigt sich: Das ist keine hamburgische Besonderheit. Auch deutschlandweit gibt es so wenige günstige Wohnungen wie nie zuvor. Wie schneidet die Hansestadt im Bundesvergleich ab und vor allem – was unternimmt die Stadt gegen den Abwärtstrend?
„Wir können wirklich nicht zufrieden sein“: Diese Worte wählte Hamburgs Bausenatorin Karen Pein (SPD) Anfang des Jahres. Der Grund: Die Zahl der dringend benötigten Sozialwohnungen ist derzeit auf einem Allzeit-Tief. Jetzt zeigt sich: Das ist keine hamburgische Besonderheit. Auch deutschlandweit gibt es so wenige günstige Wohnungen wie nie zuvor. Wie schneidet die Hansestadt im Bundesvergleich ab und vor allem – was unternimmt die Stadt gegen den Abwärtstrend?
Günstig wohnen war noch nie so schwierig: Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Linken. Demnach gab es 2022 in ganz Deutschland knapp über eine Million Wohnungen für Menschen mit kleinem Einkommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2006 waren es noch doppelt so viele.
Warum werden es immer weniger Sozialwohnungen?
Obwohl 22.545 dieser Wohnungen 2022 gebaut wurden, schrumpfte der Bestand um 14.000. Das liegt daran, dass um die 36.500 Stück aus der sogenannten Preisbindung fielen – also nicht mehr länger als Sozialwohnung vermietet werden.
Auch in Hamburg werden bis 2030 jährlich zwischen 3000 und 5000 Wohnungen aus dieser Preisbindung verschwinden. Das geht aus einer Anfrage der Hamburger Linken an den Senat hervor. Mit Abstand am meisten sind es in den nächsten zwei Jahren in Billstedt: 2024 fallen dort 1193 Stück weg, ein Jahr später 1030.
Sozialwohnungen sollen in Hamburg 100 Jahre preisgebunden sein
Dabei hatten sich Senat und Volksinitiativen Ende vergangenen Jahres unter anderem darauf geeinigt, Sozialwohnungen eine 100-jährige Mietpreisgarantie zu garantieren. Der Wohnungsbau-Experte Matthias Günther, Diplom-Ökonom und Vorstand des Pestel-Instituts für Systemforschung, hatte der MOPO aber damals bereits gesagt, dass diese 100-jährige Bindung rechtlich noch längst nicht in trockenen Tüchern sei. 2019 habe der Bundesgerichtshof immerhin geurteilt, dass eine dauerhafte Bindung nicht wirksam sei.
Außerdem „erwarte ich nicht, dass das beim Neubau einen großen Sprung nach vorne bringt“, prognostizierte er. „Es zieht Kosten nach sich. Sanierungskosten sind aus der Miete nicht zu bezahlen.“ Tatsächlich wurden 2022 gerade einmal 1884 von 3000 angepeilten neuen Sozialwohnungen genehmigt. 52 Prozent davon entfallen auf die städtische SAGA, aber auch die erreichte ihr Ziel von 2000 Stück bei weitem nicht.
So wenig neue Sozialwohnungen wie noch nie in Hamburg genehmigt
Ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt, dass die Genehmigungen für Sozialwohnungen zwar schwankten, aber nie unter 2000 fielen. Der bisherige Höchststand war 2019 mit 3551 genehmigten Sozialwohnungen, 2021 waren es noch 2819. „Grund dafür sind die Vervierfachung der Zinsen, der Ukraine-Krieg, die Rezession, die immer teureren und knapperen Baumaterialen sowie fehlende Fachkräfte“, sagte Ralf Sommer, Chef der Hamburgischen Investitions- und Förderbank, die die Sozialwohnungen genehmigt.
„Wo sollen Menschen mit wenig Einkommen noch eine Wohnung finden, wenn der geförderte Wohnungsbau derart drastisch zusammenbricht?“, ärgert sich die Linken-Wohnexpertin Heike Sudmann. „Es laufen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung als neue entstehen. Die Genehmigungen sind so tief in den Keller gefallen, dass kein Lichtblick zu sehen ist.“ Gerade einmal 79.191 Sozialwohnungen gibt es derzeit in Hamburg, dabei hätten 400.000 Haushalte Anspruch auf eine.
Im Bundesvergleich ist Hamburg trotzdem Spitzenreiter
Allerdings: Im Bundesvergleich steht die Hansestadt gut da und ist mit 4281 Sozialwohnungen pro 100.000 Einwohnern unangefochtener Spitzenreiter. Dahinter folgt Berlin mit gerade einmal 2790 und NRW mit 2398 Stück.
SPD-Senatorin Pein will sich darauf allerdings nicht ausruhen. Dazu habe die Stadt die Neubauförderung noch einmal deutlich erhöht: 740 Millionen Euro sind es dieses Jahr, 2024 sogar 779 Millionen. „Dadurch lohnt es sich für die Wohnungsunternehmen, auch weiterhin Sozialwohnungen zu bauen. Mehr noch: Bisher frei finanzierte Projekte können jetzt als gefördert umgesetzt werden, weil es lukrativer ist.“ Ein positives Beispiel sind 157 geförderte Wohnungen, die gerade auf dem Areal der ehemaligen Oberpostdirektion in Winterhude entstehen.