„Totalversagen!“: Der Streit um die geklauten 40 Millionen Euro
Es ist eines der spektakulärsten Verbrechen Norddeutschlands: Täter bohren sich durch eine Wohnung in den Tresorraum einer Haspa-Filiale in Norderstedt, knacken Schließfächer und nehmen Geld und Wertsachen im Wert von knapp 40 Millionen Euro mit. Hätte die Haspa den Coup verhindern können? Ja, behauptet Jürgen Hennemann, Anwalt zahlreicher Opfer in dem Verfahren. Er spricht von einem „sicherheitstechnischen Totalversagen“. Das Hamburger Landgericht sieht das ähnlich.
Es ist eines der spektakulärsten Verbrechen Norddeutschlands: Täter bohren sich durch eine Wohnung in den Tresorraum einer Haspa-Filiale in Norderstedt, knacken Schließfächer und nehmen Geld und Wertsachen im Wert von knapp 40 Millionen Euro mit. Hätte die Haspa den Coup verhindern können? Ja, behauptet Jürgen Hennemann, Anwalt zahlreicher Opfer in dem Verfahren. Er spricht von einem „sicherheitstechnischen Totalversagen“. Das Hamburger Landgericht sieht das ähnlich.
Die Infrastruktur der Haspa-Schließfachsicherung, so der Vorwurf von Hennemann im MOPO-Gespräch, sei „total dysfunktional“. Schon seit Jahren sehe die Bank sich nicht in der Pflicht, ihre Tresorräume sicherheitstechnisch aufzurüsten, sagt der Anwalt. Dabei hätten es Täter gezielt auf Sparkassen abgesehen, vor allem wegen der laschen Schutzmaßnahmen. Das beste Beispiel sei ein versuchtes Verbrechen in Altona acht Monate vor dem Fall in Norderstedt.
Fall aus Altona weist deutliche Parallelen auf
Damals war es nur Zufall, dass die Täter, die ebenfalls einen Kernbohrer benutzen wollten, flüchten mussten. Zwei Reinigungskräfte hatten die Schichten getauscht. Der Einspringende konnte aber nicht am Montag arbeiten, an dem sein Kollege sonst immer sauber macht, sondern war schon Samstag gekommen. Die Täter, die die Bank an der Holstenstraße ausspioniert haben müssen, waren eigentlich davon ausgegangen, dass am Wochenende niemand da sei. Sie hatten über die Garage kommend bereits Türen aufgeflext, ohne den Alarm auszulösen. Doch dann kam ihnen die Reinigungskraft in die Quere. Die Täter flüchteten ohne Beute, ließen sogar den 300 Kilogramm schweren Bohrer da.

„Anstatt damals zu sagen, dass man als Bank aufrüstet, ist bei der Haspa nichts passiert“, moniert Hennemann. Man hätte die Schließfachbereiche entweder mit Sicherheitsleuten versehen müssen, bis die Nachrüstungsmaßnahmen abgeschlossen sind, oder die Anlage notfalls vorübergehend ganz schließen müssen. Nichts davon sei geschehen.„Sie haben somit um den Supergau buchstäblich gebettelt, und ihn wenige Monate später auch bekommen.“

In Norderstedt bohrten sich die Täter ihren Weg in den Tresorraum durch eine darüber angemietete Wohnung. Zwei Tage lang am ersten August-Wochenende 2021 brachten sie Geld und Wertsachen aus dem Tresorraum, der nur mit einem einzelnen Bewegungsmelder ausgestattet war. Dessen Oberfläche klebten die Täter nach MOPO-Informationen einfach ab. Laut Hennemann habe der Melder „Baumarkt-Qualität“ gehabt – das entspräche dem Sicherheitsniveau einer Schrebergartenlaube.
„Grob fahrlässig“: Anwalt kritisiert Sicherheitssysteme der Haspa
Marktüblich seien Körperschall-, Vibrations- oder Erschütterungssensoren, deren Mikrofone sogar einen heruntergefallenen Kugelschreiber registrieren würden. Auch Laserschranken sollten ein Muss sein, sagt Hennemann. Man habe es hier mit „grob fahrlässigen Verletzungen von Sicherheitsobliegenheiten“ zu tun. Kunden hätten von der Haspa über die „Dysfunktionalität der Sicherungssysteme“ aufgeklärt werden müssen.
Hennemann, der Klage beim zuständigen Hamburger Landgericht einreichte, bekommt Recht: In einer Verfügung des Landgerichts, die der MOPO vorliegt, steht, dass die Kammer die Sicherheitsmaßnahmen für unzureichend hält. Die „Verpflichtung zur tresormäßigen Sicherung“ sei nicht erfüllt.

Das Landgericht glaubt ebenfalls nicht, dass die Haspa damit durchkommt, die Haftungsobergrenze von 40.000 Euro – die in den bankeigenen Bedingungen festgehalten ist – durchzusetzen. Dies dürfte einer Kontrolle laut Landgericht nicht standhalten, heißt es in der Verfügung. Die Haspa hatte ihren Kunden maximal 40.000 Euro Entschädigung gezahlt, obwohl der Wert des Inhalts einiger Schließfächer deutlich darüber lag.
Lasche Sicherungssysteme? Das sagt die Haspa
Die Haspa sieht das anders. Auf MOPO-Nachfrage heißt es, dass die Sicherungssysteme des Tresorraums in der Norderstedter Filiale zum Zeitpunkt des Einbruchs „auf dem aktuellen Stand der Technik“ gewesen seien. Der Bereich sei mehrfach durch professionelle Systeme geschützt gewesen. Dies habe auch ein Gutachten der Versicherung bestätigt. Dieses hatte die Haspa selbst in Auftrag gegeben, nicht die in dem Fall ermittelnde Staatsanwaltschaft.
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Durch die Sicht des Hamburger Landgerichts ändere sich an der Einschätzung der Haspa nichts, so Stefanie von Carlsburg, Sprecherin der Bank. „Unsere Sicherungssysteme werden fortlaufend dahingehend überprüft, dass sie dem aktuellen Stand der Technik entsprechen.“
Zu der möglicherweise unrechten Haftungsobergrenze von 40.000 Euro äußerte sich die Haspa nicht. Ein erster Termin für eine mündliche Verhandlung des Falles war für den 20. März anberaumt, ist nun aber in den April verschoben worden.