Corona und Personalnot in „Santa Fu“: Anwalt beklagt „katastrophale Zustände“
Gefangen hinter Knastmauern und vergitterten Fenstern und dann auch noch isoliert: Weil Omikron-Variante auch in Hamburgs Haftanstalten wütet, werden Gefangene voneinander strikt getrennt. Sie dürfen nicht arbeiten, kaum Besuch empfangen, keinen Sport treiben, oft nicht einmal telefonieren. Zudem wurden alle Vollzugslockerungen, die die Gefangenen auf ein Leben in Freiheit vorbereiten sollen, weiter zurückgefahren.
„Die jetzige Situation ist ungeheuer belastend für viele Gefangene, die Stimmung in den Gefängnissen am Kochen“, berichtet der Anwalt Christian Woldmann, der mehrere Häftlinge vertritt, die in „Santa Fu“, der Fuhlsbüttler Justizvollzugsanstalt einsitzen.
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Gefangen hinter Knastmauern und vergitterten Fenstern und dann auch noch isoliert: Weil Omikron-Variante auch in Hamburgs Haftanstalten wütet, werden Gefangene voneinander strikt getrennt. Sie dürfen nicht arbeiten, kaum Besuch empfangen, keinen Sport treiben, oft nicht einmal telefonieren. Zudem wurden alle Vollzugslockerungen, die die Gefangenen auf ein Leben in Freiheit vorbereiten sollen, weiter zurückgefahren.
„Die jetzige Situation ist ungeheuer belastend für viele Gefangene, die Stimmung in den Gefängnissen am Kochen“, berichtet der Anwalt Christian Woldmann, der mehrere Häftlinge vertritt, die in „Santa Fu“, der Fuhlsbüttler Justizvollzugsanstalt einsitzen.
Anwalt: Corona und Personalmangel extrem belastend für Hamburger Gefangene
„Corona ist für die Gefangenen eine Belastung“; weiß auch Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) und ergänzt: „Viele Aktivitäten mussten eingeschränkt werden, um Gefangene und Bedienstete zu schützen.“ Die wenigen Angehörigen-Besuche, die noch stattfinden, finden ohne jeden Körperkontakt mit Trennscheibe oder gar als Videobesuch statt. Kinder im Vorschulalter dürfen ihre einsitzenden Väter gar nicht mehr besuchen. Und selbst Duschen ist aus hygienischen Gründen für infizierte Gefangene nicht möglich: Ihnen wird zur Katzenwäsche eine wassergefüllte Plastikwanne in die Zelle gebracht.
Die JVA Fuhlsbüttel verfügt über insgesamt 386 Haftplätze, 315 davon sind derzeit besetzt. Zuletzt waren 25 Gefangene mit dem Virus infiziert. Wegen der Corona-Fälle wurden nach Angaben der Justizbehörde bereits in der ersten Januarwoche viele Freizeitaktivitäten auf Null gefahren und die meisten Arbeitsbereiche geschlossen. Davon betroffen waren 112 Inhaftierte, denen eine Arbeit zugewiesen worden war. Sie sollen für die ausgefallenen ohnehin sehr geringen Löhne nun zumindest teilweise entschädigt werden.
Hamburgs Justizsenatorin Gallina stellt Gefangenen TVs zur Verfügung
Zudem kündigte Gallina an, einem Teil der Häftlinge „kostenfrei Fernsehgeräte zur Verfügung zu stellen, um den Gefangenen etwas Ablenkung und Beschäftigung zu bieten.“ Gallina wörtlich: „Gerade in den Tagen der Quarantäne oder Isolation bietet ein Fernseher einen Ausgleich.“
Eingeschleppt wurde das Virus nach „Santa Fu“ vermutlich über Bedienstete der Anstalt. Mindestens 13 von ihnen haben sich inzwischen angesteckt. Dennis Sulzmann, Sprecher der Justizbehörde betont, dass in allen Bereichen des Justizvollzugs „penibel“ auf die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln geachtet werde. Da aber sind Zweifel erlaubt.
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Der MOPO liegen Berichte mehrerer Gefangener vor, dass das Personal die Mund-Nasen-Masken nur bei einem Kontakt zu Häftlingen aufsetzt, untereinander aber darauf verzichtet „Kurios“ sei auch, so Woldmann, „dass die Gefangenen zeitweilig zwar die meiste Zeit voneinander strikt isoliert und in ihre Zellen eingeschlossen“ waren, dann aber – in sehr großen Gruppen – den gemeinsamen Hofgang absolvieren müssten.
Anwalt: „Katastrophale Situation in den Haftanstalten“
Woldmann beklagt, dass „Corona auf eine katastrophale Situation in den Haftanstalten obendrauf“ komme. So beklagt die Gewerkschaft der Vollzugsbediensteten LVHS, dass im Hamburger Justizvollzug derzeit diverse freie Stellen nicht besetzt werden, was zu einer ungeheuren Arbeitsbelastung des Gefängnispersonals führe. Vor allem Vollzugslockerungen wie Freigänge und Ausführungen, die die Gefangenen auf ein Leben in Freiheit vorbereiten sollen, seien schon vor Corona „massiv zurückgefahren“ worden, klagt Woldmann.
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Ständig müsse er als Anwalt, „die nicht mit dem Gesetz in Einklang stehende Verweigerung von Vollzugslockerungen, die früher selbstverständlich waren,“ für seine Mandanten vor Gericht kippen. „Wir gewinnen de facto jedes Verfahren und trotzdem ändert sich in der Praxis nichts“, klagt der Jurist. In den vergangenen zehn Jahren seien „diese Rechte der Gefangenen niemals so stark missachtet worden, wie unter der neuen grünen Justizsenatorin.“