Tödliches Drogen-Drama: Das geschah in Zimmer 716
Eine mutmaßliche Drogenparty in einem Vier-Sterne-Hotel auf St. Pauli endete am Dienstag für einen jungen Partygast tödlich. Drei weitere wurden mit Vergiftungen in Kliniken eingeliefert, darunter ein 13-Jähriges Mädchen. Eine Rekonstruktion der Nacht.
Eine mutmaßliche Drogenparty in einem Vier-Sterne-Hotel auf St. Pauli endete am Dienstag für einen jungen Partygast tödlich. Drei weitere wurden mit Vergiftungen in Kliniken eingeliefert, darunter ein 13-jähriges Mädchen. Eine Rekonstruktion der Nacht.
Das Drama nahm am frühen Montagabend seinen Lauf. Nach MOPO-Informationen erschienen vier Männer an der Rezeption des „Arcotel Onyx“ auf der Reeperbahn und mieteten dort eine Suite in der obersten Etage der siebenstöckigen Vier-Sterne-Herberge. Von hier hat man einen hervorragenden Blick über den Kiez, die Preise liegen im höheren Segment, beginnen bei 210 Euro pro Nacht. Das Zimmer wurde für mehrere Tage gebucht.
Drogenparty in Hotel: Wieso war eine 13-Jährige dabei?
Offenbar wollten die aus Hamburg stammenden Männer im Alter von 19, 20, 21 und 22 Jahren hier eine Party mit Alkohol und Drogen feiern. Verschiedene Alkoholsorten sollen sie selbst mitgebracht haben. Wie ein erst 13 Jahre altes Mädchen dazugestoßen sein könnte, ist noch unklar. Laut „Hamburger Abendblatt“ lebt der Teenager in einer betreuten Wohngruppe in Harburg.

Es war eine lange Nacht. Laut Polizei seien die Feiernden erst am Dienstagmorgen schlafen gegangen. Am Dienstagmittag sei ein 20-Jähriger, der an der Party teilgenommen hatte, aufgewacht und habe das Zimmer verlassen.
Er gab an, er habe nicht bemerkt, dass seine Kumpel und die 13-Jährige sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befanden. Auch nicht, dass der 22-Jährige zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon mit dem Tod rang.
Der 20-Jährige gab an, nichts bemerkt zu haben
Wie ein Polizeisprecher der MOPO bestätigte, sei der 20-Jährige gegen 18 Uhr auf das Zimmer zurückgekehrt. Jetzt erkannte er, dass etwas nicht stimmte: Die 13-Jährige sowie die 19 und 21 Jahre alten Männer waren nicht ansprechbar, der 22-Jährige gab keine Lebenszeichen mehr von sich. Der 20-Jährige informierte die Hotelangestellten, die sofort den Notruf wählten.

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Als die Rettungssanitäter und der Notarzt im Hotel eintrafen, bot sich ihnen ein schreckliches Bild. Zwei Männer und das Mädchen waren kaum ansprechbar, zwei lagen in ihrem Erbrochenen. Der 22-Jährige wies sichere Todeszeichen auf, eine Reanimation wurde deshalb gar nicht erst eingeleitet. Weitere Rettungswagen wurden angefordert.
Polizei hat mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet
Die Polizei hat verschiedene Ermittlungsverfahren eingeleitet. In Betracht kommen laut einem Sprecher Verstoß gegen das Betäubungs- und Arzneimittelgesetz sowie Abgabe von Drogen an Minderjährige. Eine Obduktion bei dem Verstorbenen sowie die Blutuntersuchungen bei den Überlebenden sollen klären, welche Art und Menge Drogen konsumiert wurde. Im Hotelzimmer wurden neben Kokain und Marihuana auch Tabletten und Alkohol gefunden.

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Dr. Peter Strate, Chefarzt für Suchtmedizin an der Asklepios-Klinik Nord Ochsenzoll, erklärte der MOPO, was Drogen-Überdosierungen mit dem Körper machen. Seiner Erfahrung nach werden auf derartigen Partys verschiedene „Rausch erzeugende Substanzen“ durcheinander eingenommen. Einige hätten eine aufputschende und euphorisierende, andere eine beruhigende Wirkung. Laut Einschätzung des Mediziners liegt die Gefahr darin, dass körpereigene Schutzreflexe dadurch verloren gehen, beispielsweise Unwohlsein nicht mehr wahrgenommen werde. „Die Menge und Dauer der Einnahme der konsumierten Drogen und auch des Alkohols ist nicht mehr kontrollierbar. Man spricht hier von dem sogenannten Binge-Konsum“.
Laut Dr. Strate greifen viele Drogenkonsumenten nach ausufernden und häufig über Tage andauernden Partys erfahrungsgemäß auf beruhigende Medikamente zurück, um schlafen zu können. Das sei gefährlich: Reflexe, die normalerweise davor schützen, Erbrochenes einzuatmen, seien lahmgelegt. Ein im Rahmen des Drogenkonsums häufig vorkommender Anstieg des Blutdrucks könne ebenfalls zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.
Anlässlich des Vorfalls in dem Hotel werden erneut Stimmen laut, die ein „Schweizer Modell“ befürworten. Hier können Menschen ihre Drogen vor dem Konsum prüfen lassen. Das sogenannte Drug Checking geschieht anonym und unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht. Allerdings bezieht sich die Prüfung nur auf Mengen, die dem Eigenbedarf zuzuordnen sind. Zudem gehen die Prüfungen des Stoffs mit einem Beratungsgespräch über Folgen des Drogenkonsums einher. Dieses Modell findet in Deutschland bislang keine Befürworter in der Politik.
Arcotel-Sprecherin Gesa Noormann schreibt auf MOPO-Anfrage: „Wir sind sehr bestürzt über den gestrigen Vorfall und um vollständige Aufklärung bemüht. Wegen laufender staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Ermittlungen möchten und dürfen wir uns dazu allerdings nicht äußern“.