Wie Science Fiction: So soll Hamburgs neuer Stadtteil aussehen
Keine Autos am Straßenrand, dafür Platz für Fußgänger und Radler, Wasserläufe und ein riesiger Grüngürtel („Loop“): In Billwerder sollen ab dem kommenden Jahr die Bauarbeiten für Hamburgs 105. Stadtteil beginnen – buchstäblich auf der grünen Wiese. Die ursprüngliche Planung musste um sechs Hektar verkleinert werden. Was das für das Projekt Oberbillwerder bedeutet und wie es weitergeht, haben nun IBA-Chefin Karen Pein und Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing erklärt.
Es war der Bezirk Bergedorf, der die Verkleinerung für das vor Ort ungeliebte Mega-Bauvorhaben erzwang. „Wir haben die Reduzierungen an den Säumen vorgenommen“, so Karen Pein, Geschäftsführerin der IBA GmbH: „Das war keine leichte Aufgabe.“ Die IBA entwickelt im Auftrag der Stadt den Masterplan für Oberbillwerder. Dadurch, dass die Außengrenzen des Baugebietes rundum enger gezogen wurden, fiel etwa der Platz für mehrere Reihenhaus-Riegel weg, aber auch die Zahl von Einfamilienhäusern (Oberbillwerder ist eines der letzten Bauvorhaben mit dieser begehrten Wohnform) und Mehrfamilienhäusern im Zentrum wurde um jeweils fünf Prozent reduziert.
Es bleiben 118 Hektar, zur Hälfte versiegelt. Der nächste Schritt, sobald baurechtlich alles in trockenen Tüchern ist: Ab 2022 sollen die fünf Baugebiete nach und nach mit Sand aufgeschüttet werden, was voraussichtlich Jahre dauern wird. Woher der Sand, der weltweit immer knapper wird, kommen soll und was die Maßnahme kosten wird, ließ die IBA-Chefin im Vagen: „Wir klären gerade, woher wir den Sand bekommen.“ Einen Sandmangel gebe es aber nicht.
Der weitere Fahrplan: 2024 soll mit der Vermarktung begonnen werden, 2026 könnten die ersten Mauern stehen, 2027 oder 2028 die ersten Bewohner einziehen. Fertigstellung: um 2040.
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Bis zu 7000 Wohnungen sollen in den kommenden 20 Jahren entstehen, dazu ein Hochschulcampus, vier Schulen, zwölf Kitas – und elf Parkhäuser, „Mobility-Hubs“ genannt, weil in ihnen auch Geschäfte und Leihstationen für Fahrräder ihren Platz finden sollen, vielleicht auch Sportplätze auf dem Dach. Dass Oberbillwerder „autoarm“ wird, steht seit 2019 fest, als das dänisch-niederländische Planungsteams ADEPT und Karres + Brands mit seinem Entwurf den Wettbewerb gewann.
Man habe sich bewusst gegen Tiefgaragen entschieden, so Karen Pein, weil die Parkhäuser auch verkleinert und umgebaut werden können, wenn die Menschen irgendwann einmal in der Zukunft keine eigenen Autos mehr haben. Eine Sciene-Fiction-artige Visualisierung zeigt, wie ein „Mobility Hub“ dann aussehen könnte, mit Cafés, unbekannten Fahrobjekten auf den Wegen und einer Zeppelin-Haltestelle auf dem Dach.
Trotz der Verkleinerung werde Oberbillwerder eine „moderate Dichte“ haben, verspricht Oberbaudirektor Höing. Die Vorgaben für die zukünftigen Architekten sind klar: „Es wird ein Spiel mit den Höhen geben, es kann auch mal drei Geschosse Unterschied zwischen benachbarten Gebäuden geben.“ Gegen Eintönigkeit in den Straßenzügen müssen Mehrfamilienhäuser alle 20 Meter eine andere Fassade aufweisen, auch die Dachformen sollen variieren und Platz bieten für Begrünung und Solaranlagen. Da es keine Tiefgaragen gibt, sollen in den Innenhöfen grüne Oasen mit Bäumen entstehen.
Die öffentlichen Grünflächen sollen so gestaltet werden, dass sie bei Starkregen Wassermassen aufnehmen können, damit die Keller möglichst trocken bleiben. „Der Klimawandel ist in das Konzept eingepreist“, so Höing.
Am Ende sollen 13.000 bis 15.000 Menschen in Oberbillwerder wohnen, die meisten (85 Prozent) in Mehrfamilienhäusern. 5000 Arbeitsplätze sollen in dem Stadtteil entstehen. Auch die Hochschule für angewandte Wissenschaft HAW wird nach Oberbillwerder ziehen: Die Fakultät Life Sciences mit Studiengängen wie Medizintechnik, Gesundheitswissenschaften, Ökotrophologie, Biotechnologie sowie Umwelt- und Verfahrenstechnik soll in den Stadtteil „eingefädelt“ werden, wie der Oberbaudirektor es nennt: Es soll verteilte, fußläufig zu erreichende Standorte geben und eine Mensa, die auch den Bewohnern offen steht.