Dieser Milliarden-Plan könnte Hamburgs Mieten explodieren lassen
Es ist ein Milliardenprojekt: Bis 2045 sollen auf Wunsch der Stadtentwicklungsbehörde alle Wohnungen in Hamburg klimaneutral werden. Zunächst zahlen das die Eigentümer – die sich das Geld für Dämmung und neue Fenster aber zum Teil von ihren Mietern zurückholen können. Wie tief die Mieter am Ende in die Tasche greifen müssen, haben Architektur-Professoren der HafenCity Universität für die MOPO aufgeschlüsselt. Außerdem erklären sie, warum das klimaneutrale Wohnen trotz der ehrgeizigen Pläne am Ende doch nur ein Wunschtraum bleiben könnte.
Es ist ein Milliardenprojekt: Bis 2045 sollen auf Wunsch der Stadtentwicklungsbehörde alle Wohnungen in Hamburg klimaneutral werden. Zunächst zahlen das die Eigentümer – die sich das Geld für Dämmung und neue Fenster aber zum Teil von ihren Mietern zurückholen können. Wie tief die Mieter am Ende in die Tasche greifen müssen, haben Architektur-Professoren der HafenCity Universität für die MOPO aufgeschlüsselt. Außerdem erklären sie, warum das klimaneutrale Wohnen trotz der ehrgeizigen Pläne am Ende doch nur ein Wunschtraum bleiben könnte.
Insgesamt mindestens 32 Milliarden Euro müssen laut der Behörde für das klimaneutrale Wohnen investiert werden. Diese Zahl beruht allerdings auf dem Stand vom Ende des vergangenen Jahres. Wegen der Preissteigerungen im Bausektor dürfte die Summe laut Experten aktuell bei 40 Milliarden liegen. Architektur-Professor Dirk Krutke rechnet das mal für die MOPO durch: 40 Milliarden Euro bis 2045 verteilt wären etwa 1,7 Milliarden pro Jahr.
Die Stadt hat angekündigt, in den nächsten vier Jahren eine Fördersumme von 210 Millionen Euro zuzuschießen. Eigentümer und Vermieter müssten also rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr selbst stemmen – könnten sich das Geld aber zurückholen: „Da es sich bei den meisten Maßnahmen um Modernisierungsarbeiten handelt, werden sie umlegbar sein und am Ende beim Mieter landen“, ist sich Krutke sicher.
„In der Realität funktioniert das meist nicht“
In der Theorie laufe es so: Vermieter führen eine Modernisierungsmaßnahme durch, die dem Mieter Heizkosten einsparen soll. Das kann zum Beispiel der Tausch von Fenstern sein, da allein hier oft bis zu 20 Prozent der Raumwärme verloren gehen können.

Die Kosten der Modernisierung holt sich der Vermieter über die Kaltmiete zurück. Der Mieter zahlt also weniger für die Heizung, aber die gleiche Summe mehr an Miete – theoretisch ein Nullsummenspiel. „Aber in der Realität funktioniert das meist nicht, weil die Berechnungen von Idealmietern ausgeht und individuelle Lüftungsverhalten zum Beispiel nicht berücksichtigt“, sagt Krutke. Heißt: Die Mieter zahlen auf jeden Fall drauf.
Kritik an Stadtentwicklungsbehörde
Die Stadtentwicklungsbehörde teilte bei der Vorstellung ihrer Klimaschutzziele mit, das Wohnen müsse auch mit den Sanierungsmaßnahmen für den Klimaschutz bezahlbar bleiben. Professor Wolfgang Wilkomm nennt das eine „Beschwörungsformel“.

Das Wohnen sei für eine immer größere Gruppe der Bürgerinnen und Bürger jetzt schon nicht mehr bezahlbar. „Da muss man aufpassen, denn so eine Sanierungswelle tritt auch viele soziale Verschiebungen los”, sagt er.
Wichtig sei, dass auch die Stadt Hamburg „mit überzeugender Vorreiterrolle” vorangehe um ihre Bürger mitzunehmen. Sonst bestehe keine Regierung eine Wahl, wenn die Lasten im Kampf zwischen Mietern und Wohnungseigentümern diskutiert würden.
Professor: „Wärmedämmung fällt nicht vom Himmel“
Selbst wenn die Bürger alle finanziellen Hürden stemmen könnten, würde Hamburgs Wohnungsbestand dann wirklich bis 2045 komplett klimaneutral werden? Die Antwort lautet: jein.
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„Wärmedämmung fällt nicht vom Himmel, es handelt sich um aus Glas oder Stein produzierte Wolle. Schon bei der Produktion wird so viel CO2 freigesetzt, dass man das bis 2045 gar nicht einholen kann“, stellt Dirk Krutke klar. Auch Professor Willkomm hält eine Klimaneutralität beim Wohnen bis 2045 unter diesem Aspekt für „sehr schwierig“.
Stadt hat CO2-Verbrauch der Materialien nicht einbezogen
Tatsächlich wurde in der 2019 beschlossenen Studie „ausschließlich der energetische Stand der Gebäude im Betrieb betrachtet“, schreibt ein Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde auf MOPO-Nachfrage. Eine Betrachtung der Materialen und Prozesse, die bei möglichen Sanierungsmaßnahmen eingesetzt werden, müsste also in einem späteren Gutachten erfolgen. Ob der Wunsch des klimaneutralen Wohnens in Hamburg bis 2045 danach weiterhin realistisch ist, bleibt abzuwarten.

„Meine Einschätzung dieser Machbarkeitsstudie ist, dass sie im Positiven sehr handlungsorientiert ist, von der Datenlage aber dringend anpassungsbedürftig und im Detail zu sehr auf Einzelgebäude fokussiert und zu wenig auf Verbundlösungen im Quartier“, sagt Willkomm.
Professor sieht Grüne Fernwärme als „Gamechanger“
Der Bestand an Gebäuden müsse besser genutzt und nachverdichtet werden, vor allem in der Innenstadt. „Im Verbund mit der produzierten Abwärme aus dem Gewerbe wie etwa in der Gastronomie oder von Hotels, wäre es möglich, hier sehr energiesparend zu leben.“ Als Beispiel nennt Willkomm das Projekt „Gröningerhof“, also die Umgestaltung des alten Parkhauses bei der St. Katharinenkirche zum Wohngebäude.
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Dirk Krutke sieht den echten „Gamechanger“ erst in grüner Fernwärme: „Wir müssten nicht ganz Hamburg mit Wärmedämmung einwickeln, wenn wir die Klimaneutralität über den Energieträger erreichen. Es ist wie beim Strom: Natürlich können wir alle Energiesparlampen benutzen, aber wenn die Energie zu 100 Prozent von der Sonne kommt, dann müssen wir gar nicht darüber diskutieren, welche Lampen wir nutzen.“