Bizarres Tauziehen um Supermarkt auf dem Kiez: Wer ist hier eigentlich der Chef?
Veysel D. kann es einfach nicht fassen. Seit 19 Jahren betreibt er den Erden Market am Nobistor – zuerst als Teppichhandel, ab 2016 als kleinen Supermarkt. Dann der Schock: Plötzlich landet die Kündigung in seinem Briefkasten. Während sich D. dagegen noch vor Gericht wehrt, taucht plötzlich ein neuer Mietvertrag mit „dem eigentlichen Betreiber des Erden Markets“ auf – den kennt er nur zu gut. Und auch die Miete hat sich mal eben mehr als verdoppelt. Ein absurdes Tauziehen um die Immobilie beginnt.
D. kann es einfach nicht fassen. Seit 19 Jahren betreibt er den Erden Market am Nobistor – zuerst als Teppichhandel, ab 2016 als kleinen Supermarkt. Dann der Schock: die Kündigung. Während sich D. dagegen noch vor Gericht wehrt, taucht plötzlich ein neuer Mietvertrag mit „dem eigentlichen Betreiber des Erden Market“ auf – den kennt er gut. Und auch die Miete hat sich mal eben mehr als verdoppelt. Ein absurdes Tauziehen um die Immobilie beginnt.
„Ich verstehe den Grund wirklich nicht!“, D. ist verzweifelt. „Meine Miete habe ich immer gezahlt.“ Ende 2021 erhielt er trotzdem die Kündigung von dem neuen Eigentümer, der vor zwei Jahren sowohl das angrenzende Wohngebäude in der Königstraße 8 als auch die Immobilie am Nobistor 37 von einer 27-köpfigen Erbengemeinschaft erworben hatte.
Er bekam plötzlich die Kündigung vom Eigentümer
Das wollte D. nicht akzeptieren, bezeichnet den Erden Market als sein Lebenswerk. Seit Anfang 2022 läuft deshalb gegen ihn eine Räumungsklage am Landgericht Hamburg. Laut Gerichtssprecher Kai Wantzen macht der Eigentümer geltend, dass für das Mietverhältnis keine feste Laufzeit vereinbart worden sei. Deshalb sei eine fristgerechte Kündigung eingereicht worden.
D. hält dagegen: Der erste, 2004 geschlossene Vertrag, den er der MOPO zeigt, war zunächst bis 2014 befristet. Im nächsten Vertrag von 2009 taucht dann die Mindestmietdauer bis 2029 auf, die auch durch einen Nachtrag von 2016 nicht entkräftet wurde.
Der Eigentümer bestreitet die Vorwürfe vehement
Mit den Vorwürfen konfrontiert, schickt die Eigentümerin, die FN Amalthea, erneut ihre Anwälte vor. Die MOPO hatte bereits im Herbst 2022 über die nebenan liegende Immobilie des Unternehmens, die Königstraße 8, berichtet. Damals beklagten die Anwohner die schlechte Erreichbarkeit der Hausverwaltung bei immer größeren Schäden im Haus: Diese reichten von kaputten Klingeln, Spülkästen und Haustüren bis zu Problemen mit der Warmwasserversorgung.
Die Darstellung sei unzutreffend, heißt es in der jetzigen Stellungnahme. „Tatsächlich hat unsere Mandantschaft nicht ein Mietverhältnis mit dem Inhaber des Erden Markets gekündigt, sondern das mit einem Dritten (…)“ Damit ist D. gemeint. „Dieser hat als Vormieter die von ihm nicht genutzte Immobilie unserer Mandantschaft gewinnbringend an den Inhaber des Erden Markets, Herrn Panjshiri, vermietet.“
D. ist außer sich vor Wut. „Herr Panjshiri ist erst seit Oktober mein Geschäftsführer, da gibt es keinen Untermietvertrag“, sagt er. Der 29-jährige Panjshiri bestätigt das. Einen Arbeitsvertrag gibt es laut D. zwischen den beiden allerdings nicht.
Wer ist der „tatsächliche“ Betreiber des Erden Market?
Aus Sicht der FN Amalthea bestehen keine Zweifel. „Mit dem tatsächlichen Betreiber des Erden Markets, Herrn Panjshiri, hat unsere Mandantschaft bereits einvernehmlich auf Grundlage vorhergehender Verhandlungen den neuen Mietvertrag abgeschlossen“, lässt der Eigentümer über Anwälte mitteilen.
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Dieser ominöse, Ende Februar unterschriebene Vertrag liegt der MOPO ebenfalls vor. „Sie haben ihn damit überrascht, Herr Panjshiri war total überfordert damit und hat dann unterschrieben“, sagt D. Die „FN Amalthea“ bestreitet das, wiederholt die „einvernehmlichen Vertragsverhandlungen“. Panjshiri selbst gibt an, den Eigentümer bei diesen Gesprächen überhaupt erst kennengelernt zu haben.
Der neue Vertrag für die Immobilie am Nobistor
Was auf den ersten Blick auffällt: Die Miete ist deutlich höher als noch im alten Vertrag: Von circa 4000 Euro warm ist sie auf 9291 Euro im Monat gestiegen. Interessant sind aber auch die vielen Vorbemerkungen im fast 50-seitigen Dokument: Dort steht unter anderem, dass „der Mietgegenstand derzeit noch von einem Vormieter genutzt wird“. Damit ist wieder D. gemeint.
Das Mietverhältnis sei zwar bereits gekündigt worden, der Vormieter verweigere aber die Räumung. Erst wenn das geklärt sei, könne der Laden genutzt werden. Jetzt wird es absurd: „Sollte die aufschiebende Bedingung nicht bis zum 31.12.2024 eingetreten sein, ist der Vertrag (…) nicht rechtswirksam zustande gekommen“, steht dort. Das Gleiche gilt für den Fall, wenn sich Vormieter und Vermieter vor Gericht einigen sollten.
Bedeutet im Klartext: Sollte die Räumung bis Ende 2024 nicht erfolgreich sein oder die FN Amalthea sich mit D. vor Gericht einigen, ist Panjshiri wieder raus. Aber auch die letzte Seite im Vertrag macht stutzig: Dort unterschrieb der Chef der FN Amalthea bei „Mieter“, während Panjshiris Unterschrift bei „Vermieter“ steht. „Hierbei handelt es sich offensichtlich um ein Versehen“, erklärt die FN Amalthea, dadurch könnte keine Unwirksamkeit des Mietvertrages konstruiert werden.
Derzeit haben beide Parteien die Gelegenheit, beim Landgericht zu den jeweils eingereichten Schriftsätzen der Gegenseite Stellung zu nehmen. Laut Gerichtssprecher Wantzen komme es anschließend häufig noch einmal zu einer mündlichen Verhandlung, der Termin stehe allerdings noch nicht fest. D. bleibt optimistisch. „Ich werde mich nicht rausekeln lassen“, sagt er.