Jeder kann dort melden: Das bringt die neue Beschwerdestelle der Hamburger Polizei
Gewalt gegen linke Demonstranten, rassistische Kontrollen, unpassende Bemerkungen: Immer wieder sorgen derartige Vorwürfe gegen die Hamburger Polizei für Schlagzeilen. Gleichzeitig gilt sie als verschworene Gruppe, die Fehler in den eigenen Reihen eher mäßig motiviert verfolgt. Nun will man mit diesem Bild aufräumen: Im März 2021 entstand eine neue Beschwerdestelle bei der Polizei für Bürgerinnen und Bürger – ein Jahr später folgte jetzt der erste Bericht. Kritiker sehen sich dadurch bestätigt: Wenn Polizisten gegen ihre Kollegen vorgehen sollen, passiere nichts. Denn viele Beschwerden werden abgewiesen, Konsequenzen gibt es kaum. Selbst polizeiintern werden Probleme gesehen. Ein „harter Hund“ soll es jetzt richten.
Die neu konzipierte Beschwerdestelle scheint wahrgenommen zu werden – besonders mit Blick auf interne Hinweise: Während 2019 und 2020 jeweils nur eine interne Beschwerde bekannt wurde, waren es im Zeitraum vom März 2021 bis Ende Februar 2022 schon 14. Dazu kamen 1249 externe Beschwerden.
Gewalt gegen linke Demonstranten, rassistische Kontrollen, unpassende Bemerkungen: Immer wieder sorgen derartige Vorwürfe gegen die Hamburger Polizei für Schlagzeilen. Gleichzeitig gilt sie als verschworene Gruppe, die Fehler in den eigenen Reihen eher mäßig motiviert verfolgt. Nun will man mit diesem Bild aufräumen: Im März 2021 entstand eine neue Beschwerdestelle bei der Polizei für Bürgerinnen und Bürger – ein Jahr später folgte jetzt der erste Bericht. Kritiker sehen sich dadurch bestätigt: Wenn Polizisten gegen ihre Kollegen vorgehen sollen, passiere nichts. Denn viele Beschwerden werden abgewiesen, Konsequenzen gibt es kaum. Selbst polizeiintern werden Probleme gesehen. Ein „harter Hund“ soll es jetzt richten.
Die neu konzipierte Beschwerdestelle scheint wahrgenommen zu werden – besonders mit Blick auf interne Hinweise: Während 2019 und 2020 jeweils nur eine interne Beschwerde bekannt wurde, waren es im Zeitraum vom März 2021 bis Ende Februar 2022 schon 14. Dazu kamen 1249 externe Beschwerden.
Der Jahresbericht der Dienststelle folgte im Juli. Das Ergebnis der 1082 abgeschlossenen Verfahren zu den gemeldeten Fällen ist auffällig: nur 84 Beschwerden wurden als berechtigt eingestuft (7,8 Prozent), 116 galten als teilberechtigt (10,7 Prozent) und 673 als unberechtigt (62,2 Prozent).
Hamburg: Linke kritisiert Beschwerdestelle der Hamburger Polizei
Für die Linksfraktion in Hamburg ist klar: Diese Zahlen beweisen die strukturellen Schwächen der Beschwerdestelle. Bedeutet: Sie leistet in ihrer jetzigen Form keinen nennenswerten Beitrag zur Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens. „Für echte Aufklärung braucht es auch die Bedingungen, etwa eine strukturelle und personelle Unabhängigkeit vom Polizeiapparat sowie eigenständige und umfassende Ermittlungsbefugnisse in allen Bereichen. Diesem Anspruch wird die Beschwerdestelle nicht gerecht“, kritisiert der innenpolitische Sprecher Deniz Celik.
Stimmt das? Tatsache ist, dass die Beschwerdestelle (BMDA) zur Polizei Hamburg gehört. Seit dem 1. Februar ist die Dienststelle unmittelbar dem Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer unterstellt, das Team setzt sich aus Polizeikräften und externen Sozialwissenschaftlern zusammen – so soll Objektivität gewahrt werden.
Hamburger Polizei-Beschwerdestelle: Soziologen für Perspektivwechsel
„Durch die bewusste Verstärkung der Beschwerdestelle mit externen Kolleginnen und Kollegen, die über eine soziologisch ausgerichtete Ausbildung verfügen und keine Polizeibeamten sind, werden Perspektivwechsel und insbesondere die Einbeziehung emotionaler Dimensionen bei der Untersuchung von Beschwerden ermöglicht“, sagt der Leiter der Beschwerdestelle Ulf Bettermann-Jennes. Zusätzlich habe man darauf geachtet, dass die Mitarbeiter Kenntnisse bei Themen wie Diversität, Rassismus und Radikalisierung besitzen.
Denn auch der Hamburger Polizei wird immer wieder vorgeworfen, sie betreibe Racial Profiling – kontrolliere also Menschen allein aufgrund ihrer Hautfarbe und Herkunft. Die Debatte um die sogenannten Rassismus-Studien brachte der Polizei zusätzlich den Vorwurf ein, sie hätte gar kein Interesse daran, rassistische Tendenzen und möglichen strukturellen Rassismus in ihren Reihen aufzudecken und zu bekämpfen.
Bettermann-Jennes ist wichtig, dass sowohl der Einsatz selbst als auch die Wirkung des Einsatzes bei Betroffenen im Falle von Beschwerden Beachtung findet: „Polizeiliches Handeln löst bei Betroffenen oftmals eine Vielzahl von negativen Gefühlen aus, die sich in Unverständnis, Wut oder empfundener Hilflosigkeit widerspiegeln. Die reine Überprüfung der Einhaltung von formalen Erfordernissen hilft hier nur bedingt, wichtig ist es für uns, alle Facetten des Einzelfalles zu klären und zu erklären. Das kann im Zweifelsfall auch bedeuten, dass der formal korrekt abgearbeitete Einsatz eine berechtigte Kritik beinhaltet.“
In 37 Fällen wird Polizisten rassistisches Verhalten vorgeworfen
Der Jahresbericht zeigt: Es wurden 37 Beschwerden wegen rassistischen Verhaltens bei der Dienststelle eingereicht. Davon wurden jedoch nur drei Fälle als berechtigt eingestuft. In einem Fall ging es um Äußerungen eines Polizisten während einer Verkehrskontrolle, in einem anderen um Äußerungen im Zusammenhang mit einer Ruhestörung durch eine Veranstaltung eines islamischen Kulturvereins und im dritten Fall machte ein Polizist eine rassistische Aussage gegenüber einer Person, die auf dem Kommissariat eine Anzeige aufgab.
Im Bericht der Beschwerdestelle wird die Kategorisierung von berechtigt, teilberechtigt und unberechtigt kritisch beleuchtet. Man nutze diese Unterteilung zwar derzeit wie alle 16 Polizeien der Länder, doch werde diese bundesweite Praxis diskutiert, da sich die Beschwerden in vielen Fällen nicht in diese Kategorien einordnen lassen. So gelten nach diesem System nur Beschwerden als berechtigt, wo sich ein Fehlverhalten ohne Zweifel feststellen lässt, dass jedoch meist an Einzelpersonen festgemacht ist. Diese Betrachtungsweise verhindere, dass diskriminierende Strukturen erkannt und sanktioniert werden, heißt es im Bericht. Die Beschwerdestelle will diese Kategorieren deshalb perspektivisch abschaffen. Bislang habe man jedoch noch keine länderübergreifende Alternative gefunden.
Mit Blick auf die drei als berechtigt eingestuften Beschwerden zeigt sich: Die Folgen für die Beamten sind überschaubar. Nur im ersten Fall folgte ein Disziplinarverfahren, die beiden anderen Polizisten kamen mit einem Kritikgespräch davon. Das reicht nicht, findet Deniz Celik von den Linken. Er fordert eine unabhängige Beschwerdestelle mit eigenständiger Ermittlungskompetenz. Damit solle auch sichergestellt werden, dass sich mehr Menschen trauen, eine Beschwerde einzureichen.
Große Hoffnung wird in den Leiter der Polizei-Beschwerdestelle gesetzt
Diesen Anspruch verfolgt auch der Leiter der Beschwerdestelle: Man habe im ersten Jahr insbesondere auf niedrigschwellige Ansprechbarkeit geachtet und dafür die externe Anlaufstelle in der Mönckebergstraße 5 eröffnet, wie auch das anonym nutzbare Hinweis-System geschaffen und mit einer Vielzahl von Interessensverbänden gesprochen, um den Bekanntheitsgrad der Stelle zu steigern. „In der Auswertung der Beschwerden stellen wir allerdings fest, dass es uns noch nicht gelingt, alle gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere Minderheiten, zu erreichen“, sagt Bettermann-Jennes. „Hier sehen wir Verbesserungspotenziale, durch zusätzliche Bemühungen wollen wir unsere Zugänglichkeit kontinuierlich erweitern.“
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Selbst in ihrem jetzigen Zustand sehen jedoch längst nicht alle die Beschwerdestelle so pessimistisch wie die Linken. Sie sei „besser als nichts“, heißt es von mehreren Seiten. Vor allem der jetzige Chef der Beschwerdestelle, Ulf Bettermann-Jennes, gilt nach MOPO-Informationen intern wie extern als harter Hund, der ernsthaft versuche, gegen Probleme und verhärtete Strukturen in der Polizei vorzugehen. Er treibe die Aufklärung der Beschwerden voran und versuche die Polizei zu modernisieren, heißt es. An seine Person ist Hoffnung geknüpft – aber auch die Sorge, wie ernsthaft die Verfolgung der Beschwerden noch vorangetrieben wird, sollte er irgendwann den Posten räumen.