Eimsbüttels kultigste Weinstube: Hier wird seit 95 Jahren gebechert
Hier wurden schon viele Nächte durchzecht: Am 1. April feiert die wohl kultigste Weinstube Eimsbüttels ihren 95. Geburtstag. Der erste Wirt des Ladens saß sogar im Knast, bloß um die Hamburger mit Wein zu versorgen, sagt sein Sohn und heutiger Chef, Bernd Lehmitz. Der MOPO erzählt er, wie aus einem kleinen Feinkost-Laden eine Eimsbütteler Institution wurde.
„Ich könnte mit verbundenen Augen durch den Laden laufen, ohne mich zu stoßen – ich kenne jeden Winkel”, sagt Bernd Lehmitz (61). Sein Vater eröffnete seinen Feinkost-Handel am 1. April 1927 an der Wandsbeker Chaussee. Mitte der 30er Jahre zog das Geschäft nach Eimsbüttel. Ernst Lehmitz begann, selbst Spirituosen und Liköre herzustellen und die ganze Stadt damit zu beliefern.
Schnell kamen auch Weine hinzu. Mit Winzern in Westdeutschland machte Lehmitz Senior kurz nach dem zweiten Weltkrieg einen Deal: Ihnen wurden unter französischer Besatzung die Pferde weggenommen. Deshalb lud Lehmitz in Hamburg Pferde in einen LKW und fuhr gen Süden, um sie dort gegen Wein zu tauschen. Allerdings flog er auf. „Unter Einsatz seiner Freiheit hat mein Vater Wein für Hamburg besorgt", lacht Bernd Lehmitz heute.
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Hier wurden schon viele Nächte durchzecht: Am 1. April feiert die „Lehmitz-Weinstuben“ in Eimsbüttel ihren 95. Geburtstag. Der erste Wirt des Ladens saß sogar im Knast, bloß um die Hamburger mit Wein zu versorgen, sagt sein Sohn und heutiger Chef, Bernd Lehmitz. Der MOPO erzählt er, wie aus einem kleinen Feinkost-Laden eine Eimsbütteler Institution wurde.
Sogar die Hauswand der Faberstraße 21 ist mit Wein bewachsen. Ein hölzernes Schild hängt über der Tür: „Lehmitz Weinstuben“ – und Stube ist der richtige Begriff. Durch die weichen Teppiche und die niedrige Holzdecke wirkt das Restaurant eher wie ein norddeutsches Wohnzimmer. Überall gibt es kleine Schnitzereien oder maritim bemalte Wandteller zu entdecken. Der Geruch der Sitzpolster verrät, dass hier schon oft gut gegessen und früher auch geraucht wurde.
„Ich könnte mit verbundenen Augen durch den Laden laufen, ohne mich zu stoßen – ich kenne jeden Winkel”, sagt Bernd Lehmitz (61). Er ist ein herzlicher Typ, der gern an seine Kindheit zurückdenkt. Sein Vater eröffnete seinen Feinkost-Handel am 1. April 1927 an der Wandsbeker Chaussee. Mitte der 30er Jahre zog das Geschäft nach Eimsbüttel. Ernst Lehmitz begann, selbst Spirituosen und Liköre herzustellen und die ganze Stadt damit zu beliefern.
Schnell kamen auch Weine hinzu. Mit Winzern in Bad Kreuznach machte Lehmitz Senior kurz nach dem zweiten Weltkrieg einen Deal: Ihnen wurden unter französischer Besatzung die Pferde weggenommen. Deshalb lud Lehmitz in Hamburg, das Teil der englischen Besatzungszone war, Pferde in einen Lkw und fuhr gen Süden, um sie dort gegen Wein zu tauschen. Allerdings flog er auf – und musste für zwei Tage in den Knast. „Unter Einsatz seiner Freiheit hat mein Vater Wein für Hamburg besorgt“, lacht Bernd Lehmitz heute.
In den 50er Jahren kaufte Lehmitz Senior das benachbarte Trümmergrundstück und vergrößerte sich: Zu dem Handel mit Feinkost kam ein Restaurant. Im Geschäft lernte er auch seine spätere Frau kennen – die rund 30 Jahre jüngere Ursula war seine Angestellte. Ihr gemeinsamer Sohn führt heute die Geschäfte. „Ohne den Weinladen wäre ich gar nicht auf der Welt”, sagt Bernd Lehmitz.
Hamburg: „Lehmitz-Weinstuben” in Eimsbüttel werden 95 Jahre alt
Die dreiköpfige Familie reiste um die ganze Welt, um Weine zu verkosten. Sogar aus Südafrika ließen sie die leckersten Sorten per Schiff importieren. Als der Vater 1987 starb, unterstützte der Junior seine Mutter bei der Geschäftsführung. „Noch bis 2010 hat sie handschriftlich Buch geführt – das konnte mich wahnsinnig machen”, lächelt er. Noch heute sieht die Weinstube so aus, wie Ursula Lehmitz sie in den 60er Jahren eingerichtet hat.
Mittlerweile hat das Familienunternehmen einen Weltkrieg, zwei Währungsreformen und eine Pandemie überstanden. Hat Lehmitz je daran gedacht, den Laden dicht zu machen? „Nicht eine Sekunde – für mich gab es nie etwas anderes.” Die Corona-Zwangspause hat das Team genutzt, um die Küche zu modernisieren.
Der Feinkost-Handel ist mittlerweile eingestellt, Bernd Lehmitz konzentriert sich auf die Gastronomie. Besonders sein Käsefondue ist bei der Stammkundschaft beliebt. Auch die Lieferanten von Wein und Käse sind Familienbetriebe, die mittlerweile in zweiter Generation geführt werden. „Aus der langjährigen Zusammenarbeit sind Freundschaften geworden”, erzählt Lehmitz.
Der 95. Geburtstag wird deshalb mit Mitarbeiter:innen und Händler:innen in geschlossener Gesellschaft gefeiert. In der folgenden Jubiläums-Woche werden auf der Speisekarte norddeutsche Delikatessen angeboten: „Labskaus und Rundstück warm – da sind wir Hamburgisch. Punkt.”
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Bald möchte Bernd Lehmitz in den Ruhestand gehen: „45 Jahre Gastronomie stecken mir in den Knochen”. Er selbst hat keine Kinder, aber eine langjährige Mitarbeiterin wird die Geschäfte übernehmen. Vorbeischauen will Lehmitz trotzdem noch – seine Wohnung liegt direkt über dem Lokal.