Von der Schulbank in den Tod: Vor 80 Jahren wurden diese Hamburger Kinder deportiert
Reichsstatthalter Karl Kaufmann, Hitlers rechte Hand in Hamburg und mächtigster Nazi Norddeutschlands, erlässt am 29. April 1942 eine Anordnung, die das Schicksal der damals letzten jüdischen Schule in Hamburg besiegelt: Er ordnet an, dass „eine Unterrichtung von Judenkindern ab sofort aufzuhören hat“. Außerdem sollen die Schulräume unverzüglich „der Hamburger Schulverwaltung zur Verfügung gestellt werden“. Kaum drei Monate danach, am 11., 15. und 19. Juli 1942, also vor genau 80 Jahren, werden die letzten Schüler der Israelitischen Töchterschule deportiert – für die allermeisten von ihnen eine Reise ohne Wiederkehr.
Reichsstatthalter Karl Kaufmann, Hitlers rechte Hand in Hamburg und mächtigster Nazi Norddeutschlands, erlässt am 29. April 1942 eine Anordnung, die das Schicksal der damals letzten jüdischen Schule in Hamburg besiegelt: Er ordnet an, dass „eine Unterrichtung von Judenkindern ab sofort aufzuhören hat“. Außerdem sollen die Schulräume unverzüglich „der Hamburger Schulverwaltung zur Verfügung gestellt werden“. Kaum drei Monate danach, am 11., 15. und 19. Juli 1942, also vor genau 80 Jahren, werden die letzten Schüler der Israelitischen Töchterschule deportiert – für die allermeisten von ihnen eine Reise ohne Wiederkehr.
Das Gebäude der Israelitischen Töchterschule existiert bis heute, befindet sich an der Karolinenstraße, in unmittelbarer Nähe zur Messe. Die unteren Etagen beherbergen einen Kindergarten und einen Standort der Volkshochschule (VHS). Aber auch eine VHS-Gedenk- und Bildungsstätte zur Geschichte der Schule und ihrer Schüler gibt es: Sie befindet sich im dritten Stock, und der alte Naturkunderaum, der aussieht, als wäre 1942 irgendwie die Zeit stehen geblieben, ist das Highlight der Ausstellung. Ein Besuch lohnt sich!
Rund 300 jüdische Hamburger Kinder überlebten den Nazi-Terror nicht
- IGdJ Daniel, geb. 1935, und Betty Cohen, geb. 1936. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt, 1944 in Auschwitz ermordet
Daniel, geb. 1935, und Betty Cohen, geb. 1936. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt, 1944 in Auschwitz ermordet - Israelitische Töchterschule Edgar Witter, geb. 1928, mit seiner Mutter Bertha von Halle, deportiert nach Minsk am 18. November 1941
Edgar Witter, geb. 1928, mit seiner Mutter Bertha von Halle, deportiert nach Minsk am 18. November 1941 - IGdJ Ruth Zuckermann, geb. 1931, hier mit ihrer Mutter. Deportiert am 11. Juli 1942 nach Auschwitz
Ruth Zuckermann, geb. 1931, hier mit ihrer Mutter. Deportiert am 11. Juli 1942 nach Auschwitz - IGdJ Schulleiter Alberto Jonas, geb. 1889. Deportiert nach Theresienstadt am 19. Juli 1942. Gestorben dort am 29. August 1942
Schulleiter Alberto Jonas, geb. 1889. Deportiert nach Theresienstadt am 19. Juli 1942. Gestorben dort am 29. August 1942 - Israelitische Töchterschule Ingrid von Halle, geb. 1928, mit ihrer Mutter Josephine von Halle. Deportiert am 18. November 1941 nach Minsk
Ingrid von Halle, geb. 1928, mit ihrer Mutter Josephine von Halle. Deportiert am 18. November 1941 nach Minsk - IGdJ Wilhelm Hausmann, geb. 1927. Deportiert von Weiden in der Oberpfalz nach Lublin am 3. April 1941
Wilhelm Hausmann, geb. 1927. Deportiert von Weiden in der Oberpfalz nach Lublin am 3. April 1941 - IGdJ Marianne Leyser, geb. 1924. Deportiert nach Minsk am 8. November 1941
Marianne Leyser, geb. 1924. Deportiert nach Minsk am 8. November 1941 - IGdJ Margot Moritz, geb. 1925, hier mit ihrer jüngeren Schwester Lolli Katzenstein. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt, 1944 in Auschwitz ermordet
Margot Moritz, geb. 1925, hier mit ihrer jüngeren Schwester Lolli Katzenstein. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt, 1944 in Auschwitz ermordet - IGdJ Hermann Hausmann, geb. 1925. Deportiert von Weiden in der Oberpfalz nach Lublin am 3. April 1941
Hermann Hausmann, geb. 1925. Deportiert von Weiden in der Oberpfalz nach Lublin am 3. April 1941 - IGdJ Hertha Josias, geb. 1898, Schulsekretärin. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt, 1944 in Auschwitz ermordet
Hertha Josias, geb. 1898, Schulsekretärin. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt, 1944 in Auschwitz ermordet - IGdJ Hannelore Baum, geb. 1935. Deportiert am 11. Juli 1942 nach Auschwitz
Hannelore Baum, geb. 1935. Deportiert am 11. Juli 1942 nach Auschwitz - Israelitische Töchterschule Edith Cahn, geb. 1922. Deportiert nach Riga am 6. Dezember 1941.
Edith Cahn, geb. 1922. Deportiert nach Riga am 6. Dezember 1941. - Israelitische Töchterschule Marianne Cahn, geb. 1924. Deportiert nach Riga am 6. Dezember 1941
Marianne Cahn, geb. 1924. Deportiert nach Riga am 6. Dezember 1941 - Israelitische Töchterschule Ruth Nathan, geb. 1925. Deportiert nach Riga am 6. Dezember 1941
Ruth Nathan, geb. 1925. Deportiert nach Riga am 6. Dezember 1941 - Israelitische Töchterschule Noemi Carlebach, geb. 1927, deportiert nach Riga am 6.12.1941
Noemi Carlebach, geb. 1927, deportiert nach Riga am 6.12.1941 - Israelitische Töchterschule Hermann Kaftal, geb. 1929. Deportiert nach Minsk am 8. November 1941
Hermann Kaftal, geb. 1929. Deportiert nach Minsk am 8. November 1941 - Israelitische Töchterschule Werner Goldberg, geb. 1923. Deportiert nach Lodz am 25. Oktober 1941
Werner Goldberg, geb. 1923. Deportiert nach Lodz am 25. Oktober 1941 - IGdJ Hilde Falck, geb. 1924. Deportiert nach Auschwitz am 11. Juli 1942
Hilde Falck, geb. 1924. Deportiert nach Auschwitz am 11. Juli 1942 - Israelitische Töchterschule Ruth Carlebach, geb. 1926. Deportiert nach Riga am 6. Dezember 1941, ermordet 1943
Ruth Carlebach, geb. 1926. Deportiert nach Riga am 6. Dezember 1941, ermordet 1943 - Israelitische Töchterschule Hilde Dublon, geb. 1924. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt, stirbt im Mai 1943 an Typhus.
Hilde Dublon, geb. 1924. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt, stirbt im Mai 1943 an Typhus. - IGdJ Ruth Plessner (l.), geb. 1925, und Ester Plessner, geb. 1924, deportiert nach Lodz am 25. Oktober 1941
Ruth Plessner (l.), geb. 1925, und Ester Plessner, geb. 1924, deportiert nach Lodz am 25. Oktober 1941 - Israelitische Töchterschule Sara Carlebach, geb. 1928. Deportiert nach Riga am 6. 12.1941
Sara Carlebach, geb. 1928. Deportiert nach Riga am 6. 12.1941 - IGdJ Ruth Moses, geb. 1925. Deportiert nach Minsk am 8. November 1941
Ruth Moses, geb. 1925. Deportiert nach Minsk am 8. November 1941 - Yad Vashem Lilly Lindenborn, geb. 1928. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresien-stadt
Lilly Lindenborn, geb. 1928. Deportiert am 19. Juli 1942 nach Theresien-stadt - IGdJ Inge Löbenstein, geb. 1923. Deportiert nach Minsk am 8. November 1941
Inge Löbenstein, geb. 1923. Deportiert nach Minsk am 8. November 1941
1884 entsteht die Jüdische Töchterschule in Hamburg
1884 ist das Gründungsjahr der Schule. Sie entsteht, weil zwei jüdische Armenschulen, die sich in völlig heruntergekommenen und unzumutbaren Gebäuden in der Neustadt befinden, zusammengelegt werden. Die meisten Eltern sind mittellos. An eine Finanzierung des neuen Schulgebäudes durch Schulgeld ist also nicht zu denken. Da ist es ein Glücksfall, dass ein jüdischer Unternehmer so großzügig ist und das nötige Kapital zur Verfügung stellt.
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Das Baugrundstück wird von der Stadt gestiftet. Großen Wert hat die Fläche allerdings nicht, denn die von Pferdegespannen und Lastwagen viel befahrene Karolinenstraße ist mit groben Steinen gepflastert, und angesichts des Lärms, den der Verkehr erzeugt, können die Schülerinnen dem Unterricht nur schwer folgen. Nicht der allerbeste Standort für eine Schule.
Es sind vor allem Töchter aus weniger betuchtem Hause, die hier unterrichtet werden, und ihnen widmet Schulvorsteherin Mary Marcus ihre ganze Liebe und Kraft. Sie ist eine strenge Frau, aber gleichzeitig auch modern: Ungewöhnlich ist, dass an der Schule neben Hebräisch bereits Englisch unterrichtet wird. Strafen lehnt Mary Marcus ab. Herabsetzende und verletzende Behandlung von Schülerinnen – anderswo eine Selbstverständlichkeit damals – verbietet sie ihrem Kollegium.
Sage und schreibe 40 Jahre lang leitet Mary Marcus die Lehranstalt. Sie scheidet am 16. März 1924 im Alter von 80 Jahren aus dem Amt. Nachfolger wird Dr. Alberto Jonas, ein außergewöhnlicher Pädagoge, der dem Haus 1930 die staatliche Anerkennung als Realschule verschafft. Ein großer Erfolg. Die Schule genießt einen ausgezeichneten Ruf.

Nach 1933 durften jüdische Kinder nicht mal mehr auf den Spielplatz
Drei Jahre danach übernehmen die Nazis die Macht in Deutschland – was sich im Schulalltag zunächst durch zahlreiche Neuanmeldungen widerspiegelt: Viele jüdische Eltern nehmen ihre Kinder von den staatlichen Schulen, denn dort wird jetzt beim Fahnenappell die rechte Hand zum Hitlergruß gehoben.
Für jüdische Kinder ist das Leben ab jetzt unerträglich. Sie werden von ihren „arischen“ Mitschülern angegriffen, verhöhnt und beleidigt. „Für uns war bald alles verboten“, erinnert sich Erika Estis, die heute 99-jährig in den USA lebt. „Wir Kinder durften nicht mal auf die Spielplätze.“ Kino, Schwimmbäder und Theater – ebenfalls tabu.
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„Der einzige Ort der Geborgenheit, der uns jüdischen Kindern noch blieb: Das war die Schule“, so Estis. Allerdings lichten sich zusehends die Reihen. Angesichts des Nazi-Terrors verlassen immer mehr jüdische Familien das Land. Die, die zurückbleiben, werden immer einsamer. Enge Schulfreunde sind plötzlich nicht mehr da. Und auch beliebte Lehrer gehen.

Briefe sind der einzige Weg, um zu Freunden, die emigriert sind, den Kontakt zu halten. „Die Völkerwanderung dauert noch an“, schreibt 1933 ein jüdischer Schüler an einen Freund. „Günter und Du, Ihr seid fort. Edgar rüstet nach Amerika. Anni hat das Studium aufgegeben und glaubt, in einem halben Jahr nach Erez fahren zu können. Es wird öde und leer um mich.“
„Ich würde Dir gerne ein Paket voll Schnee schicken, aber es hat bei uns noch nicht geschneit“
Die Schülerin Hilde Dublon, damals 13 Jahre alt, schreibt im November 1936 an ihre Freundin Ruth Cohen, die jetzt in Palästina lebt: „Vielen Dank für Deinen schönen Brief und Dein Bild. Wie braun du geworden bist! Wie gerne würde ich Dir ein Paket voll Schnee schicken, aber bei uns hat es auch noch nicht geschneit. Augenblicklich ist echtes Hamburger Matschwetter.“
Dramatische Ausmaße nimmt die Flucht der jüdischen Bevölkerung ins Ausland nach dem 9. November 1938 an. An diesem Tag brennen die Synagogen. SA-Leute zertrümmern Schaufenster jüdischer Geschäfte, misshandeln und inhaftieren willkürlich jüdische Bürger. Viele, die das lange nicht wahrhaben wollten, sehen jetzt ein, dass es in Deutschland keine Zukunft mehr für sie gibt.
Auch Schülerin Erika Estis verlässt das Land: Mit einem Kindertransport schicken ihre Eltern sie 1939 nach England. Noch heute kommen Estis die Tränen, wenn sie an den Abschied am Bahnhof Altona denkt. „Mein Vater hat geweint, so viel geweint, und ich konnte es nicht ertragen. Das war das letzte Mal, dass ich meine Eltern gesehen habe.“

Im Herbst 1941 schließt Nazi-Deutschland seine Grenze: Für alle, die bis jetzt noch nicht emigriert sind, gibt es keinen Ausweg mehr. Hamburg wird zur Falle. Die Nazis beginnen mit den Deportationen: Im Oktober und November 1941 gehen Transporte nach Lodz und Minsk. Weil viele Familien mit schulpflichtigen Kindern darunter sind, nimmt die Zahl der Schüler stark ab.
Ab 1941 sitzen Juden in der Falle: Die Nazis beginnen mit ihrer „Endlösung“
Seit Auflösung der Talmud-Tora-Schule 1939 ist die Israelitische Töchterschule die letzte jüdische Schule in der Stadt, es werden dort also Jungen wie Mädchen unterrichtet. Im September 1941 hat Alberto Jonas 350 Schüler gezählt. Zum Jahreswechsel 1941/42 findet er sein Haus so leer vor wie nie. Nur noch 76 Schüler sind übrig.
Bislang haben die Nazis die Existenz der Schule an sich nicht infrage gestellt, aber das ändert sich jetzt. Im Frühjahr 1942 geht es damit los, dass Jonas aufgefordert wird, die Turnhalle zu räumen. Sie soll künftig von den „arischen“ Schülern der benachbarten Volksschule Kampstraße genutzt werden. Deren Halle ist bei einem Bombenangriff getroffen worden.

Als Nächstes sucht die Hamburger Schulverwaltung im März 1942 ein neues Gebäude für eine Sprachheilschule – und sofort fällt die Wahl auf die „Judenschule“. In einem Schreiben an die Geheime Staatspolizei argumentiert Schulrat Ossenbrügge: „Die Schulverwaltung ist der Auffassung, dass unter allen Umständen den deutschblütigen Schülern der Sonderschulen der Vorrang vor den Judenkindern zu geben ist.“
Die jüdischen Schüler müssen also weichen. Vorgeschlagen wird als Ersatzschulraum anfangs der dritte Stock der Volksschule Altonaer Straße 58, „weil hier eine völlige Trennung von deutschen und jüdischen Kindern möglich ist“, wie es im amtlichen Schriftwechsel heißt. Doch die dortige Schulleiterin Emma Lange geht auf die Barrikaden.
„Der unbestreitbar gute Ruf der alten Mädchen-Volksschule würde mit einem Schlag schwer gefährdet, wenn jüdische Kinder in dem Gebäude untergebracht werden würden“, schreibt sie. Die Umgebung der Schule sei an „jüdische Bevölkerung nicht gewöhnt“. Außerdem argumentiert sie, dass es im Luftschutzraum zu einem Zusammentreffen von „arischen“ und jüdischen Personen kommen könne – was „im Dritten Reich als unhaltbar abgelehnt werden“ müsse.
Karl Kaufmann untersagt, dass „Judenkinder“ weiter unterrichtet werden
Durch seine Entscheidung, dass jüdische Kinder nicht länger unterrichtet werden dürfen, sorgt Reichsstatthalter Karl Kaufmann dafür, dass es zu keinem Umzug mehr kommt. Die traditionsreiche Israelitische Töchterschule wird am 14. Mai 1942 – 58 Jahre nach ihrer Gründung – ersatzlos aufgelöst.

Nach monatelanger Pause geht die Deportation von Hamburger Juden im Sommer weiter. Am 11. Juli 1942 müssen sich 300 Menschen am Sammelpunkt in der Hartungstraße einfinden, darunter viele Schüler der Israelitischen Töchterschule. Der Zug, den sie besteigen, nimmt direkten Kurs auf Auschwitz. Damals allerdings weiß mit diesem Ortsnamen noch niemand etwas anzufangen.
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Kurz darauf, am 15. und 19. Juli 1942, werden die noch verbliebenen Schüler und ihre Lehrer zusammen mit zahlreichen prominenten Hamburger Juden und Veteranen des Ersten Weltkriegs nach Theresienstadt verfrachtet. Dabei ist als Sammelpunkt ausgerechnet die Volksschule von Emma Lange auserwählt worden, die sich so sehr gegen die jüdischen Kinder gesträubt hat. Am 15. Juli müssen sich dort 926 Personen, am 19. Juli 771 Menschen einfinden. Nach ihrer Registrierung werden sie alle mit Lastern zum Hannoverschen Bahnhof gebracht, wo der Zug schon wartet.
Kurz vor der Abreise trifft Alberto Jonas am Bahnsteig auf den berüchtigten Gestapo-Judenreferenten Claus Göttsche. Jonas’ Tochter Esther, damals 18, berichtet von einer bizarren Begegnung. Göttsche sei ausgesprochen freundlich zu ihrem Vater gewesen, habe ihm noch gut zugeredet. Göttsche soll gesagt haben: „Ach, sorgen Sie sich nicht, Herr Dr. Jonas. Sie werden Ihre Schule haben in Theresienstadt. Und Sie werden sehen, da ist es sehr schön.“

Im Juli 1942 werden die Schüler nach Auschwitz und Theresienstadt gebracht
Das Ghetto Theresienstadt entpuppt sich als Vorhof zur Hölle. Die Lebensbedingungen: menschenunwürdig. In dem Ort – eine im 18. Jahrhundert erbaute und nach der österreichischen Kaiserin Maria Theresia benannte Festung – werden die Deportierten auf engstem Raum zusammengepfercht, die Nahrungsmittelversorgung ist dürftig, jeder hungert. Alberto Jonas wird dort keineswegs als Schulleiter beschäftigt. Er, ein Mann des Wortes und der Wissenschaft, wird zum Kohlenschaufeln eingeteilt. Sechs Wochen nach seiner Ankunft stirbt er – seine Tochter Esther Bauer glaubt an „gebrochenem Herzen“.

Die älteren Bewohner haben für ihren Platz in Theresienstadt sogar noch bezahlen müssen. Sie wurden gezwungen, Heimkaufverträge mit den Nazis abzuschließen und ihr ganzes Vermögen dafür herzugeben. Doch von einem „Altersruhesitze“, wie von der Gestapo versprochen, kann nicht die Rede sein: Theresienstadt ist ein Durchgangslager. Zigtausende Gefangene werden von hier später weiter transportiert nach Auschwitz, wo sie meistens schon am Tag der Ankunft vergast werden.
Kennen Sie schon den historischen MOPO-Podcast: Hören Sie doch mal rein!
Von den letzten 28 Lehrern und Lehrerinnen, die 1941 in der Karolinenstraße unterrichtet haben, kommen bis auf drei alle um. Für rund 300 jüdische Kinder aus Hamburg endet ihr kurzes Leben jäh und grausam. Von den deportierten Mädchen und Jungen der Israelitischen Töchterschule überleben den NS-Terror nur elf. Die meisten anderen finden den Tod in der Gaskammer.