„Einfach nur erschreckend“: Was die Einsatzkräfte in der Silvesternacht erlebten
Die Bilanz der Feuerwehr-Einsätze in der Silvesternacht klingt zunächst nach Routine: Mann sprengt sich Finger ab, Papier-Container und Mülleimer brennen, auch mal eine Wohnung. Dann wird es ungewöhnlich: „Erschreckend in unserer Silvester-Neujahrs-Bilanz ist, (...) wie Einsatzkräfte (...) während der Silvesternacht mit Feuerwerkskörpern aggressiv angegangen, regelrecht beschossen wurden“, heißt es. Was war da los?
Die Bilanz der Feuerwehr-Einsätze in der Silvesternacht klingt zunächst nach Routine: Mann sprengt sich Finger ab, Papier-Container und Mülleimer brennen, auch mal eine Wohnung. Dann wird es ungewöhnlich: „Erschreckend in unserer Silvester-Neujahrs-Bilanz ist, (…) wie Einsatzkräfte (…) während der Silvesternacht mit Feuerwerkskörpern aggressiv angegangen, regelrecht beschossen wurden“, heißt es. Was war da los?
Natürlich war die Einsatzdichte groß. Silvesternächte sind Großkampftage für Polizei und Feuerwehr. Zum ersten Jahreswechsel fast ohne pandemische Einschränkungen erwarteten die Einsatzleiter viel Arbeit. Und so kam es. Im gesamten Stadtgebiet, überwiegend in dichter besiedelten Wohngebieten, gab es schon am frühen Silvesterabend kleinere Brände, oft wegen fehlgeleiteter Raketen, die auf Balkonen explodierten.
Silvester in Hamburg: Brände und Gewalt
An den Landungsbrücken feierten laut Polizei mehr als 15.000 Menschen den Jahreswechsel. Mit Zwischenfällen. Raketen sollen vom Bahnhof aus auf eine Menschengruppe geschossen worden sein. „Der Verursacher konnte festgestellt werden“, sagt Polizeisprecherin Sandra Levgrün. Später kam es zu ähnlichen Angriffen, diesmal waren offenbar Polizisten und Streifenwagen das Ziel.
Nach Mitternacht liefen viele in Richtung Reeperbahn. Die Polizei beobachtete einen „starken Besucherzulauf“ mit „in der Spitze bis zu 30.000 Besucherinnen und Besuchern im Vergnügungsviertel“ und einem „hohen Interesse an Pyrotechnik“. Zahlreiche Einsätze der Polizei folgten: Von einem Balkon an der Reeperbahn aus soll mit einer Waffe geschossen worden sein. Beamte durchsuchten eine Wohnung und stellten eine Schreckschusswaffe sicher. Ein 22-Jähriger beschoss kurz darauf mit einer Raketenbatterie einen Streifenwagen. Er flüchtete, wurde aber von Polizisten gestoppt.
Am Harburger Ring (Harburg) sollen sich etwa 30 Menschen mit Feuerwerkskörpern beworfen haben – Mülleimer und E-Scooter landeten auf der Straße. Polizisten sollen mit Böllern und Flaschen beworfen worden sein. Ein 17- und ein 23-Jähriger wurden als Werfer identifiziert. Wenige Kilometer weiter brannten an der Wilstorfer Straße zwei Corona-Test-Container.

In Iserbrook wurde inmitten einer Menschengruppe ein offenbar illegaler Böller gezündet. Die Druckwelle riss Menschen zu Boden. Eine Elfjährige erlitt eine Platzwunde.
Ein drei Jahre altes Mädchen musste auf der Uhlenhorst mit Verbrennungen an der Brust versorgt werden, wohl nach einem Raketenstart. In Billstedt explodierten Böller in den Händen von zwei Jungen (11, 13). „Sie zogen sich Platzwunden an der Stirn und schwere Augenverletzungen zu“, so Feuerwehrsprecher Jan Ole Unger. In Schnelsen verlor ein 36-Jähriger beim Zünden eines Böllers zwei Finger.
In Rahlstedt kam es zu einem Brand, nachdem eine Rakete vom Balkon in eine Wohnung geflogen war. Fünf Menschen wurden verletzt. Die Wohnung ist unbewohnbar.
In Hausbruch wurden HVV-Busse beschossen, die Fahrer mit Laserpointern geblendet. In einer Bar an der U-Bahn-Station Dehnhaide (Barmbek-Süd) kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen mehreren Männern. Einer wurde mit einem Messer verletzt, er kam ins Krankenhaus. Die Beamten stellten bei dem Einsatz auch eine Pistole sicher.

Bei der Feuerwehr ist man angesichts der Übergriffe auf die eigenen Leute fassungslos: „Was soll das? Wir kommen als Feuerwehr, als Rettungsdienst, um Feuer zu löschen, um Menschen zu retten, und werden dann beschossen?“, so Sprecher Jan Ole Unger.
Die Liste der von der Feuerwehr dokumentierten Übergriffe:
- Böller verletzt Feuerwehrmann: Die Freiwillige Feuerwehr Schnelsen wurde in der Straße Vörn Brook in Schnelsen um 22.20 Uhr beim Löschen brennender Mülleimer mit Feuerwerkskörpern angegriffen. Ein Vogelschreck-Böller drang durch die dicke Brandschutzkleidung eines Feuerwehrmannes und verursachte Verbrennungen am Oberschenkel.
- Retter am Auge verletzt: Die Freiwillige Feuerwehr Eidelstedt trafen im Astweg beim Löschen brennender Müllcontainer Feuerwerkskörper. Die Retter waren gezielt unter Beschuss genommen worden. Einer musste im Krankenhaus behandelt werden.
- Angriff auf Notarzt und Sanitäter: In der Straße Bei St. Ansgar in Niendorf wurden die beiden Rettungskräfte kurz nach Mitternacht angegriffen. Der Angreifer habe „fixiert“ und der Polizei übergeben werden können.
- Leuchtkugel-Schuss auf Motorradfahrer: Ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Finkenwerder sei auf dem Weg zum Einsatz kurz vor dem Feuerwehrhaus am Doggerbankweg mit einer Leuchtkugel beschossen worden. Sie verfehlte ihn knapp.
- Angriff auf Löschfahrzeug: Um 0.44 Uhr bog die Freiwillige Feuerwehr Hausbruch in die Straße Stubbenhof ein, um dort einen brennenden Müllcontainer zu löschen. Dort wurde das Fahrzeug von etwa 50 Leuten mit Böllern beworfen und mit Raketen beschossen. Die Einsatzkräfte zogen sich zurück und die Polizei musste anrücken, um die Anwohner in Schach zu halten.
„Einfach nur erschreckend“, sagt Jan Ole Unger.
Auch die Polizei verzeichnete Angriffe auf Beamte. Unter anderem zersplitterte die Scheibe eines Streifenwagens, der von einer Rakete getroffen worden war. Ein Polizist wurde auf St. Pauli angegriffen und am Kopf schwer verletzt. Die polizeiliche Silvester-Bilanz fällt trotz allem eher positiv aus. Im Vergleich zu anderen Jahreswechseln sei die Lage dieses Jahr „ruhig“ gewesen.