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  • Er fuhr einen jungen Mann tot: Polizist Gregor L. (36).
  • Foto: RUEGA

Polizist fährt Fußgänger tot: Vor Gericht erklärt er: „Bilder lassen mich nicht los“

Harburg –

Er jagte einen Sexualverbrecher und raste im Affentempo durch Harburg. Dabei überfuhr Polizist Gregor L. einen jungen Mann, der bei der Kollision auf der Harburger Chaussee (Kleiner Grasbrook) ums Leben kam. Fuhr der Streifenbeamte zu schnell? Um diese Frage geht es seit Mittwoch im Prozess vor dem Harburger Amtsgericht. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung.

Es war ein schwerer Gang für die Familie von Tim Nico († 24). Mit ernster Miene betraten sie den Gerichtssaal in Harburg – Vater, Mutter, Bruder und Schwester des Getöteten. Die Gesichter vom Leid gezeichnet nahmen die vier gegenüber demjenigen Platz, der den geliebten Menschen aus ihrer Mitte gerissen hatte.

Die Familie des getöteten Tim Nico

Vom Leid gezeichnet: Die Familie des getöteten Tim Nico mit ihrem Anwalt (l.).

Foto:

Ruega/ RUEGA/ RUEGA

Angeklagter ist in psychologischer Behandlung

Eineinhalb Jahre sind seit dem schrecklichen Vorfall vergangen, der das Leben der Familie A. aus Hamburg Mitte seitdem täglich bestimmt. Doch auch Polizist Gregor L. ist schwer traumatisiert. Nach dem Drama am 11. Mai 2018 war er lange krank geschrieben, wie seine Anwältin in einer Einlassung erklärte. Bis heute ist er in psychologischer und psychiatrischer Behandlung, weil die Bilder ihn nicht loslassen. „Ich sehe immer wieder die Person am linken Fahrbahnrand vor mir, wie sie auf mich zugeht“, so der Angeklagte leise.

Video: Streifenwagen erfasst und tötet Fußgänger

Die Person – das war Tim Nico. Der 24-Jährige war hinter einem Sattelschlepper auf die Fahrbahn getreten, um die Straße zu überqueren. Er befand sich auf der Mitte der Fahrbahn, als der Streifenwagen mit Blaulicht und Alarmsignal angerast kam. Gregor L., der am Steuer saß, sah den jungen Mann zu spät und konnte nicht mehr ausweichen. Ein Schrei. Ein Knall. Ein fliegender Körper. Tim Nico war sofort tot.

Unfallstelle auf der Harburger Chaussee

Peterwagen und Bremsspur kurz nach dem Unfall.

Foto:

Röer

Ein Gutachten ergab später, dass die Aufprallgeschwindigkeit bei 110 Stundenkilometern gelegen hat. Zuvor soll Gregor L. auch mal 125 km/H gefahren sein. Erlaubt waren an dieser Stelle lediglich 80 km/H.

Der Angeklagte und sein Kollege jagten einen Sexualtäter

Doch Gregor L. und sein Kollege auf dem Beifahrersitz waren im Einsatz. Sie waren wenige Minuten zuvor über Funk um Unterstützung gebeten worden. Um Unterstützung bei der Suche nach einem Sexualstraftäter, der sich an einer Minderjährigen vergangen haben sollte.

„Der Kollege, der den Funkspruch absetzte, war außer Puste“, erinnert sich Gregor L.s Beifahrer. So als habe er den Täter gejagt, der ihm dann entwischte. Da Gregor L. und er nur einen Kilometer entfernt waren, seien sie losgedüst. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir zu schnell fuhren“, so der Zeuge. Lagebedingt seien hohe Geschwindigkeiten bei Einsätzen durchaus üblich. 

Richterin in Harburg: „Es geht hier allein um Aufklärung!“

„Die Bevölkerung erwartet von der Polizei Schnelligkeit“, betont auch L.s Anwältin. Ob der Einsatz die hohe Geschwindigkeit rechtfertigte, muss das Gericht nun feststellen. Alle Parteien betonten in einem bemerkenswerten und von Empathie getragenen Dialog, dass es in dem Verfahren nicht um Schuldzuweisungen gehen soll, sondern dass man angesichts der Tragödie sachlich bleiben und sich mit Respekt begegnen wolle. Die Richterin fasste zusammen: „Es geht allein um Aufklärung.“ Der Prozess wird fortgesetzt.

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