Bin ich unsolidarisch, wenn ich keine Maske mehr trage?
Seit einigen Tagen ist in Hamburg die Maskenpflicht beim Einkaufen gefallen – viele Kunden gehen trotzdem auf Nummer sicher und bleiben beim Mundschutz. Auch Bürgermeister Peter Tschentscher und Sozialsenatorin Melanie Leonhard (beide SPD) haben angekündigt, weiter „oben mit“ in den Supermarkt zu gehen. Viele Geschäftsinhaber bitten auf Schildern freundlich um Rücksicht auf die Mitarbeiter und appellieren an die Kundschaft, weiterhin die Maske zu tragen. Und wenn man das nicht will? Ist man dann ein Egoist? Die MOPO sprach mit dem Sozialpsychologen Prof. Dr. Ulrich Wagner von der Philipps-Universität Marburg.
Herr Professor Wagner, ist man unsolidarisch, wenn man jetzt ohne Maske einkaufen geht?
Unsolidarisch ist es, ein Verhalten zu verweigern, das für einen selbst mit wenig Einschränkungen verbunden ist, jemand anderem aber viel nützt. Wenn der Geschäftsinhaber einen also bittet, freiwillig für eine Viertelstunde im Laden weiter Maske zu tragen, um die Angestellten zu schützen, und man ignoriert das, dann ist das schon unsolidarisch.
- Deutsch (Deutschland)
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Seit einigen Tagen ist in Hamburg die Maskenpflicht beim Einkaufen gefallen – viele Kunden gehen trotzdem auf Nummer sicher und bleiben beim Mundschutz. Auch Bürgermeister Peter Tschentscher und Sozialsenatorin Melanie Leonhard (beide SPD) haben angekündigt, weiter „oben mit“ in den Supermarkt zu gehen. Viele Geschäftsinhaber bitten auf Schildern freundlich um Rücksicht auf die Mitarbeiter und appellieren an die Kundschaft, weiterhin die Maske zu tragen. Und wenn man das nicht will? Ist man dann ein Egoist? Die MOPO sprach mit dem Sozialpsychologen Prof. Dr. Ulrich Wagner von der Philipps-Universität Marburg.
Herr Professor Wagner, ist man unsolidarisch, wenn man jetzt ohne Maske einkaufen geht?
Unsolidarisch ist es, ein Verhalten zu verweigern, das für einen selbst mit wenig Einschränkungen verbunden ist, jemand anderem aber viel nützt. Wenn der Geschäftsinhaber einen also bittet, freiwillig für eine Viertelstunde im Laden weiter Maske zu tragen, um die Angestellten zu schützen, und man ignoriert das, dann ist das schon unsolidarisch.
Wenn ich als Kundin freiwillig weiter Maske trage und mir im Laden jemand ohne Maske auf die Pelle rückt, soll ich dann in die Diskussion um Solidarität gehen?Nein, weil derjenige ohne Maske juristisch im Recht ist. Man kann höflich um Abstand bitten und wenn das nicht klappt, die Situation verlassen.
Bei Ihnen in Hessen darf man schon seit ein paar Wochen ohne Maske einkaufen gehen. Trägt da überhaupt noch jemand Mundschutz?
Es war erstaunlich, wie viele Menschen anfangs trotzdem noch Masken getragen haben. Die Bereitschaft hat dann kontinuierlich abgenommen und gleichzeitig, so mein Eindruck, werden die Auseinandersetzungen militanter. Es gibt eine kleine Gruppe, die das Nichttragen einer Maske zu einer freiheitlichen Position erklärt hat. Denen geht es um das, was sie als staatliche Bevormundung ablehnen. Diese Gruppe wird sich auch anderen gesellschaftlichen Fragen, etwa Maßnahmen gegen die Erderwärmung, mit dieser Haltung nähern.
Nun ist aber nicht jeder, der im Laden keine Maske mehr trägt, militant.
Keinesfalls. Bei uns in Marburg trägt etwa in den Spätis, in denen abends die Studenten ihr Bier holen, kaum jemand mehr Maske. Die sind jung, die wollen feiern, denen geht es nicht um Politik. Man muss aber auch etwas anderes bedenken.
Was denn?
Die Masken erinnern uns daran, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Es ist immer noch sinnvoll, Abstand zu halten. Ohne Masken vergisst man das leicht.
Ist es nicht verständlich, dass man Corona endlich vergessen will? Jetzt auch noch der Krieg, man wird ja verrückt langsam.
Das ist absolut verständlich und auch ein sinnvoller Schutzmechanismus, dass wir Menschen nicht ständig über alles Elend auf der Welt nachdenken können. Im Moment überlagert der Krieg die Pandemie. Und beides zusammen überdeckt das Thema Erderwärmung. Nur: Dieser Schutzmechanismus kümmert das Virus überhaupt nicht. Wir wetten gerade auf die Zukunft.