Hamburgerin nahm 25 Ukrainer auf: Wie geht es ihnen heute?
Wie die meisten Menschen war Iryna Thater bei Kriegsbeginn im vergangenen Jahr völlig schockiert. Doch die seit 20 Jahren in Hamburg lebende Ukrainerin zögerte nicht lange und nahm 25 geflüchtete Verwandte auf. Sie erzählt, warum manche bleiben wollen und andere wieder zurückgegangen sind.
Wie die meisten Menschen war Iryna Thater bei Kriegsbeginn im vergangenen Jahr völlig schockiert. Doch die seit 20 Jahren in Hamburg lebende Ukrainerin zögerte nicht lange und nahm 25 geflüchtete Verwandte auf. Sie erzählt, warum manche bleiben wollen und andere wieder zurückgegangen sind.
Ziemlich genau vor einem Jahr sprach die MOPO schon einmal mit Iryna Thater. Das war kurz nach Ausbruch des Krieges. Eine Cousine und deren Freundin waren damals mit ihren Töchtern zu der Modebloggerin nach Hamburg geflohen. Doch schon wenige Wochen später war klar, dass noch mehr Familienmitglieder auf ihre Hilfe angewiesen waren. „Am Ende waren es neun Familien mit insgesamt 25 Menschen, die ich in Hamburg untergebracht habe“, so Iryna Thater. „Vier Familien haben in meiner Eigentumswohnung gewohnt, für die anderen habe ich Möglichkeiten bei Freunden gefunden.“
„Sie ziehen mittlerweile fast jeden für den Kriegsdienst ein“
Die Frauen, die als erstes bei ihr in Winterhude ankamen, sind inzwischen wieder in ihrer Heimatstadt Lwiw. „Die Väter und Brüder mussten dortbleiben und die Sehnsucht war zu groß“, berichtet die 37-Jährige. „Der Sommer war trügerisch ruhig und nach einem Besuch in den Sommerferien sind sie dageblieben. Sie haben sich von der Schule und bei den Behörden in Deutschland wieder abgemeldet.“ Doch mit den Massenangriffen im Herbst wurde es wieder schlimmer. Viele Vormittage würden die Kinder in den Schul-Bunkern verbringen. Auch die Internet-, Strom- und Wasserversorgung sei nicht immer gesichert.
Die Angst um ihren Bruder ist bei Iryna Thater noch größer geworden, da er jederzeit eingezogen werden könnte. „Sie nehmen mittlerweile fast jeden, die Ausbildungen werden immer kürzer“, sagt sie besorgt.

Die Frau ihres Bruders ist mit den Kindern in das Heimatland zurückgegangen. Die beiden Söhne (10/16) gingen in Deutschland bereits zur Schule, hatten Freunde und Hobbys gefunden. Verschiedene Gründe bewegten sie zur Rückkehr: „Zum einen das Heimweh nach ihrem Vater. Zum anderen stand der Große kurz vor seinem ukrainischen Abschluss. Wenn er erst einmal seine Deutschkenntnisse auf Abiturniveau hätte bringen müssen, wäre er um Jahre zurückgefallen.“ Auch die 18-jährige Tochter ihrer Cousine, Ustyna, ist zurückgekehrt: Ihr Psychologie-Studium findet teilweise wieder in Präsenz statt.
Warum viele Ukrainer wieder nach Hause zurückkehren
Die Nachbarin ihrer Cousine hingegen musste aufgrund ihres Jobs als Kinderärztin zurückkehren. „Am Anfang hat ihr Arbeitgeber die Flucht noch akzeptiert“, berichtet die Modebloggerin. „Aber gerade Ärzte werden jetzt gebraucht und ihr drohte die Kündigung. Dann hätte sie ihr ganzes Leben in der Ukraine aufgeben müssen und das möchte sie jetzt noch nicht.“
Auf lange Sicht würden die meisten wieder nach Deutschland wollen – auch, weil sie nicht an ein baldiges Kriegsende glauben. Voraussetzung: Die Männer müssen mit hierher. „Bei meinem 16-jährigen Neffen steigt langsam die Sorge, dass auch er irgendwann eingezogen werden könnte. Wir gehen definitiv davon aus, dass der Krieg noch bis zu seiner Volljährigkeit andauern könnte“, so Iryna Thater. Nur zwei der neun aufgenommen Familien sind hiergeblieben – weil die Männer aufgrund von Krankheiten nachkommen durften.

„Sie leben alle in Reinbek“, berichtet die 37-Jährige. „Voraussetzung dafür war aber auch, dass sie eigene Wohnungen gefunden haben. Jetzt bereiten sie sich in Integrationskursen auf die Jobsuche vor.“
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Für Iryna Thater ist klar: Damit Ukrainer dauerhaft hierbleiben wollen, muss die ganze Familie herkommen dürfen. „Die Familienbande sind so stark, dass wir eine dauerhafte Trennung von unseren Männern nicht ertragen.“
Außerdem ist eine Wohnung essenziell. „Wir alle hoffen so sehr, dass dieses Grauen bald ein Ende hat. Aber daran glauben können wir nicht“, so Iryna Thater.