Adrian Maleika: Neue Gedenktafel für den 16-Jährigen, der nur Fußball schauen wollte
Dass der HSV sich damit 40 Jahre Zeit ließ, das halten nicht nur in Bremen viele für einen Skandal. Am Montag ist nun nachgeholt worden, was wohl längst überfällig war: Eine Gedenktafel für Adrian Maleika wurde aufgestellt – zur Erinnerung an ein dramatisches Ereignis, das bis heute nachwirkt.
Dass der HSV sich damit 40 Jahre Zeit ließ, das halten nicht nur in Bremen viele für einen Skandal. Am Montag ist nun nachgeholt worden, was wohl längst überfällig war: Eine Gedenktafel für Adrian Maleika wurde aufgestellt – zur Erinnerung an ein dramatisches Ereignis, das bis heute nachwirkt.
Adrian Maleika war der Erste in Deutschland, den Gewalt zwischen Fußballfans das Leben kostete. Der Tod des 16-jährigen Bremer Glaserlehrlings vergiftete für Jahrzehnte das Verhältnis von HSV- und Werder-Fans, und die Wunden, die damals gerissen wurden, sind bis heute nicht verheilt. „Mit der Gedenktafel wollen wir den Angehörigen und der Werder-Familie unser Mitgefühl zum Ausdruck bringen, das Geschehene sichtbar machen und eine Mahnung aussprechen“, sagte HSV-Sportvorstand Jonas Boldt.
Ein Stein traf Adrian Maleika am Hinterkopf

Samstag, 16. Oktober 1982. Schauplatz: das Volksparkstadion in Hamburg. Der HSV spielt gegen Werder Bremen. Es geht um viel, ums Weiterkommen im DFB-Pokal. Am Ende siegen die Gastgeber mit 3:2. Horst Hrubesch trifft einmal ins Netz, Lars Bastrup erzielt sogar zwei Treffer. Auf Bremer Seite sind Thomas Schaaf und Johnny Otten die Torschützen.
Es ist ein trister Herbstnachmittag. In Bremen machen sich an diesem Tag einige Hundert Fans auf den Weg ins 120 Kilometer entfernte Hamburg, darunter auch Adrian Maleika, Sohn einer oberschlesischen Spätaussiedlerfamilie, der mit seinem Fanclub „Die Treuen“ unterwegs ist. Sie hoffen auf einen Sieg ihrer Mannschaft, denn zuletzt hat sich Werder Bremen zu einem ernsthaften Konkurrenten des amtierenden Deutschen Meisters HSV gemausert.
40 Jahre danach wurde am Montag eine Gedenktafel eingeweiht

Während die Bremer Fans noch im Zug sitzen, trinken sich in Hamburg Mitglieder des berüchtigen rechtsextremistisch dominierten HSV-Fanclubs „Die Löwen“ schon mal in Stimmung. Die Hooligans wollen den Bremern heute so richtig zeigen, wer im Norden das Sagen hat.Bereits am Hauptbahnhof geht die Randale los: HSV-Hooligans bewerfen Bremer mit Bierdosen. Es gibt nur deshalb kein Blutvergießen, weil Polizeibeamte die Gäste-Fans zur S-Bahn geleiten, mit der sie bis nach Stellingen fahren sollen, wo sie ebenfalls von Polizeibeamten in Empfang genommen werden.
Die Schuldigen für Maleikas Tod wurden nicht bestraft
Doch tragischerweise steigen einige Fans nicht in Stellingen aus, sondern fahren eine Station weiter, bis nach Eidelstedt, und wollen sich von dort den Weg zum Stadion suchen. Darunter Adrian Maleika und seine Kumpel. Im unübersichtlichen Volkspark geraten er und rund 150 weitere Bremer in einen Hinterhalt. Gegen 14.55 Uhr stehen ihnen Skinheads und gewalttätige HSV-Fans gegenüber, die mit Gaspistolen und Leuchtraketen auf sie feuern und Mauersteine werfen. Viele Bremer türmen. Adrian Maleika sucht in einem Gebüsch Schutz, wird von einem Stein am Hinterkopf getroffen. Obwohl er bereits bewusstlos am Boden liegt, treten Hooligans jetzt auch noch auf ihn ein. Er hat keine Chance: Maleika stirbt am darauffolgenden Tag im Altonaer Krankenhaus. Todesursache: Schädelbasisbruch und Gehirnblutungen.

Das Entsetzen ist riesig. Den beiden Vereinen HSV und Werder Bremen ist danach sofort klar: Es muss jetzt was passieren. Unternehmen wir nichts, dann wird bald noch mehr Blut fließen. Und so trommeln HSV-Manager Günter Netzer auf der einen und Werder-Manager Willi Lemke auf der anderen Seite die Fans zusammen. Es kommt zum Treffen im niedersächsischen Scheeßel, wo 200 Fan-Vertreter den gleichnamigen Frieden schließen. Ein Stillhalteabkommen. Sie erklären, auf Rache verzichten zu wollen. Bis heute haben sich zwar alle daran gehalten, zerrüttet ist das Verhältnis aber trotzdem.
1983 schließen HSV- und Werder-Fans den „Frieden von Scheeßel“

Wer den Stein warf, der Adrian Maleika tötete – diese Frage ist bis heute unbeantwortet. Im Dezember 1983 müssen sich zwar acht HSV-Hooligans vor der 4. Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts verantworten, doch alle bestreiten, Maleika etwas zuleide getan zu haben.
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Fünf Angeklagte werden freigesprochen, drei wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung verurteilt, wobei Peter L., genannt „Kugel“, die härteste Strafe bekommt: Als „Rädelsführer“ muss er zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Bernhard B. wird zu zwölf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Carmen S. muss Arbeitsstunden ableisten. Aber alle haben bis zuletzt bestritten, Adrian Maleika verletzt zu haben.
Adrian Maleikas Tod darf nie in Vergessenheit geraten
Die anfängliche Tradition, zu seinem Andenken „Adrian-Maleika-Gedächtnisturniere“ auszutragen, wird seit 2004 nicht mehr gepflegt. 2012, zum 30. Jahrestag der Tat, wird im Bremer Weserstadion eine Tafel enthüllt, die an das Schicksal des 16-Jährigen erinnert. Zehn Jahre danach hat nun auch der HSV eine Gedenktafel aufgestellt. Als Mahnung, wohin Rivalität zwischen Fußballfans im schlimmsten Falle führen kann.

„Die Geschichte von Adrian darf nicht in Vergessenheit geraten“, sagt Werders Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald. „Sie ist Mahnung, trotz aller sportlichen Rivalität und Konkurrenz die Grenze der körperlichen Unversehrtheit niemals zu überschreiten.“ Er habe allerdings „den Eindruck, dass aufgrund der langen Zeitspanne von nun vier Jahrzehnten diese Mahnung verblasst. Gerade deshalb ist das Gedenken von großer Wichtigkeit.“